Wenn die Tore sich öffnenSofort wurde ihm klar, was er da machte. Er hatte die Frau eines Anderen geküsst. Er raubte gerade die Frau, die einem Anderen versprochen war. Und er fühlte sich keines Wegs schlecht dabei. Ganz im Gegenteil, er war glücklich, dass sie für ihn zurückgekommen war.
So liess er sich ohne eine weitere Widerrede aus der Schmiede ziehen und Anita raffte ihr Kleid. Sie war barfuss. Bevor er sie fragen konnte, wieso sie ohne Schuhe unterwegs war, zog sie ihn rennend durch das Dorf. Er folgte ihr und ihre Haare flatterten im aufgekommenen Wind. Das Dorf war menschenleer und Anita führte ihn zum Wächterhaus, wo sie ihn in den Garten schleppe und ihm den Geheimweg durch die Büsche zeigte. Dann standen sie ausserhalb der Stadtmauer und Anita atmete schwer.
„Wir müssen hier lang", sagte sie und rannte auch schon los.
Phillip folgte ihr und nach einigen Minuten hatten sie das erste Feld erreicht. So weit das Auge reichte folgten weitere Felder. Wildblumen in allen Farben wuchsen und ausser einer knorrigen alten Weide war nichts auf den Feldern höher als die Grashalme, die einem vereinzelnd bis zu den Knien reichte. Anita warf ihm einen kurzen Blick zu, bevor sie ihr Kleid höher zog und mit nackten Füssen auf die Weide querfeldein rannte. Phillip stoppte kurz, hetzte ihr dann doch nach.
Anita wurde langsamer und fing an Blumen zu pflügen. Es gab Blumen, die Phillip noch nie in seinem Leben gesehen hat. Grosse gelbe Blumen mit sechs runden Blütenblätter. Violette weilchenartige Blumen, die einen langen dünnen Stengel hatten und einem bis zum Knie reichte. Roter Mohn. Weisse feine Blumen mit zackigen, etwas ausgefransten Blüten. Sonnenblumen, die ihre Hälse in Richtung der Sonne streckten. Gänseblumchen. Butterblumen.
Das Gras war weich und fühlte sich wie eine Matte unter den Füssen an. Fahn wuchs und Bienchen summten. Die Felder waren hügelig und hatten in der Ferne wie Wellen ausgesehen. Ein Kiesweg führte zwischen ihnen hindurch. Die Sonne strahlte am blauen Himmel und eine dicke Hummel liess sich auf einer weissen Blume nieder.
Fasziniert von der Schönheit der Felder liefen Phillip und Anita neben einander auf die Weide zu. Ein Adler kreiste am Himmel. Als sie bei der alten Weide ankamen, kletterte Anita in ihrem weissen Kleid an dem knorrigen, verdrehten Stamm hoch und setzte sich in die unteren Äste. Die Weide knarrte unter ihrem Gewicht. Obwohl Phillip sich nicht sicher war, ob die Weide auch sein Gewicht aushalten würde, kletterte er zu Anita hoch. Die Weide knarrte schrecklich, doch sie hielt ihn.
Anita blickte in die Ferne und atmete tief ein.
„Die Luft hier ist viel frischer, als die in der Stadt", sagte sie und Phillip lächelte. „Es ist wunderschön."
Er nickte und sie drehte den Kopf zu ihm. Auf einmal war ihr Blick nicht mehr verträumt, sondern entschuldigend. Er runzelte die Stirne.
„Phillip", fing sie mit schwerer Stimme an, „ich muss dir etwas erzählen."
„Was ist?", fragte er und in seinem Kopf malte er sich schon die schlimmsten Situationen aus. Vielleicht würde sie ihm jetzt sagen, dass sie sich geirrt hatte und doch heiraten würde. Dass es ein Fehler gewesen war, zu ihm zu kommen.
Doch Anita hatte nicht vor irgendetwas in diese Richtung zu sagen. Sie holte tief Luft und seufzte. „Es geht um Helena."
Jetzt war er total verwirrt. „Um Helena?", fragte er erstaunt und Anita nickte.
„Es gibt etwas, was du über sie wissen solltest."
Ein Kloss bildete sich in seinem Hals. Was sollte er über Helena wissen? Eigentlich hatte er immer das Gefühl gehabt, alles über sie zu wissen, doch in letzter Zeit hatte sie sich von ihm abgewandt. Er hatte das Gefühl, dass es etwas mit diesem Offizier Claudios zu tun hatte, mit dem sie immer wieder sprach, wenn sie das Gefühl hatte, dass sie niemand sah. Doch er hatte sie schon zu oft gesehen, wie er den Arm um ihre Hüfte gelegt und sie mit diesem verliebten Blick angesehen hatte. Er hatte das Gefühl, dass Offizier Claudios ihn nicht leiden konnte und Helena sich deswegen immer mehr von ihm distanzierte.
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Black Bird
FantasíaEs war ein schwarzer Vogel, Der die Welt in Schwärze tauchte Und das Licht verschluckte. Nach der Opferung ihres Bruders fühlt Helena sich nur noch verloren in diesem kleinen Dorf, welches abgeschottet lebt und alles Fremde hasst. Doch das Misstra...