14. Eine neue Chance✔

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Levis Sicht:

Vor ein paar Tagen kam Eren freudenstrahlend in mein Zimmer. Ich wollte eigentlich gerade schlafen, aber damit wurde es erstmal nichts. Als er dann sagte, dass ich auf die Offene verlegt werde, freute ich mich schon, jedoch überkam mich danach auch die Angst. Angst, dass ich wieder Panikattacken bekäme oder wieder nur eine leere Hülle sein würde. Angst, wieder allein sein zu müssen. Die Tage und Nächte darauf konnte ich nur daran denken. Würde ich es schaffen? Könnte ich diesmal diesen Ort verlassen und ihm endgültig den Rücken kehren? Ich wollte alles versuchen, um dies in die Tat umzusetzen. Aber ich hatte immer wieder diese Gedanken, die die Hoffnung zu klein hielt, als dass sie ausschlaggebend war. Und wo sind wir jetzt? Vor dem Übergang zur Offenen.

Ich stand da, mit meiner Tasche, die mit den wenigen Sachen gepackt war, welche ich noch besaß und einem Eren. Ich war sichtlich nervös, wusste nicht was mich erwarten würde. War es negativ oder doch positiv? Meine Gedanken fuhren Achterbahn und ich war nicht angeschnallt. Und ich hatte das Gefühl, sie würde momentan unendlich viele Loopings drehen.

Während Eren irgendwelche Dokumente ausfüllte, schaute ich gebannt in den großen Raum. Es war früh morgens an einem Montag. 7 Uhr vielleicht, ich hatte nicht auf die Uhr gesehen. Viele Fenster zierten die Wände und ließen Sonnenlicht in das Zimmer scheinen. Normalerweise würde es mich stören, aber diesmal nicht so sehr und das machte mich glücklich. Auch, wenn man mir es nicht unbedingt ansah. Im Raum waren auch viele Gruppentische, bei denen einige Menschen saßen und redeten oder sich selbst beschäftigten. Ein weiterer offener Gang führte zu den Zimmern und ein anderer in die gemeinsame Mensa, so sah es jedenfalls aus für mich. Ich musste schlucken. Auf den ersten Blick, kam mir nur eins in den Sinn: Stress.

Eine Hand auf meiner Schulter holte mich aus meinen erdrückenden Gedanken. Ohne mich umzudrehen, wusste ich, dass es Eren war. Wir hatten in den letzten Monaten ein großes Vertrauensverhältnis aufgebaut. Man könnte auch sagen, ich vertraue ihm blind. Es war eine sehr große Überwindung. Aber im Endeffekt, war ich doch froh und stolz darüber, dass ich dies zugelassen habe. Eren machte mich glücklich. Als hätte ich einen Teil meiner Familie wieder und müsste nicht allein mit der Last leben, an allem schuld zu sein.

„Bist du bereit?", fragte er mit dem Gesicht zur Station gerichtet. War ich das? War ich bereit dazu? Keine Ahnung, aber eines was ich wusste, ist, dass es Eren glücklich machen würde, wenn ich es schaffe. Das war mein Ziel, Eren glücklich machen, dann wäre ich vielleicht auch endlich mal glücklich. „I-Ich weiß es nicht. Muss ich wohl", gab ich etwas unsicher von mir. Eren nahm seine Hand von meiner Schulter, drehte sich zu mir und packte mich an den Armen. Ich schaute ihm gespannt in die Augen. „Hör zu, Levi. Wir haben Monate dich auf das hier vorbereitet. Du siehst doch, was für Fortschritte du gemacht hast. Ich könnte mir nicht vorstellen, wann es hätte besser passen können. Außerdem kannst du nicht immer nur mit mir reden. Du musst auch mit anderen kommunizieren können. Du wirst das schaffen, Levi. Ich glaube daran. Wenn du die Wochen schaffst, dann werde ich nicht mehr von deiner Seite weichen, wenn du das möchtest." Innerlich war gerade eine Flamme in mir entfacht. Bei seinen Worten wurde mir heiß und kalt zugleich. Noch nie hatte mir jemand so gut zugesprochen. Auf einmal war die größte Last wie weggeblasen.

„Du schaffst das."- „Ja, ich schaffe das", wiederholte ich seine Worte. „Und jetzt ab. Wir sehen uns in ein paar Tagen wieder. Hanji wird gut auf dich aufpassen", rief er mir noch hinterher, ehe er mich allein ließ. Ich stand etwas verloren da, wusste nicht was ich machen sollte. Bis plötzlich eine Frau mit braunen Haaren, die in einem Zopf gebunden waren, und einer Brille sich vor mich stellte.

„Hallo, Levi. Ich bin Hanji Zoe, die Abteilungsführerin und Stationsleitung von hier. Du kannst mich aber auch nur Hanji nennen", stellte sie sich vor und streckte mir die Hand hin. Was aber für sie wie eine freundliche Geste aussah, sah für mich wie ein Bakterienparadies aus. Ich sah die Hand nur an, schüttelte sie aber nicht. „Ach stimmt ja, der Tick. Naja egal, komm ich zeig dir dein Zimmer." Und schon liefen wir durch den Raum zu den einen Gang. Ich merkte ein paar Blicke auf mir, was mich auch etwas nervös machte, aber sonst nicht weiter störte. „Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Der, mit dem du dein Zimmer teilst, ist echt nett. Ich bin mir sicher, ihr werdet euch gut verstehen", sagte die Braunhaarige mit einem zuversichtlichen Lächeln und blieb plötzlich vor einer offenen Zimmertür stehen. „So, da sind wir. Dein Zimmergenosse heißt Mike. Ich bin mir sicher, er wird dir helfen dich hier einzuleben. Also dann, wir sehen uns zur Gruppentherapie", winkte mir Hanji hinterher, bevor sie auch schon wieder verschwand.

Ich nickte etwas unbeholfen und stellte mich dann in den Türrahmen. Ein Mann stand im Zimmer, Mike also. Er kam auf mich zu und stellte sich vor mich. Zum Glück streckte er mir die Hand nicht entgegen. „Hallo, ich bin Mike. Schön dich kennenzulernen", begrüßte er mich freundlich. „Ha-Hallo, ich heiße Levi.", entgegnete ich ihm etwas schüchtern. Ich war sehr nervös. Meine Hände zitterten und mir wurde echt warm. So lief es immer, wenn ich Angst hatte oder nervös war. Ich versuchte mich zu beruhigen, zählte im Kopf rückwärts, so wie Eren es mir gesagt hatte. Ich schlenderte zu meiner Seite des Zimmers und legte meine Tasche auf das Bett. Ich dachte, ich müsste erstmal putzen, aber es ging. Nur vielleicht kurz staubwischen.

Das Zimmer war nicht besonders groß, aber dennoch genug. An jeder Seite standen ein Bett, ein Schreibtisch und ein Schrank sowie ein leeres Regal. Neben der Eingangstür war auch ein kleines Badezimmer mit den nötigsten Sachen, wie Waschbecken und Toilette. Ich dachte mal, es gabt eine Gemeinschaftsdusche. Mir graute es jetzt schon davor.

Mike lag auf seinem Bett und las ein Buch, während ich meine Sachen einsortierte. Dabei kamen mir auch die Zeichensachen zur Hand, die mir damals Eren geschenkt hatte. Ich bräuchte mal wieder einen neuen Block und auch mal Farben. Da ich später nochmal an was arbeiten wollte, legte ich sie auf meinen Schreibtisch. Zuvor hatte ich nochmal alles abgewischt. Ich kassierte darüber einen Blick von Mike, aber er ließ es unkommentiert, wofür ich im dankbar war. Das hatte mich dann auch ein paar Stunden beschäftigt und von dem Stress abgelenkt. Wenn ich putzte, dann hatte ich die Kontrolle. Ich konnte alles entscheiden, das war für mich eine pure Entspannung. Klingt für manche Menschen zwar komisch, aber so war es nun mal.

„Kommst du mit? Wir haben jetzt Mittagessen", fragte mich Mike und stand vom Bett auf. Erst schaute ich ihn etwas verwirrt an, nickte dann aber doch zögerlich und legte das Buch beiseite. Ich bin echt nervös. Ich würde zum ersten Mal seit langen wieder mit vielen Menschen an einem Fleck essen. Innerlich betete ich dafür, dass alles glatt laufen würde.

Trust Is Useless [Ereri/Riren]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt