2 - Sein Gesicht

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Sein Gesicht

Helena konnte sich nicht rühren. Leandro führte sich und ihr kleinen Bruder in den Tod. Sie fühlte sich alleine und verraten. Ihre Mutter machte keine Anstalten ihren Sohn zu retten. Sie stand einfach da und blicke mit leerem Blick über die Menge hinweg in die Ferne. Ein unglaubliche Wut auf ihre Mutter stieg in ihr auf. Wie hätte sie sie nur so ausnutzen können.

Ihre Tante Marina war weinend in der Menge zusammengebrochen und schluchzte immer wieder den Namen ihres Sohnes, während die anderen Frauen tröstend auf sie einredeten.

Die Wut über ihre eigene Mutter überkam sie rasend. Ohne wirklich nachzudenken, sprang Helena auf und rannte kreischend auf ihre Mutter zu. Sie riss ihr an den Haare und schlug auf sie ein. Dabei weinte und schrie sie.

„Wie konntest du nur? Du hast dein eigenen Sohn umgebracht!", kreischte sie weinend und hörte nicht auf, auf ihre Mutter einzuschlagen, selbst als diese leblos unter ihr zusammenbrach. Sie hatte ihre Wut nicht mehr unter Kontrolle. „Du solltest dafür leiden! Du solltest in die Hölle kommen!"

Ein paar starke Hände zogen sie von ihrer Mutter weg und setzten sie gewaltsam auf den Boden, wo sie schluchzend wie ein kleines Kind zusammenbrach. Sie fühlte sich ausgelaugt und erschöpft. Der Hass in ihr war jedoch nicht gestillt. Doch jetzt konnte sie ihn nicht zum Ausdruck bringen. Dafür war sie zu erschöpft. Ein Bach aus Tränen rann ihr über die Wange.

Die Freundinnen von Anna kümmerten sich besorgt um sie und nahmen sie in Arm. Doch nichts füllte ihre plötzliche Leere im Bauch aus.



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Er atmete tief durch. Leon in seinem Arm strahlte ihn an und kicherte glücklich vor sich ihn. Leandro erzwang sich ein Lächeln um das Kind nicht zu verunsichern. Vor ihm erstreckte sich ein riesiges Maisfeld. Loris hatte allen erklärt in welchem Teil des Feldes der Kindermörder verschwunden war.

Leandro zwang sich nicht noch einmal umzudrehen. Jetzt war es vorbei. Er hatte seine Cousin in den Tod geschickt und so würde er mit ihm sterben. Die dunklen Schatten jagten ihm Angst ein. Irgendwo da draussen hauste etwas, was sich von Blut und Kinderfleisch ernährte. Irgendetwas Grosses.

Ein letzter Atemzug und er küsste seinen Cousin auf die Stirne, flüsterte ihm eine Entschuldigung ins Ohr und rannte los. Die Blätter schlugen ihm ins Gesicht. Abgesehen von seinem eigenen lauten Atem und den Schritten über raschelnde und knackende Erde war nicht zu hören. Schnell fingen die Maisstuten Feuer und er beschleunigte seine Schritte. Sein Herz raste und er verlor die Orientierung. Hinter ihm loderten die Flammen und das Knacken des Feuers war gefährlich nahe.

Um ihn herum brannte es und er sah kaum wohin er rannte. Er achtete nur noch darauf auf keinen Fall zu stolpern. Da spürte er, wie er in etwas Matschiges trat und Knochen brachen. Ekelnd stellte er in Gedanken fest, dass er in die frische Leiche von Daniel gestanden war. Die Gedanken daran, dass etwas hier lauerte, was ihn ebenfalls fressen könnte, trieb ihn an.

Hinter ihm explodierte der erste Teil des Feldes und er hörte ein markerschütternder Schrei. Angstschweiss rann ihm über die Stirne und er beschleunigte sein Tempo. Ein schwarzer Schatten neben ihm verfolgte ihn. Er erkannte durch die Dunkelheit glühend rote Augen, die immer wieder anderswo auftauchten. Am liebsten wäre er stehen geblieben und hätte auf den Tod gewartet, als ihm davon zu laufen. Ein weiterer Teil explodierte.

Black BirdWo Geschichten leben. Entdecke jetzt