Kapitel 5 - Merry Christmas, Darling!

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Fröhliche Weihnachten!
Julian

Ich starrte auf mein Smartphone.
Mein Weihnachtsfest würde alles sein, aber nicht fröhlich.
Es war Heilig Abend. Weihnachten hatte gerade erst begonnen und ich konnte es jetzt schon nicht erwarten, dass es endlich vorbei war.

Die Familientradition war hier so weit weg von meiner eigenen.
Gut, wir hatten nicht wirklich eine Tradition gehabt die letzten Jahre, dennoch hatte ich keinen Bedarf nach einer Neuen. Schon gar nicht mit diesen Menschen.
Wir mochten verwandt sein, aber ich war weit davon entfernt zur Familie dazu zu gehören – oder dazugehören zu wollen. Ich wollte sie nicht kennenlernen, ich wollte nicht interagieren, ich wollte einfach nur irgendwie durchhalten.
Und vor allem wollte ich Weihnachten mit meinen Eltern. Mit spärlicher Dekoration, Essen im Restaurant und unspektakulärer Bescherung.

Ich rieb über meine Narbe auf der Handfläche. Sie schmerzte schon lange nicht mehr, dennoch hatte ich die Angewohnheit beibehalten. Immer wenn es mir die Kehle zuschnürte, hatte ich mich durch den Schmerz abgelenkt.

Joe hatte heute einen Weihnachtsbaum geholt. Mit glitzernden Augen hatte Lennis mir erzählt, wie sie diesen jedes Jahr gemeinsam nach dem Frühstück schmückten. Er war vor Aufregung am Frühstückstisch unruhig auf seinem Stuhl hin und her gerutscht.
Alleine diese gemeinsamen Essen waren mir so zuwider. Ich aß, wenn ich hunger hatte. Und ich wollte meine Ruhe beim Essen. Was bewegte Menschen dazu immer gemeinsam zu essen?
Also wirklich immer! Ich saß jeden Morgen am Tisch und trank mit der miesesten Laune meinen Kaffee. Bereits am dritten Tag wusste jeder, dass man mich vor meinem ersten Kaffee auch besser gar nicht erst ansprach.

Nach dem Frühstück waren die Männer bereits ins Wohnzimmer verschwunden, um den Baum zu schmücken, während ich mich geweigert hatte. Paige war gar nicht begeistert gewesen, aber erstaunlich diplomatisch geblieben in unserer Auseinandersetzung.
Ich wollte keinen verdammten Baum schmücken. Außerdem sah das ganze Haus bereits aus, als wäre es ein einziger Weihnachtsbaum. Paige hatte einen typisch amerikanischen Deko-Knall!

Ich wollte nicht nur nicht schmücken, ich wollte auch meinen Nachmittag nicht mit einem Haufen verrückter Amerikaner in der Kirche verbringen, Praise the Lord rufen und mich segnen lassen. Aus Letzterem konnte ich mich allerdings nicht herauswinden. Was sollte ich denn dort?!
Ich war in der Hölle! Ich würde eher Lucifer preisen, als Gott, damit der Aufenthalt in der Hölle vielleicht nur halb so schlimm wurde. Vielleicht könnte ich ihm Mason opfern, dachte ich, während ich mein Outfit im Spiegel betrachtete und meine Lippen sich zu einem diabolischen Schmunzeln verzogen. Das würde den Aufenthalt ganz sicher angenehmer machen.

„Tilly! Kommst du, bitte?!", rief Paige von unten. Ich zuckte zusammen.
„Ich komme ja!", brüllte ich zurück. Eine Unart, die ich mir in diesem Haus schnell angewöhnt hatte. Dieses Gebrülle durchs ganze Haus war furchtbar nervtötend und überhaupt nicht gut für meine Stimme.

'Wünsche ich dir auch', tippte ich an Julian schnell zurück und setzte noch ein Weihnachtsbaum-Emoji dahinter. Ich steckte mein Smartphone in meine Handtasche, warf noch einmal einen prüfenden Blick in den Spiegel und eilte nach unten.
Alle warteten bereits auf mich.

Mason hob die Augenbrauen, als er mich sah.
Showtime in 3, 2, 1....
„Hast du vor Gott zu verführen, damit er dir deine Sünden vergibt?"
„Ach gut, da bist..." Der Rest des Satzes blieb Paige im Halse stecken.
„Das willst du in der Kirche anziehen?"
„Wieso nicht?" Gespielt verständnislos sah ich in die Runde.
Mason, Lennis und mein Onkel trugen schlichte, schwarze Anzüge mit aufeinander abgestimmten Fliegen. Paige hatte sich in ein Kostüm gezwängt, wie meine Mutter sie immer zur Arbeit getragen hatte. Es stand ihr überhaupt nicht. Sie hatte nicht ansatzweise die Figur mein Mutter. Abgesehen davon wirkten alle vier völlig deplatziert in den Klamotten. Und jetzt wollten sie mir allen Ernstes in meine Kleiderwahl reinreden?
„Findest du das nicht ein bisschen kurz?" Joe räusperte sich.
„Ich besitze jedenfalls nichts, womit ich als Nonne durchgehen könnte." Ich sah an mir herunter. „Bevor ihr mir irgendwas über meinen Kleidungsstil erzählen wollt, solltet ihr vielleicht eure eigenen Outfits überdenken."
Ich trug einen roten, tief ausgeschnittenen Pullover und einen kurzen schwarzen High-Waist-Rock, dazu meine schwarzen Overkneestiefel. Genervt griff ich nach Schal und Jacke und trat an ihnen vorbei nach draußen.
„Immerhin fragt mich sicherlich niemand wie viel ich koste." Mason grinste.
True. Man müsste der Person sehr viel Geld zahlen, damit sie dich freiwillig mitnimmt."
Paige warf uns einen warnenden Blick zu und scheuchte uns alle ins Auto.

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