Kapitel 1

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,,Delia! Du faules Stück! Mach dich endlich auf den Weg zum Hof. Der König wartet nicht gern. Den Boden kannst du danach noch schrubben.", schnauzte mich meine Leiterin an. ,,Ja wohl.", sagte ich leise und brachte schnell die Putzsachen weg, da ich nur noch mehr Ärger bekommen würde, wenn ich es im Weg stehen ließe.

Beverly Watson war eine alte griesgrämige Frau, welche das Waisenhaus leitete, in dem ich lebte. Ich war froh ein Dach über dem Kopf zu haben, doch das war schon alles, was ich bekam. Essen bekamen wir nur in sehr überschaubaren Mengen und schlafen durften wir alle zusammengepfercht auf Strohbetten in zwei zu kleinen Sälen. Auch Wasser zum Waschen war eine Rarität, da ich aber am Hof arbeitete und vor den König treten musste, bekam ich öfter die Gelegenheit, mich zu säubern. Als wäre das noch nicht genug, mussten wir auch die ganze Drecksarbeit machen. Selbst die Jüngsten unter uns, welche noch nicht mal richtig laufen konnten, mussten tatkräftig mithelfen. Heimlich half ich ihnen nach meinem Dienst bei ihren Aufgaben, da die meisten so erschöpft waren, dass sie nicht einmal mehr alleine gehen konnten.

Wenn wir unsere Pflichten nicht nach Miss Watsons erledigten, wurde man bestraft. Oft hieß das Schläge oder Essensverbot, doch es war auch schon ein paar Mal vorgekommen, dass sie welche in ihren Keller gesperrt hatte. Nachdem die Kinder wieder hinausgelassen worden waren, waren sie nicht mehr dieselben gewesen, aber keiner erzählte, was ihnen dort unten geschehen war. Jeder von uns verabscheute diesen Ort, doch keiner konnte gehen, da wir nichts hatten und wahrscheinlich dort draußen jämmerlich alleine zugrunde gehen würden, sollten wir von hier flüchten.

Der einzige Weg hier ein besseres Leben als die anderen Kinder zu führen war, sich bei Frau Watson einzuschleimen. Die Kinder, die das schafften mussten weder schwere Arbeit verrichten noch bekamen sie Strafen. Ab und zu bekamen sie sogar etwas Geld, um sich schöne Sachen vom Markt zu kaufen. Bethany war Beverlys absoluter Liebling, weshalb sie sich aufführte, als wäre sie etwas Besseres als wir. Das ließ sie uns ab und zu auch spüren, wenn sie uns rum kommandierte oder beleidigte. Ich hasste sie abgrundtief und widersetzte mich ihr, egal was sie zu mir sagte oder wollte. Sollte sie nur versuchen, mich so zu behandeln. Doch weit würde sie bei mir nicht kommen.
Eilig holte ich meinen löchrigen Mantel und warf ihn mir um, bevor ich mich nach draußen traute. Hinaus in die Welt von Adahlan.

Adahlan bestand aus drei Reichen. Vhen'alas, Bellanaris und Anima. Bellnarais und Vhen'alas waren Nachbarn, doch die Bündnisse zwischen den beiden Reichen gingen immer wieder in die Brüche. Zu unser aller Glück war es noch nicht zum Krieg gekommen, doch seit längerer Zeit war das Band des Friedens kurz davor zu zerreißen. Deswegen erhoffen sich alle Bürger Bellanaris ein Wunder, welche die Spannung zwischen den Ländern linderte oder gar verschwinden ließ. Anima hingegen war unbekanntes Gebiet. Keiner wusste, wer dort lebte oder wer das Land regierte. Niemand wusste etwas Bestimmtes über dieses Land. Es war nur bekannt, dass alle die sich aufgemacht hatten, mehr über das Reich zu erfahren, nie wieder gekommen waren.

Mit schnellen Schritten lief ich die Gassen entlang zum Schloss, wo schon Arik auf mich wartete. Arik war mein bester Freund und wir waren zusammen im Waisenhaus aufgewachsen. Er war zwei Jahr älter und war vier Jahre nach mir ins Waisenhaus gekommen. Da ich schon seit meinem ersten Lebensjahr dort fest saß und niemand mit mir befreundet sein wollte, da Beverly mich nicht ausstehen konnte, war ich sehr überraschte gewesen, als er sich mir vorgestellt hatte und nett mir gegenüber war. Normalerweise hatten sich alle von mir ferngehalten und mich gemieden, um nicht in Schwierigkeiten zu kommen. Es hatte nicht lange gedauert bis aus dem braunhaarigen Jungen mit braunen Augen und mir Freund wurden. Seit damals waren nun schon zwölf Jahre vergangen und Arik und ich waren durch Dick und Dünn gegangen.

