Kapitel 9

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Angst pumpte durch meinen Körper und meine Muskeln waren zum Zerreißen gespannt. Aufmerksam musterte ich meine Umgebung und horchte bei jedem Geräusch auf. Kurze Zeit später erklang ein erneuter Laut, doch dieses Mal war er vermischt mit dem Getrampel von Hufen. Geschockt riss ich die Augen auf und wollte mich verstecken. Ich nahm meine Beine in die Hand und lief in Richtung Bäume, wo ich hoffte ein geeignetes Versteck zu finden. Doch ich kam nie so weit. ,,Stopp! Haltet sofort an!", befahl eine männliche Stimme hinter mir. Auch das Wiehern eines Pferdes war zu hören. Wie gelähmt blieb ich auf der Stell stehen und versuchte, meinen Bogen zu verbergen. Ich hörte, wie der Reiter langsam auf mich zu ritt und mich umrundete. Der warme Atem seines Tieres strich meinen Nacken und ein kalter Schauer durchfuhr mich. Kurz darauf sah ich, wie zwei weiße Beine des Pferdes in mein Sichtfeld kamen. Der Mann ritt also auf einem Schimmel. Ein sehr teures Tier, wie ich wusste. Schnaufend kam das Tier vor mir zu stehen.

Vorsichtig versteckte ich den Bogen sowie mein Gesicht. ,,Schau mich an, wenn ich mit dir rede.", befahl der Reiter streng. Ein klein wenig ängstlich hab ich meinen Kopf und blickte in die Augen des Kronprinzen. Verwundert schaute er mich an, als er mich erkannte. ,,Was tust du denn hier?", fragte er verwirrt und musterte mich neugierig. Verzweifelt suchte ich in meinem Kopf nach einer glaubwürdigen Lüge, doch mein Kopf war wie leergefegt. Auch mein Mund war staubtrocken und ich brachte kein Wort über die Lippen. Während der Prinz mich beobachtete, schien er, zu merken, dass ich etwas hinter meinem Rücken verbarg.

,,Was versteckst du da? Zeig schon.", sagte er mit ernster Miene. Zögernd holte ich meinen Bogen hervor. Widerwillig sah ich zu, wie Damian den Bogen aus der Hand nahm und ihn genauesten begutachtete. Es hätte eh nichts gebracht, ihn verbergen zu wollen, Prinz Damian hätte ihn sowieso irgendwann bemerkt. ,,Woher hast du denn Bogen?", wollte er interessiert wissen. Sein Blick überflog die Verzierungen, welche in das Holz geschnitzt worden waren. Das weiße Holz war überall mit Ranken, Federn und Sonnen verziert worden. Es ließ ihn sehr filigran und elegant aussahen. Auch war er sehr gut verarbeitet worden und die Sehne war genau auf mich abgestimmt gewesen. Als Arik ihn mir das erste Mal gezeigt hatte, wusste ich, dass mir genau so etwas gefehlt hatte. Die Verzierungen hatten mich von Anfang an in ihren Bann genommen und ich hatte mich irgendwie verbunden gefühlt. Deswegen war ich umso glücklicher, als Arik mir den Bogen schenkte. Seitdem war er mein wertvollster Besitz und ich behütete ihn wie einen Schatz.

