37 - Brutale Liebe

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Brutale Liebe

Am nächsten Morgen war ihr noch übler, als der ganze gestrige Tag. Sie sass still auf ihrem Bett und starrte zum See. Die ganze Nacht war sie wach gewesen. Die Erinnerung an die Berührungen hatten sie wach gehalten. Ihre Gedanken kreisten um Phillip. Seine Berührungen hatte sie sich an manchen Tagen gewünscht, aber nicht die Thomas.

Sie atmete tief durch. Warum hatte sie nichts getan? Ihr eigenes Verhalten in diesem Moment hatte ihr angst gemacht. Sie hatte es einfach zugelassen. Die Leere war von ihr gewichen und sie fühlte plötzlich alle Emotionen auf einmal. Sie begruben sie unter sich und sie musste schlucken. Sie wollte schreien, weinen und auf etwas einschlagen. Sie wollte die Berührungen von ihrer Haut waschen. Sie wollte aus dem Balkon stürzen, um diesen Gefühlen zu entkommen. Sie wollte aus dieser Stadt raus, irgendwohin, wo sie nichts mehr an dieses Ereignis erinnerte. Sie wollte davon rennen, soweit es ging.

Doch sie blieb still auf ihrem Bett sitzen und liess die Emotionen, ohne es sich anmerken zu lassen, über sich einbrechen. Sie fühlte sich gebrochen und sie hatte Bauchschmerzen. Sie wollte sich übergeben, um das Gefühl der aufsteigenden Galle loszuwerden, wenn sie an seine Hände dachte.

Sie konnte sich nicht einmal mehr im Spiegel betrachten. Sie schämte sich. Es war, als wäre sie auf einmal befleckt und könnte es nicht rückgängig machen. Sie erinnerte sich nicht einmal mehr, was er mit ihr getan hatte. Ihr Hirn hatte all diese Erinnerung versteckt. So weit weg, dass man sie nicht mehr finden konnte. Darüber war sie einerseits erleichtert, trotzdem war da eine Lücke, die nicht gefüllt war.

Phillip. Er hatte sie gerettet und sie hatte sich nicht einmal wirklich bedankt. Sie biss sich auf die Lippen. Er hatte sie in dieser Situation gesehen. Ihr Badkleid hatte nichts bedeckt. Sie wollte sich bei ihm bedanken, doch der Gedanke, dass er Thomas über ihrem nackten Körper gesehen hatte, hinderte sie daran.

Sie konnte ihm nicht mehr in die Augen sehen, da war sie sich sicher. Nicht nach dem, was passiert war. Sie konnte niemandem mehr in die Augen sehen. Bisher hatte sie sich gekonnt vor ihrem Vater versteckt. Am Morgen war es so gewesen, als wäre sie aus einem Traum erwachen und dann festgestellt, dass es kein Traum war.

Etwas Metalenes schmeckte sie in ihrem Mund und sie stellte fest, dass sie ihre Lippen aufgebissen hatte.

Ein Klopfen an ihrer Türe riss sie aus ihren Gedanken. Sie drehte den Kopf und eine Magd streckte den Kopf herein. Sie war jung und hatte ihr blondes Haar hinter einer Haube versteckt. Ob das Mädchen jemals so etwas erleben würde wie sie? Oder würde es Glück haben?

„Eure Hoheit", sagte es und verbeugte sich, „im Eingangsaal wartet ein junger Mann, der sie sprechen möchte. Er sagt, sein Name sei Phillip. Seid Ihr bereit, ihn zu empfangen oder sollte ich ihn fort schicken?"

Anita zuckte zusammen und ihr Herz raste. Sie wandte den Blick ab und starrte zum See. Sie sah noch ganz deutlich vor ihr, wie Phillip sich vor sie hinkniete. Sie spürte, wie er Thomas von ihr riss.

Sie atmete tief ein. Sie spürte Thomas' Berührung auf ihrer nackten Haut. Sie blinzelte. Er war hier. Phillip war hier. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Was sollte sie ihm sagen, wenn sie ihn empfangen würde? Sie war sich sicher, dass sie ihm nicht einmal in die Augen sehen konnte, doch sie war ihm das schuldig.

„Ich empfange ihn im Pavillon im Garten", sagte sie schliesslich und drehte sich wieder zur Magd um.

Diese nickte und verbeugte sich. „Sehr wohl, Hoheit. Ich werde ihn dorthin bitten."

Dann schloss sie die Türe und war verschwunden. Anita sass einige Minuten regungslos auf ihrem Bett und starrte auf die Bettdecke. Thomas. Sie hörte sein Lachen und spürte, wie seine Hände über ihren Körper fuhren. Wieder war sie überfordert. Alles in ihr schrie, weinte und wollte um sich schlagen.

Black BirdWo Geschichten leben. Entdecke jetzt