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Immer wenn dir irgendetwas fehlt, als wärst du auf Entzug
Musst du bis zum Ende gehen, denn keiner traut's dir zu
Ich war genau wie du, doch kämpfte dann dagegen an
Den Weg, den ich seitdem gegangen bin hab ich mir nicht ausgesucht
Reingeboren, rausgetraut
Eingefroren, aufgetaut

Motrip - Selbstlos


Kapitel 9

Auch wenn Neil nach nur wenigen Minuten wieder eingeschlafen war, zog ich es vor noch eine ganze Weile hier sitzen zu bleiben. Die Vorstellung nach draußen zu gehen und mich Paddys und Isas Blicken stellen zu müssen, ließen mich innerlich zittern. Ich war mir ziemlich sicher, dass er unser komplettes Gespräch mit gehört hatte, auch wenn er es wahrscheinlich nicht zugeben würde. Oder würde er es zugeben? Ich hatte keine Ahnung, er war bis auf unser erstes Zusammentreffen immer freundlich und zugewandt gewesen, aber genauso war er wie eine weiße unbeschriebene Wand. Ich hatte wenig das Gefühl ihn einschätzen zu können und normalerweise war ich darin ziemlich gut. Über die Jahre und das Schicksal hinweg hatte ich mir eine ziemlich gute Menschenkenntnis angeeignet, aber irgendwie schien das bei Paddy nicht zu klappen. Ich blickte aus dem Fenster und sah wie sich eine kleine Traube an Menschen um den Tisch von Maureen und Alice versammelt hatten. Ich erkannte direkt Paddy bei ihnen sitzen, auf seinem Schoß Fia, die ganz gespannt den Erzählungen von Alice zu lauschen schien. Eine Mischung aus Freude und purer Angst steigt in mir auf bei diesem Bild. Meine kleine Fia, die sich bei Paddy plötzlich nicht schwer zu tun scheint auf jemanden zu zugehen, sich hochnehmen zu lassen, mit ihm zu reden und gleichzeitig hatte ich keine Ahnung mit wem sie da eigentlich sprach.

Vielleicht war jetzt ein guter Zeitpunkt um nach unten zu gehen, alle schienen ziemlich von Alice Geschichte eingenommen zu sein. Noch einmal blicke ich zu Neil, der friedlich schlummernd im Babybett bei Isa und Hendrik schlief. Ich nehme einen kleinen Umweg über die Küche, hole mir mein Weinglas, das noch immer dort steht und nehme einen großen Schluck, es kann zumindest nicht schaden, wenigstens ein Vorteil nicht mehr zu stillen.

Ich trete nach draußen in die mittlerweile kühle Nacht, irgendwo liegt meine Strickjacke, aber ich kann nicht sagen wo. Wenn ich jetzt in die Scheune gehe, um danach zu suchen, werden alle mitbekommen, dass ich wieder da bin, also ziehe ich es vor zu frieren, aber unerkannt zu bleiben. Ich setzte mich auf die Hollywoodschaukel, sodass ich einen guten Abstand zu den Anderen habe, ich bekomme Fetzen mit von Alice Erzählungen und erkenne direkt die Geschichte von Odin und dem Fenriswolf.

Als Kind hat Alice mir diese Geschichte oft erzählt. Ich kann sie mittlerweile auswendig. Ich blicke nach oben und sehe einen sternenklaren Himmel. Ende Oktober sieht man nur einen schwachen Randbereich der Milchstraße, ich bin mir nicht sicher ob ich sie sehe oder es mir einbilde. Was ich aber genau erkenne ist die Andromeda-Galaxie. Meine Augen wandern weiter über den Himmel. Ich erkenne das Sternbild Kassiopeia und Pegasus.

„Na auch auf der Suche nach dem Atem von Odin?", höre ich plötzlich eine Stimme neben mir, schrecke so stark zusammen, dass ich fast mein Glas Wein fallen lasse und blicke zu Paddy der neben mir steht und mich freudestrahlend an sieht. Erst jetzt sehe ich ihn richtig, seine Haare sind heute gemacht, kurz frage ich mich ob er für diesen „Ich-bin-so-aufgestanden-Look" wohl deutlich länger braucht, als man denkt. Ich tippe auf ja. Er trägt eine Jeans, darüber einen einfachen schwarzen Pullover und einen Schal, den er lässig um seinen Hals gebunden hat.

„Nein, nicht danach. Ich schau mir dir Andromeda Galaxie an.", sage ich, als hätte ich das natürlichste auf der Welt auf seine Frage geantwortet. Verdutzt blickt er zu mir, dann in den Himmel, so als würde er da eine Antwort finden und dann wieder zu mir.

„Andro what?", ich muss lachen über sein Gesicht in dem tausend Fragezeichen erscheinen. Ich deute auf den Platz neben mir, wo er sich hinsetzt, dann zeige ich nach oben

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