,,Ein Meisterwerk....", hörte ich Damian murmeln, während er vorsichtig über das Holz strich. Stolz lächelte ich in mich hinein, als ich das Kompliment vernahm. Nach einer Weile wandte sich der Prinz mir wieder zu. ,,Also, woher hast du ihn?", fragte er skeptisch. ,,Er war ein Geschenk....", antwortete ich wahrheitsgemäß und nahm dem Prinzen den Bogen ab. Ungläubig sah er mich an, nickte aber dann. Etwas peinlich berührt wich ich den Blicken des Prinzen aus, doch mir entging nicht, dass sein Blick weicher wurde, als er mich ansah. ,,Hast du etwa versucht, zu schießen?", wollte er mit kleinem Lächeln auf seinen Lippen wissen. Ich nickte nur und entfernte mich etwas von ihm, doch der Prinz folgte mir. Neugierig musterte er die Licht und bemerkte die Pfeile, welche ich vergessen hatte rauszuziehen, in den Baumstämmen. ,,Warst du das?", fragte der Prinz ungläubig. Ich konnte seinen Zweifel bis hier her hören. Beleidigt drehte ich mich zu ihm um. ,,Was denkst du denn? Denkst du, dass ein so schwaches kleines Mädchen so etwas niemals schaffen könnte?", fragte ich aufgebracht. Der Prinz blickte mich überrascht an, fing sich aber schnell. ,,Nun ja, ich habe noch nie ein Mädchen Bogen schießen sehen, weshalb es mir etwas schwer fällt, das zu glauben.", antwortete er ehrlich. ,,Zeig mir, was du kannst!", schlug er nach kurzem Überlegen vor. ,,Bestimmt nicht! Immerhin bist du in mein Training geplatzt.", sagte ich genervt. Der Prinz ignorierte, dass ich ihn duzte und meinte:,, Es ist mein Boden und ich darf wohin ich will! Aber ich schlage dir einen Deal vor. Du bekommst diese kleine Lichtung für dich allein, wenn du mich im Bogen schießen schlägst." Überheblich lächelte er mich an. Er ging davon aus, dass von mir keine große Gefahr aus ging, was einen Vorteil darstellte. Da ich nichts zu verlieren hatte, stimmte ich zu.

Damian fing an, die Regeln zu erklären. ,,Jeder hat drei Pfeile und drei Versuche. Wer am Ende am nahsten an den Mittelpunkt des Baumes dahinten gekommen ist, hat gewonnen.", verkündete er und deutete auf einen Baum, welcher von unserem Standpunkt ungefähr sechzig Meter entfernt sein musste. Das würde ein Klacks werden!

Damian fing an. Als er seinen ersten Pfeil verschoss, konnte ich schon sagen, dass er zu weit unten treffen würde. Aber ich musste zugeben, dass er ein sehr guter Schütze war. Er verfehlte die Mitte nur um circa zehn Zentimeter. Stolz drehte er sich zu mir um. ,,Du bist dran. Ich wünsche dir viel Glück, Delia.", sagte er neckend. Eigentlich hätte ich ihm schon bei meinem ersten Schuss zeigen können, dass ich mehr war als ein kleines schwaches Mädchen. Doch ich fand es lustig, ihn in Sicherheit zu wiegen, weshalb ich absichtlich das Ziel verfehlte. Gespielt niedergeschlagen drehte ich mich zum Prinzen um, welcher mich triumphierend anblickte. ,,Nicht so schlimm, du hast ja noch zwei weitere Versuche."

Der nächste Schuss von Damian war besser, aber immer noch nicht perfekt. Dieses Mal war der Pfeil zu weit links stecken geblieben. Ohne etwas zu sagen stellte ich mich neben ihn, zog einen Pfeil, legte ihn an, zielte und schoss. Der Pfeil segelte lautlos durch die Luft bis er mit einem dumpfen Laut auf Holz traf. Lächelnd drehte ich mich zum Prinzen um, welcher mich entgeistert anstarrte. Als er merkte, dass ich ihn amüsiert anblickte, räusperte er sich. ,,Guter Schuss. Wahrscheinlich Glück.", meinte er kurz und setzte etwas steif zu seinem letzten Schuss an. Man konnte ihm ansehen, dass ihn mein Schuss verunsichert hatte. Doch das brachte ihn nicht dazu, sein Ziel zu verfehlen. Der Pfeil blieb nur noch ein paar Zentimeter neben der Mitte stecken. Der Schuss war nahezu perfekt gewesen. Seine Freude deswegen auch nur verständlich. Innerlich freute ich mich schon auf seinen Blick, wenn er merken würde, dass er verloren hat. ,,Das war ein wirklich guter Treffer.", sagte ich ehrlich, bevor ich mich selbst an meinen letzten Schuss machte.

Ich konnte Damian scharf einatmen hören, als ich mein Ziel traf. Zufrieden drehte ich mich um. ,,Du hast absichtlich so schlecht geschossen.", stellte er geschlagen fest. Zuerst wirkte er noch etwas niedergeschlagen, doch kurze Zeit später breitete sich ein anerkennendes Lächeln auf seinem Gesicht aus.
,,Meinen Glückwunsch. Du hast gewonnen. Somit gehört der Platz ganz allein dir!"

Fluch der Engel - GebanntWo Geschichten leben. Entdecke jetzt