Lächelnd ging ich auf den hochgewachsen Mann zu, welche mich grinsend empfing. ,,Schon wieder Stress gehabt?", fragte Arik frech und wuschelte mir durch meine säuberliche gekämmten Haare. ,,Spinnst du? Ich muss gleich zum König!", quiekte ich erschrocken und versuchte vergeblich meine Haare mit den Fingern durchzukämmen. ,,Mach dir keine Sorgen. Du bist nur die Dienstmagd und nicht seine Mätresse. Außerdem schaust du sogar mit zerzausten Haaren immer noch wunderschön aus.", sagte er versöhnend und schob mich geradewegs durch das Tor vorbei an den Wachen, welche uns amüsiert musterten. Beschämt strich ich mir die Haare hinters Ohr. ,,Arik...der König muss aber nicht dasselbe denken wie du.", sagte ich streng und versuchte noch ein letztes Mal meine wellige blonde Pracht zu bändigen. ,,Da hast du allerdings recht, aber ich bezweifle, dass dich auch nur ein männliches Wesen nicht anziehend findet.", sagte er schelmisch und wackelte anzüglich mit den Augenbrauen. Gespielt empört stieß ich ihm meinen Ellbogen in die Seite. ,,Hey! Ich sage nur die Wahrheit.", verteidigte er sich lachend. ,,Jaja, komm schon. Wir müssen uns beeilen. Der Koch wird dich sonst einen Kopf kürzer machen, wenn du heute schon wieder zu spät kommst.", sagte ich kichernd und zog ihn am Arm Richtung Küche.

Arik half genauso wie ich im Schloss aus. Bloß hatte er sich zum Dienst in der Küche gemeldet, während ich dem König bei jeglichen Sachen half. Aber als erstes musste ich heute das Frühstück der königlichen Familie servieren. König Wilhelm, Königin Elayne und Prinzessin Alessia.

In der Küche angekommen legte ich meinen Mantel ab und nahm das erste Tablett voller Essen entgegen. Als ich durch die prunkvoll geschmückten Gänge des Schlosses ging, überprüfte ich meinen Aufzug noch einmal genau in einem der vielen Spiegel, welche hier überall im Schloss verteilt waren. Danach beeilte ich mich bis zum Speisesaal. Zwei Diener begrüßten mich und öffneten mir die Tür. Vor mir erschien ein hellbeleuchtetes Zimmer mit langem Tisch, auf welchem viel Dekoration und Blumen verteilt standen. Ein riesiger Balkon mit großen Glastüren davor gab einen atemberaubenden Anblick über die Landschaft Preis. Überall im Zimmer waren Gemälde oder Malereien von berühmten Künstlern verteilt. Am hintersten Ende des Tisches saßen wie jeden Morgen der König und seine Familie.

,,Guten Morgen, Majestäten.", begrüßte ich seine Hoheiten und ließ mich in einen Knicks sinken, bevor ich das Tablett auf den Tisch stellte. Nachdem ich alles säuberlich auf dem Tisch verteilt hatte, blieb ich in einiger Entfernung stehen, um dem König sofort zu Diensten sein zu können, wenn er etwas brauchte oder wollte. ,,Delia, teile der Küche mit, dass heute Abend besonderer Besuch erwartet wird und sie ein Festmahl vorbereiten sollen. Meine Gemahlin wird genauere Angaben zu den Gerichten noch geben. Danach komm wieder her, denn ich habe eine Aufgabe für dich.", befahl mir der König, während er sein Essen verspeiste. ,,Ja wohl, eure Majestät.", sagte ich nickend und machte mich auf den Weg zur Küche. Das würde ein sehr stressiger Tag für mich und Arik werden. Wenn heute Abend Besuch kam, würden wir sehr lange hier im Schloss beschäftigt sein und müssten dann auch noch die Aufgaben im Heim erledigen. Seufzend eilte ich in die Küche, um die Nachricht zu überbringen.

Fluch der Engel - GebanntWo Geschichten leben. Entdecke jetzt