48 - Eine Hochzeit in weiss

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Eine Hochzeit in weiss


Ihr müsst ruhig atmen, Eure Hoheit, damit man Euch Eure Nervosität nicht ansieht", riet Karin ihr und Anita drehte nervös die weissen Rosen in ihrer Hand.

Ihr Herz raste und ihr war schlecht. Die ganze Stadt hatte sich auf dem riesigen Feld ausserhalb der Stadtmauern zusammengefunden. Die Wiese war gross genug und lag gerade am Waldrand. Man hat Bänke aufgestellt und vor dem aufgestellten Altar unter dem weissen Rosenbogen stand Jeremy in weissem Anzug. Er sah blass aus und sie sah ihm selbst aus dieser Ferne die Nervosität an.

Vor ihm stand ein Bischof in weissen Kleider und einem goldenen Hut. Er würde sie zu Mann und Frau erklären. Ein junges Mädchen mit blonden Locken sass auf einem weissen Stuhl neben dem Rosenbogen und zupfte an ihrer Harfe. Die glockenhellen Töne schwebten über die ganze Wiese. Die Bewohner murmelten und redeten wild durch einander und Anita versteifte sich.

Sie würde es durchziehen, sprach sie sich selbst zu und schluckte. Doch was, wenn Helena die Bestie wirklich hinein lassen würde? Dann wäre sie schon weit fort und würde den Tod vieler unschuldiger Bewohner nicht verhindern können. Vielleicht würde sogar ihr Vater sterben.

Langsam kehrte Ruhe auf der Wiese ein und Anita schluckte. Jetzt war ihr grosser Moment. Die Harfenklänge hörten sich in ihren Ohren drohend an und sie versuchte sie auszublenden. Die kleinen Mädchen in ihren weissen Kleidern sahen sie aufgeregt an. Ihre Körbe waren mit weissen Blütenblättern gefüllt. Karin nickte ihr zu und Anitas Beine zitterten, als sie hinter dem Rosenstrauch hervor trat. Die beiden Mädchen liefen mit strahlenden Gesichtern vor ihr und warfen die Rosenblätter. Der Weg zum Altar war mit weissen Rosenblättern geformt worden und Anita lief langsam hinter den beiden Mädchen her, während sie den Rosenstrauch in ihrer Hand beinahe zerdrückte. Sie vermied es einen Blick in die Zuschauer zu werfen, aus Angst, dass sie Phillip darin sehen könnte oder noch schlimmer, Helena. So starrte starr nach vorne und ihr blieb die Luft weg.

Das war der reinste Albtraum. Als sie vorne bei Jeremy ankam, verstummte die Harfe. Selbst Jeremys Sommersprossen waren blass und kaum zu erkennen. Er sah sie mit einem erzwungenen Lächeln an und sie schüttelte nur leicht den Kopf, um ihm klar zu machen, dass er sie nicht anzulügen brauchte. Sein Lächeln verblasste und der Bischof begrüsste alle. Sein Gebet hallte über die Wiese und Anita blendete alles aus, doch die tiefe Stimme drang trotzdem zu ihr durch.

„Wir haben uns heute in Gottes Namen hier versammelt, um ein Ehegelübnis zwischen zwei sich Liebenden abzulegen."

Es war so falsch. Sie getraute sich nicht einmal mehr Jeremy anzusehen. Sie wandte den Blick und bereute es sofort. In der fordersten Reihe sass ihre Schwester mit ihrem Mann. Sie hatte ihre Locken kunstvoll hochgesteckt und trotz den geröteten Wangen, konnte Anita deutlich erkennen, dass sie schrecklich blass war. Ihr Mann lebte weit im Norden, wo kaum ein Sonnenstrahl durch die Wolken drang, und selbst für ihre dunkle Hautfarbe war sie blass. Sie trug  ein blaues Kleid, das sie wie ein Wasserfall umgab und eine riesige goldene Krone thronte auf ihren Haaren. Sie war wunderschön, doch Anita konnte erkennen, dass sie Krone schwer war, trotz der Last sass ihre Schwester aufrecht auf dem Stuhl. Als sie ihren Blick bemerkte, lächelte sie ihr zu.

Das war nicht mehr ihre Schwester, stellte Anite erschrocken fest. Ihre Schwester wäre niemals so gelassen an ihre Zwangshochzeit gekommen. Auch die weichen Gesichtszüge aus ihrem Gesicht waren verschwunden, in ihren dunklen Augen liessen einem nicht mehr tief in ihre Seele blicken. Ihre Schwester hatte eine neutrale Maske auf, schoss es Anita durch den Kopf. Auf einmal fühlte sie sich noch schrecklicher, als zuvor. So wollte sie nicht enden? Sie wollte nicht wissen, was ihre Schwester so gebrochen hatte. Es musste etwas Schreckliches gewesen sein, denn selbst als ihre Mutter gestorben war, hatte sie ein beruhigendes Lächeln auf den Lippen gehabt und Anita die ganze Trauer genommen. Doch jetzt war nichts mehr von dieser Schwester übrig.

Black BirdWo Geschichten leben. Entdecke jetzt