18. War alles umsonst?✔

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Levis Sicht:

Es war jetzt schon eine Woche vergangen, in der ich hier war. Erstaunlicherweise hatte ich bis jetzt keine großen Probleme. Jedenfalls, soweit man es so bezeichnen konnte. Wenn ich aus meinem Zimmer ging, dann nur mit Mike. Immer, wenn ich versuchte auch mal allein was zu machen, außerhalb des Zimmers, dann fühle ich mich so zurückgelassen und unwohl. Wenn ich allein bin, muss ich wieder an jenen Tag denken. Den Tag, der mein ganzes Leben veränderte. Immer, wenn ich so tief in den dunklen Erinnerungen versunken war, dann hatte ich einfach keine Lust mehr. Keine Lust auf Leute, keine Lust auf Hilfe. Keine Lust zu leben... Aber dann kam Eren. Er hat mich aus dieser Situation geholt, hat mit mir geredet. Es hatte mir sehr viel geholfen. Aber wenn ich allein war, dann kam alles wieder hoch. Eine Welle an Traurigkeit und Verlorenheit, sowie dieses Gefühl nichts unternommen zu haben und nichts wert zu sein... Es machte mich fertig.

Ich war gerade mit Mike im Aufenthaltsraum und waren am Karten spielen. Ich schätzte, ich bin wirklich nicht so schlecht im Spielen. Es machte sogar ein wenig Spaß, was ich mir aber nicht anmerken ließ. Er seufzte auf. Er hatte die vierte Runde im Anschluss verloren. Die Tatsache, dass es ihm sichtlich nicht in den Kram passte, war schon ein wenig amüsant. Er war mir in dieser kurzen Zeit ein guter Freund geworden. Wir verstanden uns, er wusste immer was ich brauchte, beziehungsweise, was ich nicht brauchte. Schon unglaublich wie schnell ich es geschafft habe, mich jemanden zu öffnen. Jedoch jeder andere Kontakt mit fremden Personen ließ mich Unbehagen fühlen. Es ließ mich innerlich aufschreien.

„Levi?", kam es urplötzlich von Mike. Ich sah ihn fragend an. Wollte wissen, was er wollte. „Ich muss dir was sagen...", fuhr er fort. Ich blieb stumm, musterte ihn monoton und stützte mein Kinn an meiner Hand ab. „Es kann sein, dass ich bald entlassen werde. Vielleicht übermorgen", sagte er schnell. Ich blinzelte überrumpelt. Er wird entlassen? Er wird gehen? Er wird mich verlassen? Wie... wieso verlassen mich alle Menschen, die mir in irgendeiner Art etwas bedeuten, so einfach? „Wie...wie?", stammelte ich verwirrt. „Du wirst gehen?" Ich ließ meinen Blick senken. Er konnte doch nicht gehen. Ich brauchte ihn doch noch! Wie sollte ich die Zeit hier drinnen überstehen, wenn er nicht da war? „Du kannst doch nicht so einfach gehen...! Wie soll ich das denn hier ohne dich schaffen?!", platzte es aus mir raus. „Wie soll ich.." Ich weitete meine Augen, fuhr mir schwer atmend durch die Haare. Mike geht?

„Levi. Beruhig dich. Tief atmen", sagte Mike mit ruhiger Stimme, versuchte mich zu beruhigen, was ihm aber nicht gelang. „Nein. Nein...Nein!", schluchzte ich vor mich hin. Es überkam mich, dieser Wall. Meine Hände fingen an zu zittern. Schweiß bildete sich auf meiner Haut. „Du kannst nicht gehen! Du darfst nicht gehen...!", quengelte ich voller Entsetzen. Ich nahm nur gedämpft war, wie Mike aufstand, zu mir kam und mit der Hand jemanden zu sich winkte. Ich blendete alles vollkommen aus. Ein dunkler Schauer überkam mich. Ein Mensch wird mich verlassen... Ich schrie. Krampfte mit den Händen in meinen Haaren fest. Mike rüttelte an meiner Schulter, strich mir über den Rücken. „Bitte beruhige dich, Levi. Ich bin noch da. Versuch durchzuatmen", flüsterte Mike leise mir zu. Mein Atmen wurde wieder etwas ruhiger, mein Zittern wurde etwas weniger. Erst jetzt bemerkte ich, wie eine Pflegerin mir was in den Arm gespritzt hatte. Meine Augenlider wurden immer schwerer. Alle Geräusche wurden um mich herum leiser und gedämpfter, als hätte ich Watte in den Ohren. „Wieso..", hauchte ich schlussendlich noch leise in Mikes Richtung, ehe meine Augen zufielen und ich in die kalte Schwärze verfiel.

-

Schwer öffnete ich meine Augen. Es war nicht mehr hell, es war bereits dunkel. Schatten von Blättern wurden an die Zimmerwand vom Mondlicht geworfen. Ich stellte fest, dass ich im Zimmer war. Noch etwas müde richtete ich mich auf und sah aus dem Fenster. Das Mondlicht schien mir ins Gesicht. Langsam kam es wieder hoch, was heute Morgen passiert war. Ich hatte wieder die Fassung verloren... Dabei lief es doch gerade so gut. Und jetzt? Jetzt bin ich wieder am Anfang... Ich schaute betreten auf die Uhr an der Wand. Sie zeigte 23 Uhr. Langsam schweifte mein Blick durch das Zimmer. Erst jetzt bemerkte ich, dass Mikes Nachttischlampe noch an war. Er lehnte an der Wand und las eine Zeitschrift.

„Oh, du bist wach", kam es von Mike, bevor er die Zeitschrift neben sich legte und sich kurz streckte. „Wie fühlst du dich jetzt?", fragte er mich normalen Tons und setzte sich gerade hin, rutschte bis zur Bettkante hervor und sah mich an. „Erbärmlich", war meine einzige Antwort. Ich konnte es nicht aussprechen, wie ich mich gerade fühlte. Ich hatte versagt. Ich habe alles auf Anfang zurückgesetzt. „Ist schon okay, Levi. Es nimmt dir keiner übel. Ich kann verstehen, dass du jetzt dir die Schuld dafür gibst und das du jetzt denkst, dass alles sinnlos war, aber nein. Sieh doch mal! Du hattest das erste Mal seit Tagen oder Wochen eine Panikattacke! Ist doch schon mal ein Fortschritt. So lange hattest du keine mehr. Es wird doch besser!", meinte er und lächelte mich aufmunternd an. Ich seufzte nur mit mir selbst unzufrieden und nickte abwesend.

„Trotzdem... Was soll ich denn machen, wenn du weg bist? Mit wem soll ich reden?", zischte ich kleinlaut und stand auf, legte ein paar Sachen zurecht, die ich morgen Eren geben wollte. „Du wirst schon jemanden finden, mit dem du dich unterhallten kannst. Lass sie einfach auf dich zu kommen." Mike und kam zu mir, beobachtete mein Tun. Ich hörte ihm gar nicht richtig zu, war auf das Portrait von Eren fokussiert. „Er kommt morgen, oder?", wechselte Mike das Thema. Ich nickte als Antwort und legte es auf einen Stapel von Zeichnungen. „Du kannst ihn das ja fragen. Ich bin mir sicher, er weiß eine Antwort darauf", fügte er noch hinzu. Ich murrte nur.

Ich vermisse dich, Eren. Ich will dich wiedersehen.

Trust Is Useless [Ereri/Riren]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt