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Baby, I don't mind
As long as it's you and I
Baby no, I don't mind
And if we wanna dance tonight, then
People gonna talk 
Let 'em talk, let 'em talk, let 'em talk about it
People gonna watch 
Let 'em touch, let 'em see, let 'em feel what love is 
Let 'em feel what love is
 

Chateau - Tokio Hotel 

Kapitel 19

Enya ist heute zum zweiten Mal bei mir im Atelier. Sie hatte kurz nach der Schule hier gestanden, fein säuberlich in ihrer Schuluniform und war daraufhin direkt ins Bad verschwunden, mit der Bitte sich umziehen zu wollen. Jetzt sitzt sie hier, wie am Montag, in ihrem viel zu weiten Pullover in dem sie zu verschwinden scheint.

Am Montag hatte sie den Blick auf das Meer vom Fenster zeichnen wollen. Keine Farben, aber zumindest auf ein großes Plakat mit Kohlestiften. Es ist faszinierend ihr beim Zeichnen zuzusehen. Sie taucht komplett in ihrer eigenen Welt ab, nach knapp anderthalb Stunden hatte ich sie aus ihrer Traumwelt wecken müssen, sonst wären wir zu spät bei Chara gewesen. Enya und ich hatten nicht viel miteinander gesprochen, ich hatte nicht das Gefühl gehabt, dass sie ein großes Bedürfnis danach gehabt hatte, also hab ich es nach ein paar Fragen die sie kurz und knapp beantworte, sein gelassen.

Schon minutenlang sitzt sie heute vor ihrem Bild vom Montag, hatte immer mal wieder angesetzt, um dann die Hand mit dem Stift wieder sinken zu lassen.

„Will heute nicht so richtig, mh?", frage ich, nachdem ich mir das Spiel von Stift anheben und wieder senken nun einige Male angesehen habe und ihr Blick immer verzweifelter wirkt. Ich sehe nur ihre Seitenpartie, die knochigen Gesichtskontur, die kantigen Schulterknochen die aus dem Pullover hervorstechen und wie sie mit den Schultern zuckt.

„Ja irgendwie nicht richtig. Ich will das Bild wegschmeißen." erklingt ihre leise und deprimierte Stimme. Ich lege den Block auf den ich eben ein paar Zeilen die in meinem Kopf umherschwirrten geschrieben habe, beiseite, stehe mühsam aus dem großen Sessel auf und gehe zu ihr.

„Und warum genau willst du es wegschmeißen?", frage ich sie, schnappe mir einen Hocker und setzte mich zu ihr.

„Ich finde es schrecklich. Es ist hässlich.", platzt es aus ihr heraus. Ich erkenne wie ihre Hände sich zu Fäusten ballen und sie ihre Lippen aufeinander presst, sodass sie schneeweiß werden.

„Manchmal will es eben nicht. Kreativ kann man nicht auf Knopfdruck sein. Dann leg das Bild zur Seite und schau ob du es irgendwann nochmal rausholen magst.", schlage ich ihr vor und bekomme ein zaghaftes Nicken. Ich gehe zu dem Regal in dem all meine Zeichenblöcke in unterschiedlichsten Größen und Papiergeschaffenheiten wie Blüten- oder Aquarellpapier liegen, krame etwas darin herum und entdecke trotz dem Chaos recht schnell wonach ich gesucht habe. Ich ziehe eine große graue Sammelmappe heraus, schaue kurz nach ob sie wie in meiner Vorstellung noch leer ist  und reiche sie Enya, die mich daraufhin verdutzt ansieht.

„Für deine Zeichnungen. Darin kannst du alles aufbewahren. Entweder du nimmst sie mit oder lässt sie hier liegen. Dann sind sie geschützt.", erkläre ich ihr und öffne den Reißverschluss, sodass ich sie leicht aufklappe, Enya ihre Zeichnung nun vorsichtig hinein legt und sich danach wieder schnell auf den Stuhl setzt.

„Magst du etwas anderes ausprobieren oder magst du heim?", frage ich sie etwas unsicher. Gerade weiß ich nicht so ganz was ich tun soll. Enya sieht heute verzweifelter aus, als sonst eh schon.

„Nein, nichts von beiden.", ich weiß nicht was ich darauf sagen soll, also schließe ich mich ihrem Schweigen an und folge Enyas Blick. Sie scheint sich gerade noch einmal ganz genau umzuschauen, doch diesmal nicht die ganzen Materialien die hier rumliegen, sondern sie sieht sich meine Bilder, meine Zeichnungen an. Bei manchen sieht sie schnell weiter, an manchen scheinen ihre Augen hängen zu bleiben.

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