1932
Ich hasse mein Leben. Das war mein erster Gedanke, als ich gegen über von Alfie saß.
Neben mir auf dem Sofa hatte sein Cousin sich es bequem gemacht. Mein Pflegevater war Geschäftlich meistens auf weitem Abstand zu Alfie geblieben, nun blieb ihm nicht viel übrig als auf seine Unterstützung zu hoffen.
Ich starrte verdrossen in Alfie Solomons braune Augen. „Tia, wie Mose ein Findelkind bist du also?"
Ich hatte schon viele Geschichten gehört, diese waren alle voller Bewunderung und Angst vor diesem Mann gewesen.
„Hat man dir nicht beigebracht zu reden?" Fragte er ruhig, als ich immer noch nicht geantwortet hatte.
Mein Pflegevater stieß mich leicht mit dem Fuß an, um mir klar zu machen, dass dies absolut kein guter Zeitpunkt war um trotzig zu sein. „Ja, so könnte man es auch ausdrücken."
„Familie und doch keine...Hm. Also was machen wir mit dir?" Der Mann neben mir räusperte sich.
"Kannst du ihr nicht jemanden suchen."
„Wen? Einen Freier, ein neuer Pflegevater oder einen Ehemann?" Abraham verzog keine Miene.
„Ersteres wäre eine Schande, für zweiteres ist sie zu alt und für letzteres ist sie keine Jüdin.": Antwortete Alfie sich selbst.Wütend verschränkte ich die Arme vor der Brust. Es war absolut unangenehm so vorgeführt zu werden.
„Kann ich nicht einfach irgendwo arbeiten."
„Also doch einen Freier?"
Entsetzt Blickte ich ihn an. „Nein." „Nein?! Na gut, dann bleibst du vorerst hier."Verwirrt ziehe ich meine Augenbrauen zusammen. „Hier. Hier wie in dieser Wohnung, London oder den Friedhof um die Ecke?" „Dorothea!" zischte mein Pflegevater warnend.
Ich vergrub nun meine Hände in den weichen Stoff meines blauen Kleides, das an den Ärmeln aus feiner Spitze bestand. Ich wusste, dass er es nur tat um mir zu helfen.
Meine Pflegefamile hatte fast alles verloren, dass übrige Geld brauchten sie selbst. Die Hochzeit von Jakob war schon abgesagt worden und die Wohnung wurde gerade verpfändet. Es gab keinen Platz, dass verstand ich.
„Ich werde dir helfen. Du bekommst das Geld und sie bleibt hier auf diesem verfickten roten Sofa, bis ich weiß was ich mit ihr mache." „Einverstanden."
Nein nicht einverstanden wollte Alfie mich zu seiner Hure machen, oder was sollte das werden.
„Wie geht es Judith?" „Gut und meinen beiden Kindern auch. Anna hat einen kleinen Jungen vor kurzen bekommen." Solomon strich sich kurz durch den Bart. „Das wievielte war es doch gleich?"„Sie hat vier." Warf ich ein, bevor Abraham antworten konnte. Mein Pflegevater warf mir einen kurzen Seitenblick zu, dann holte er seine goldene Taschenuhr aus seinem dunkelblauen Jackett.
Ich hörte das Klicken des Mechanismus, als der Deckel aufklappte. Es war ein klares Anzeichen dafür das er in ein paar Minuten gehen würde.
Ich ließ meinen Blick wieder zu Alfie schweifen, der neben dem Sessel auf einem Beistelltisch eine Waffe liegen hatte. Eigentlich war der Raum sehr gemütlich, die opulenten Verzierungen an den Gegenständen gepaart mit den braunen und beigen Tönen harmonierten Gut.
Lange hielt ich seinen durchdringenden Augen nicht stand und schaute kurz auf den Boden, wo ein blauer Perserteppich lag auf dem das Licht durch die große Balkontür schien.
„Ich werde gehen. Mein Termin mit der Bank findet gleich statt." Gab Abraham mein Pflegevater von sich. „Gut. Vergiss nur eins nicht. Ich will mein verficktes Geld wiederhaben plus Zinsen."
Damit erhob sich Alfie und verschwand hinter uns durch einen großen Bogen. Er erinnerte mich leicht an den Barock oder Rokokostil mit seinen verschnörkelten Ornamenten.
Memento mori war doch ein gutes Motto für meine jetzige Lage, denn der Kerl schien Unberechenbar zu sein.
Meine Aufmerksamkeit erlangte Abraham, als er sich neben mir bewegte und aufstand. Ich sah zu wie er seinen Anzugknopf schloss und vor mich trat.
Dann spürte ich einen federleichten Kuss den er auf meinen Scheitel drückte.„Er wird schon auf dich aufpassen. Keine Sorge du gehörst zur Familie." Ich schnaubte. Ja irgendwie gehörte ich dazu, doch floss nicht das gleiche Blut durch meine Ardern.
„Stimmt es, dass er eine Ziege geschlachtet hat, um seine Opfer mit dessen Blut zutränken. Irgendeine perverse Abwandlung des Passafestes?"
Das kantige Gesicht von Abraham war ausdruckslos geblieben.
„Das sind seine Geschäfte nicht meine. Wenn du es wissen willst frag ihn selbst."Ich starrte ihn nur an, denn das was er Vorgeschlagen hatte würde ich bestimmt nicht machen. Sei dir bewusst das du sterben wirst. Das Motto passte besser als ich dachte.
Er streichelte mir noch einmal über den Kopf und verließ dann das Zimmer. Irgendwie hatte das etwas Endgültiges. Mir wurde um so schmerzlicher bewusst, dass ich wieder auf mich alleingestellt war.
Ich griff nach der Kette mit dem goldenen Anhänger, die um einen Hals lag. Sie war das Einzige was ich noch von meiner Mutter besaß.
Naja, wenn man von der verdammten Erinnerung ihrer toten blauen Augen absah. Die gleichen Augen starrten mir jeden Tag aus dem Spiegelbild entgegen, wie ein Mahnmal. Sie war vormeinen Augen gestorben langsam und qualvoll. Verhungern würde nie einer meiner Lieblings Tode werden, wenn ich ihn mir aussuchen könnte.
Erst als die Träne auf meinen Handrücken tropfte merkte ich, dass ich weinte. Schnell wische ich mir mit dem Handrücken über die Wangen. Tränen brachten mich nicht weiter.
„Führ ein Weichei hatte ich dich nicht gehalten. Vielleicht für eine verzogene Göre, aber eine Heulsuse steht dir nicht."
Erschrocken schaute ich zu ihm auf. Alfie drückte mir ein Glas in die Hand, dessen Inhalt nach Alkohol roch.
„Weißt du Kleine ich war mal Bäcker. Ich habe braunes und weißes Brot gebacken. Aber nur das Weiße Brot ist das gute Zeug." Verwirrt von seiner Aussage, fragte ich.
„Du meinst Alkohol oder?" Er setzte sich derweil wieder in den mit rotem Samt bezogenen Sessel.
„Nein, Brot...Verdammte Scheiße natürlich meine ich das." Ich nickte.
„Weis du Rum ist zum Spaß und gut fürs Ficken, aber Whisky ist fürs Geschäft." Eine Pause entstand zwischen uns Beiden.
„In deinem Glas ist Whisky Schätzchen."
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Die Zigeunerbraut (Peaky Blinder Fanfiktion)
FanfictionDie 23 Dorothea Solomon hat schon viel in ihrer kurzen Lebenszeit durch gemacht. Sie denkt, dass endlich alles in geordneten Bahnen läuft. Doch der Börsenkrach am 25. Oktober 1929 änderte ihr Leben völlig. Ein Ereignis jagt das Nächste, bis sie in d...