Kapitel8. Der Ausflug

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Das Essen war hervorragend. Nur leider konnte ich es nicht genießen. Immer wieder schwebte das darauffolgende Gespräch, wie ein Damoklesschwert über meinem Kopf.

Als der Nachtisch, bestehend aus einer Schokoladencreme mit garnierten Früchten, aufgetragen wurde, fragte ich. „Wie alt sind eigentlich deine Kinder?"
Er schwieg kurz, dann antwortete er.
„Ruby ist jetzt 7 und Charles 10."
Sie waren jung, trotzdem würden sie sich an ihre Mütter noch erinnern können.
„Hast du ihnen gesagt, dass du wieder heiraten willst?"
Ich nahm einen Löffel von der Nachspeise und ließ sie mir auf der Zunge zergehen.
„Ja habe ich."
Ich blickte auf, um ihm ins Gesicht zu schauen.
„Und wie haben sie es aufgenommen?" Er trank von seinem 2 Glas Whisky, bevor er mir seinen Nachtisch hinschob.
„Sie werden es akzeptieren."
Er hatte sie also nicht gefragt, sondern sie vor Tatsachen gestellt.
„Du bist es nicht gewohnt um Erlaubnis zu bitten. Habe ich recht?"
Er lächelte leicht, dabei machte mein  Herz einen kleinen Sprung.
„Sagen wir einfach es ist nicht meine Stärke."
Ich seufzte. Das Leben an seiner Seite würde nicht einfach werden.
Ich schwieg und aß meine zwei Süßspeisen auf.

Ich liebte Süßes. Im Krieg gab es nicht viel. Gerade die Hungerwinter in den Jahren 1916 und 1917 waren schrecklich gewesen. Die Fäulnis hatte die Kartoffelernte zerstört, deshalb gab es nur noch Steckrüben zu essen. Es war furchtbar kalt gewesen, da man sich keine Kohle mehr leisten konnte. Man verfeuerte alles was man hatte von alten Büchern bis hin zur eigenen Tapete. Ich schloss kurz die Augen.

Wie konnte es sein, dass ich so oft in letzter Zeit an diese Geschehen dachte. Judith hatte mich vor einen Quacksalber gesetzt, damit er prüfen konnte wie geschädigt ich war. Nach der zweiten Sitzung bin ich aus der Praxistüre gerannt. Mit meinen damals 13 Jahren lief ich schneller als mancher 15-jähriger Junge. Ich hatte erst aufgehört zu rennen bis ich an unserem damaligen Hause angekommen war. Anna nahm mich in die Arme, nach dem meine Pflegefamilie mich auf der Türschwelle gefunden hatten. Nur ihr, meiner Schwester, erzählte ich manchmal von den Dingen, die mir Geschehen waren.

„Bist du fertig?" Ich nickte, als die Worte zu mir durchdrangen. Er stand auf und half mir den Mantel anzuziehen.
„Musst du nicht noch bezahlen?", fragte ich verwirrt.
„Lass das meine Sorge sein?" Verunsichert blickte ich mich um, doch keiner hielt uns auf. Irgendwie hatte ich aber trotzdem das Gefühl beobachtet zu werden. Der Eindruck verschwand erst, nach dem wir losgefahren waren.

„Wo genau bringst du mich hin?" Erkundigte ich mich, als es den Anschein machte wir würden London verlassen.
„Wir machen einen kleinen Ausflug." Ich bekam Angst, dass konnte nichts Gutes bedeuten.

Ich fühlte mich, wie in einen der Schwarzweiß Filme. Das weibliche Opfer endet erschossen in einem nahegelegenen Waldgebiet um London. Später finden Bauern den Leichnam. Ein spannender Krimi fing doch immer so ähnlich an. Nur war das hier mein Leben und keine Polizei würde meinen Tod aufklären. Geschweige denn das Jemand in den nächsten Tagen mich vermissen würde.

„Ich halt das für keine gute Idee. Fahr bitte zurück."
Er überhörte einfachmeine Bitte und fuhr weiter.
„Tommy, du machst mir Angst!": versuchte ich es noch einmal. Ich schaute aus dem Fenster, um eine Flucht einschätzen zu können. Die Felder flogen nur so an uns vorbei, so dass ein Entkommen unmöglich schien. Plötzlich hielten wir am Waldesrand an. Die Sonne ging hinter uns unter und tauchte die Umgebung in rotes Licht.

„Fahr zurück. Fahr verdammt noch mal zurück!"
Rief ich, dabei gestikulierte ich in Richtung des Weges. Ihn ließ mein Ausbruch kalt. Seine durchdringenden Augen blickten mich nur an.
„Du wirst mir zu hören und dann ohne Murren mit den Leuten mitgehen, die gleich kommen werden."
Der konnte mich mal. Was bildete sich dieser Arsch ein.
„Das kannst du vergessen."
Ich wollte schon nach dem Griff der Autotür greifen, da hatte er mich schon zu sich umgedreht. Seine Finger gruben sich in meine helle Haut.
„Wo willst du hin? Zurück kannst du nicht. In London wird man dich versuchen umzubringen. Oder willst du lieber in den dunklen Wald rennen?!" Er ließ meinen Arm los, um weiterzusprechen.
„Aber lass dich nicht aufhalten. Geh!"

Ich hasste hin, denn er hatte recht. Es war schlauer ihn anzuhören, damit ich eine bessere Lösung fand. Und was meinte er mit umbringen. Wer wollte mich schon Tod sehen, außer vielleicht er? Ich brauchte Antworten. Also atmete ich durch und blieb sitzen.
„Du bist ja immer noch hier?!"
Ich schnaubte empört, dann wand ich den Blick nach vorne.
„Es gibt Personen, die im Moment ein Bündnis zwischen mir und deinem Onkel verhindern wollen. Mehr musst du nicht wissen..."
Ich wand mich wieder zu ihm. Wie überzeugt von sich selbst konnte man sein?!
„Du glaubst das wird reichen, damit ich in einen Wagen voll mit fremden Männern steige? Für wenn hälts du mich?!": knurrte ich.

Doch statt mir zu antworten beugte er sich über mich, um aus dem Handschuhfach eine Mappe heraus zu holen. Ich spürte wie die Akte auf meinen Schoß fiel, bevor er antwortete. „Ich weiß eine menge über dich. Auch dass du schon schlimmer Dinge erlebt hast, als in einen Wagen zu steigen. Die Lies werden dich nicht anfassen, dafür habe ich gesorgt. Deine Anfälle würden ihnen, so oder so eine Heiden Angst einjagen."
Er wusste davon? Welche verdammten Informationen hatte er noch über mich?

Die Zigeunerbraut (Peaky Blinder Fanfiktion)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt