⊱°⊰ .˖*⁰¹

1.1K 189 694
                                    

⊱ 14 Jahre später... ⊰

Ich blicke auf die ausgestreckte Hand des Wächters, dessen Miene wie versteinert wirkt. "M-Meine Ausrüstung? A-Aber... ohne meine W-Waffen überlebe ich k-keine 3 Tage da draußen..."

Meine Stimme ist zittrig, mein Hals trocken. Es ist fast 24h her, dass ich das letzte Mal einen Schluck Wasser bekommen habe. Niemand reagiert auf meine Einwände, egal wie verzweifelt ich jeden von ihnen ansehe. "Ich wiederhole mich nur ungern. Bitte händige uns deine Ausrüstung aus, Tommo." Der Blick unseres Dorfoberhaubtes ist eiskalt, kein bisschen Mitleid ist darin zu erkennen.

Eine Träne kullert mir über die Wange, als das Lederband meines Schildes zerschnitten wird, um es mir unsanft von der Schulter zu nehmen. Auch die selbst geschmiedete Axt wird mir widerwillig aus der Hand gerissen. Ich bin einfach mittlerweile zu schwach, um dem viel entgegen setzen zu können. Schluchzend höre ich meine Mutter neben mir, als sie versucht, an den Verstand unseres Anführers zu appellieren.

"Simon, bitte! Das kannst du doch nicht machen! Du kennst meinen Jungen doch, niemals würde er so etwas tun, er ist kein Krimineller." Sie ist vor ihm im Dreck auf die Knie gefallen und fleht ihn an. "Johannah, ich habe die Regeln nicht gemacht und du weißt, ich kann keine Ausnahmen machen, nur weil ich einen persönlichen Bezug zu einer Person habe. Die Beweise sprechen gegen ihn, ich habe keine Wahl." Man könnte meinen, es täte ihm Leid, was er tut, doch die Emotionslosigkeit seiner Stimme spricht dagegen.

Während er redet zieht die Wache vor mir grob an dem Pelz um meine Schulter, weshalb er mir zu den Füßen rutscht. "Sein Pelz? Ihr nehmt ihm auch seine Kleidung? Es ist April, er wird in der ersten Nacht erfrieren!" verzweifelt greift meine Mutter nach meinem Arm, ihre Atmung ist panisch. "Das kann nicht Eurer Ernst sein, wie soll er das überleben?!" - "Bitte, Johannah. Hör auf, du kennst die Gesetze." Simons Gesicht nimmt weichere, bittende Züge an, als er meine Mutter ansieht, doch dieser Ausdruck erreicht seine Augen nicht. Erneut geht sie auf ihn zu, greift nach seiner Hand und sieht ihm tief in die Augen. "Bitte, Simon. Ich weiß, du hast ein Herz. Bitte nimm mir nicht meinen einzigen Sohn, ich schaffe das nicht alleine. Ich habe schon 2 Kinder und meine Mann verloren, bitte nimm mir nicht die letzte Stütze, die ich noch habe."

Mit einem falschen Lächeln auf den Lippen sagt er sanft "Erneut: Ich habe keine Wahl. Ich kann keine Diebe in meiner Gemeinschaft dulden. Die Gesetze sind klar definiert, es tut mir leid." Sie bricht vor ihm zusammen und schluchzt "Er hat das nicht getan, niemals würde er jemandem etwas wegnehmen!" - "Mum, hör auf." sage ich leise. Sie dreht den Kopf zu mir, die Verzweiflung steht ihr ins Gesicht geschrieben.

"Es bringt doch nichts, niemand glaubt mir." So oft habe ich die letzten Tage beteuert, unsere Nachbarn nicht bestohlen zu haben, doch ich kann es bis heute nicht beweisen. Die Schläge, der Essens- und Wasserentzug, die Dunkelheit in der Zelle, nichts konnte mich dazu bringen 'Die Wahrheit' zu sagen, weshalb nun entschieden wurde, mich des Dorfes zu verweisen.

Dass ist allerdings all mein Hab und Gut abgeben muss, war mir nicht bewusst.

Nur noch mit einem Stückchen Stoff um die Lendengegend bekleidet, spüre ich plötzlich einen Stoß in den Rücken, der mich unsanft vor das große Tor, das unser Dorf vor Feinden schützt, befördert. Ich merke, wie mir die Tränen kommen, versuche allerdings, mich zusammenzureißen. Für meine Mutter. Sie ist aufgelöst genug, ich will ihr nicht zumuten, dass sie sehen muss, wie schwach ich bin.

Ich drehe mich noch einmal um und sehe, wie sie von 2 Wächtern festgehalten wird. Sie versucht sich loszureißen, zu mir zu kommen, mich zumindest noch einmal in den Arm nehmen zu dürfen - doch sie darf nicht.

Langsam, fast geräuschlos schließen sich die großen Pforten vor meinen Augen, immer weniger kann ich sehen von dem Ort, der bis vor ein paar Sekunden noch mein Zuhause war. Das Letzte was ich sehe, ist meine Mutter, die in sich zusammengesackt ist, tränenüberströmt, verzweifelt und mit letzter Kraft meinen Namen schreit. Dann verschließt sich der Zugang mit einem dumpfen, metallischen Klacken, das mich kurz zusammenzucken lässt.

selfish addiction ⊱°⊰.˖* || L.S. [mpreg]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt