KAPITEL 37 | AUDEN

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Seit ich Maya kenne, redet sie von diesem Baumhaus, in dem sie und Porter die letzten Monate gelernt haben. Bisher dachte ich immer, es wäre deren Treffpunkt, weshalb ich noch nie dort gewesen bin, aber da lag ich wohl falsch. Es freut mich irgendwie, dass sie mich hierherbringt, weil ihr dieser Ort viel zu bedeuten scheint. Sie sagt, dass sie es mit ihrem Dad damals gebaut hat und seitdem immer wieder hierherkommt.

Als ich auf dem Ball dann doch endlich auf Maya zugegangen bin, war ich mehr als nervös. Ich wusste, dass ich mich nicht mehr vor ihr verschließen kann, wenn wir wieder miteinander reden würden und trotzdem hat es mich nicht davon abgehalten mit ihr zu kommen, als sie von diesem Ort gesprochen hat.

Es gibt ein einziges kleines Licht in dem Häuschen, aber es ist hell genug für den kleinen Raum. Links von mir steht ein Sofa und sonst gibt es hier nur noch zwei Kommoden, die vollgestopft mit Blättern sind. Ich bin mir sicher, dass es sich dabei um Mayas selbstgeschriebene Texte handelt.

Maya zündet ein paar Kerzen an, die uns wärmen und mehr Licht spenden sollen. Ich hebe derweil einen einzelnen Zettel vom Boden auf und muss bei der Überschrift grinsen. »Liebe ist scheiße«, lese ich laut vor.

Sie wird sofort rot, als sie sich zu mir umdreht. »Manchmal ist sie es wirklich.«

»Manchmal aber auch nicht«, entgegne ich. »Macht es dir etwas aus, wenn ich mir den Rest durchlese?«

Lächelnd kommt sie auf mich zu, bis sich unsere Schuhe fast berühren. Ich muss ebenfalls lächeln, als ich sehe, dass sie Sneakers zu ihrem Kleid trägt und ziemlich stolz darauf aussieht. Ihre Hände legt sie auf das Blatt Papier in meinen Händen, um ihr Geschriebenes zu verdecken, dann sagt sie: »Du darfst jeden meiner Texte lesen, wenn du mir ein paar Fragen beantwortest.«

»Ist das so eine Art Erneuerung des Spiels, bei dem der eine ein Kleidungsstück ausziehen muss, wenn der andere die Frage beantwortet?«

Maya lacht leise. »Ja, so etwas in der Art. Wenn du eine meiner Fragen beantwortest, darfst du einen Satz hiervon lesen. Nur um dich schon mal vorzuwarnen — dieser Text ist superpeinlich.«

Ich übergebe ihr das Blatt und setze mich langsam auf das Sofa, auf das wir beide gerade so passen. Am liebsten hätte ich Maya näher an mich gezogen, obwohl wir schon eng aneinander sitzen. Es ist nur noch nicht genug. Ich will sie endlich in den Arm nehmen können, ohne dabei an Porter zu denken. Ich will ihr sagen, dass ich sie liebe, ohne meine Worte sofort wieder bereuen. Und ich will sie küssen. Die ganze Nacht.

Aber vorher will ich endlich offen zu ihr sein. »Was ist deine erste Frage?«

Sie lehnt den Kopf nach hinten, kneift leicht die Augen zusammen und denkt lange nach. »Darf die Frage auch sehr plötzlich kommen?«

»Ja«, antworte ich leise, obwohl ich am liebsten den Kopf geschüttelt hätte.

»Okay.« Sie atmet tief durch. »Wann haben deine Eltern mit dem Trinken angefangen?«

»Ungefähr kurz nachdem Lyn und Auri geboren wurden«, antworte ich wie aus der Pistole geschossen. »Ich war damals elf Jahre alt, als ich gemerkt habe, wie wenig Liebe Mom und Dad ab dem Zeitpunkt füreinander hatten. Unsere Nachbarin hat sich mehr um meine Geschwister gekümmert als meine Eltern, weil beide zu betrunken waren, um ihnen die Windeln zu wechseln.«

Maya ist genauso überrascht wie ich, dass meine Antwort ausführlicher war, als ich es beabsichtigt habe. Sie schluckt und hält mir den ersten Satz hin, in dem sie den Rest mit ihren kleinen Händen verdeckt.

Eine sehr weise Frau aus dem frühen 20. Jahrhundert hat einmal gesagt:

»Was hat sie gesagt?«, will ich natürlich sofort wissen.

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