KAPITEL 28 | MAYA

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Mittlerweile arbeite ich seit über einem Jahr im Josie's, was mich wohl automatisch so vertrauensvoll macht, dass ich das Café eigenständig schließen darf. Ich arbeite normalerweise nicht so lange, bloß am Wochenende ist es draußen bereits dunkel und nur noch wenige Gäste wollen um kurz vor neun Uhr noch einen Kaffee trinken. Heute habe ich das unfassbare Pech, dass es draußen schüttet und ich drinnen als einzige Gesellschaft ausgerechnet Brittany Grammer habe.

Sie sitzt allein an dem Tisch, an dem sie und Porter schon einmal gegessen haben, und rührt in ihrem Kaffee herum, während sie die Regentropfen an den Fensterscheiben beobachtet. Irgendwie wirkt sie nicht so, als wäre sie hier, um mit mir zu streiten, aber trotzdem bin ich vorsichtig, als ich ihr auch das bestellte Stück Kuchen vor die Nase stelle und mir dabei ein Lächeln abringe.

Brittany nickt dankbar und sieht zu mir hoch. »Willst du dich vielleicht zu mir setzen?«

Überrascht heben sich meine Augenbrauen. »Tut mir leid, aber das darf ich während der Arbeitszeiten nicht.«

»Also ich sehe hier niemanden außer mich«, entgegnet sie amüsiert. »Außerdem schließt ihr doch sowieso in weniger als zehn Minuten, oder?«

Ich seufze, setze mich dann aber beinahe vorsichtig auf den Stuhl ihr gegenüber. Nachdenklich schaue ich auf meine mit Kaffeeflecken übersäte Schürze und will mir dabei gar nicht vorstellen, wie meine Haare mittlerweile aussehen. Seit sie viel kürzer sind, neigen sie ebenfalls dazu, verknoteter und wirrer auszusehen als sonst.

Brittany und ich schweigen eine Weile, bis sie mir irgendwann etwas von ihrem Kuchen anbietet, woraufhin ich dankend ablehne. Es ist seltsam vor ihr zu sitzen, wenn sie mich am Anfang des Schuljahres noch in dieses Biene-Maja-Kostüm gesteckt, Auden ständig angemacht und beinahe mit Porter geschlafen hätte.

Ich versuche einfach über all diese Dinge hinwegzusehen, als ich frage: »Also du und Porter ... ihr scheint ziemlich gut miteinander klarzukommen?«

»Wer hätte das gedacht, nicht wahr?«, murmelt sie, während ihre Wangen immer röter werden. Anders als ich bekommt sie keine Ich-bin-das-Ebenbild-einer-Tomate-Röte, sondern eher eine Ja-das-ist-mein-natürlicher-Teint-Röte. Wie unfair. »Denk aber bloß nicht, dass er dich deshalb einfach vergessen hat, Maya. Er erzählt nur Gutes von dir.«

Ich antworte nichts, während ich mich frage, warum es nicht mehr so sehr wehtut wie davor, dass Brittany und Porter sich nun so gut verstehen.

Schluckend betrachte ich ihre Haare, wobei mir erst jetzt auffällt, dass sie noch kürzer sind als meine, was ihr extrem gut steht. Ich schätze, sie wollte die Haarfarbe damit verschwinden lassen und hat deshalb diesen Haarschnitt gewagt. Warum ich überhaupt darüber nachdenke? Weil Brittany seit dem Saphomore Year ihre Haare färbt und ihr Erscheinungsbild auch noch am Schuljahresanfang ganz anders war als jetzt.

Als wüsste sie, was ich denke, grinst sie breit. »Wie auch immer, ich bin eigentlich aus einem bestimmten Grund hier, Maya.«

»Du bist nicht wegen Kaffee und Kuchen um neun Uhr abends hier?«, frage ich gespielt schockiert. »Welch eine Überraschung.«

Jetzt lacht sie leise. »Ich wollte mich bei dir entschuldigen. Guck nicht so erschreckt, ich meine es ernst.«

Es ist nicht so, als hätte Brittany mich jemals so stark geärgert, dass ich dachte, sie müsste sich irgendwie bei mir entschuldigen. Die einzigen Vorfälle, die ich noch in Erinnerung habe, sind ein paar blöde Sprüche über mich gewesen, wenn ich entweder Stacey beim Cheerleader-Training zugesehen habe oder ich im Veranstaltungskomitee peinliche Kostüme tragen musste, die sie mir aufgebrummt hat.

Dann wäre natürlich noch die Sache mit Auden, die vor allem Porter ihr immer stark vorgehalten hat. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er ihr einfach so verzeihen konnte, obwohl sie Auden monatelang nicht in Ruhe gelassen hat. Bei mir müsste sie sich deshalb nicht entschuldigen.

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