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Hör mir zu, wenn ich schweige!
Schau genauer hin
Hör mir zu, wenn ich dir zeige
Wer ich wirklich bin
Hör mir zu, wenn ich schweige
Ich hab' so viel zu erzählen
Und das Reden fällt oft leichter
Wenn mir die Worte
Wenn mir die Worte fehlen

Wincent Weiss - Wenn mir die Worte fehlen

Kapitel 11

„Abholservice", höre ich bereits von draußen Paddy's Stimme während er an die Haustür klopft. Mit Neil auf meinem Arm der nur zur Hälfte ins Tragetuch gewickelt ist, seiner Mütze, die ich zwischen meinen Zähnen halten und lediglich einem Stiefel an, hüpfe ich zur Tür und öffne sie geschwind.

Ich versuche 'Hallo' zu nuscheln was mir nicht gelingt, denn wenn ich sprechen würde, dann fällt Neils Mütze auf den Boden.

„Hallo miteinander, darf ich?", mit einem breiten Grinsen deutet er auf die Mütze und ohne meine Antwort abzuwarten, ergreift er dir Mütze, sodass ich ihn nun auch begrüßen kann. Peinlich berührt lasse ich ihn eintreten, den ganzen Morgen bin ich durch mein Haus gerannt und habe versucht alles so gut wie möglich aufzuräumen und zu putzen und gefühlt haben Fia, Neil und Enya hinter mir eine neue Spur der Verwüstung hergezogen. Hatte ich gerade alle Puppen aufgeräumt und in die Spielkiste im Wohnzimmer verstaut, hörte ich auch schon wie der Eimer mit den Holzklötzen ausgeschüttet wurde. Neil entdeckt im Moment dass er Sachen werfen kann und dass es Geräusche macht Dinge aneinander zu schlagen.

„Sorry, wir sind noch nicht ganz fertig.", murmele ich etwas unbeholfen und versuche Neil nun endlich in das Tragetuch zu bekommen. Das Mittagessen war eine reinste Katastrophe, Enya wollte mal wieder nichts, lediglich ihren Salat hat sie dann ohne Dressing in tausend Stücke zerkleinert und gegessen. Neil fand es unfassbar interessant, dass wenn er gegen den Löffel pustet sobald er vor seinem Mund ist, der Brei in hohem Bogen über den Tisch fliegt. Fia fand das lustig und hat ihn dadurch eher noch animiert. Fia und Neil haben ewig gebraucht bis sie beide nach dem Essen wenigstens noch für eine halbe Stunde geschlafen haben.

„Alles gut, wir haben doch alle Zeit der Welt, der Strand läuft uns nicht weg. Kann ich dir irgendwas helfen?", etwas unbeholfen steht Paddy neben mir, während Bragi ganz brav neben der Tür sitzen geblieben ist. Ich schaue zu ihm, Hilfe annehmen oder nicht? In mir streiten Engelchen und Teufelchen miteinander.

„Chara es ist nur ein Hilfsangebot, kein Abo dass du damit abschließt", höre ich ihn sprechen, während es in meinem Kopf laut hämmert. Seine Stimme klingt sanft und aufrichtig. Ich könnte explodieren, dass es mir so schwer fällt einfach mal ja zu sagen.

„Fia kommst du dann? Paddy ist da, er hilft dir beim Jacke und Schuhe anziehen.", rufe ich in Richtung ihres Zimmers, Hilfe annehmen ja, es direkt aussprechen nein. Mit dem Kompromiss kann ich gerade so leben. Es dauert keine Sekunde schon kommt sie angerannt und springt einmal an ihm hoch, was ihn kurz stolpern lässt, ich schon wieder panisch werde und eingreifen will. Doch es dauert keine Sekunde schon hat er wieder einen gleichmäßigen Stand, hebt Fia nach oben und begrüßt sie mit einer kurzen Umarmung. Auch Enya kommt jetzt zu uns, sie ist bereits fertig angezogen und ich bin froh, dass sie sich tatsächlich für eine Winterjacke entschieden hat. Freudig geht sie zu Bragi, der sie schwanzwedelnd begrüßt.

Fia erklärt Paddy ganz genau welche Jacke und Schuhe sie anziehen möchte, mit einem kurzen versichernden Blick seinerseits zu mir ob ihre Auswahl in Ordnung ist, nicke ich und ziehe dann selbst meine dunkelgrüne Winterjacke und das farblich passende Stirnband dazu an.

„Gut, alle startklar?", fragt er in unsere Richtung, wir alle nicken und machen uns auf den Weg zum Strand. Das Wetter ist so wie es im Herbst hier nun einmal ist. Ein leichter Wind, nur hin und wieder blitzt die Sonne zwischen den Wolken hindurch, spendet dann aber noch immer eine angenehme und wohlige Wärme. Ich genieße es die frische Seeluft einzuatmen und einfach einmal nur zu laufen und zu atmen. Enya und Fia sind mit Bragi ein paar Meter vor uns und jagen sich immer wieder. Neil schlummert friedlich vor sich hin, fest gebunden an mich und ich habe das Gefühl seinen kleinen Herzschlag ganz nah an meinem zu spüren. Paddy und ich laufen schweigend nebeneinander her, beide die Hände in den Jackentaschen vergraben. Der Wind am Strand wo es keine Häuser gibt die als Schutz dienen ist nun deutlich stärker, doch ich liebe es. Ich war schon immer ein Nordkind. Mit meinen Eltern war ich vielleicht einmal im Süden im Urlaub. Sonst immer Richtung Norden. Norwegen, Schweden, Island. Da fühle ich mich wohl. Ich konnte dem warmen Klima im Süden nie etwas abgewinnen, habe es nie verstanden wie man stundenlang am Strand liegen konnte in der prallen Sonne, nur um abends feuerrot zu sein. Der perfekte Urlaub bestand für mich aus festem Schuhwerk, einem dicken Wollpullover, einem Stirnband und der weiten Natur, in der ich als Kind gerannt bin und auf alle Felsen geklettert bin die es nur irgendwie hergegeben haben.

Chaostheorie - Nichts kann entstehen ohne ChaosWo Geschichten leben. Entdecke jetzt