Sie drehte sich zu mir um und sah mich mit ihren großen, braunen Augen an.
„We... we can't? Because... I'm a coward?" Ihre Augen glitzerten verräterisch. „I'm sorry, I'm not as cool or tough as you."
„What?" Ich runzelte die Stirn. „No. That's not what I meant. I am on Kate's radar. And everyone around me will be, too."
„Oh." Sie ließ die Schultern sinken. „So we can be friends?"
„Do you honestly want to be friends?" Ich verlagerte mein Gewicht von einem Bein auf das andere und wunderte mich etwas, über meine eigene Ungeduld, während ich auf ihre Antwort wartete.
Nach dem ganzen Stress mit Jojo war ich vielleicht einfach vorsichtig. Ich mochte nur sehr wenige Menschen. Aber aus einem mir nicht erklärbaren Grund mochte ich Nataly. Sie war das komplette Gegenteil von mir und manches Mal nervte mich ihre schüchterne Art, aber... ich mochte sie dennoch. Nach dem Partydesaster konnte ich es ihr aber nicht verübeln, wenn sie doch lieber einen Bogen um uns machen wollte. Ich war mir auch sehr wohl bewusst, dass ich manches Mal etwas schroff oder eher zu direkt sein konnte. Das Thema Zach hatte aber zumindest soweit gezogen, dass sie sich jetzt gerade in ein paar enge Jeans zwängte.
„I wouldn't mind having a friend."
„Then we will have to work on toughening you up." Um meinen Gesichtsausdruck vor ihr zu verbergen, drehte sie zurück zum Spiegel. „And putting you on Zach's radar instead." Ihr schockierter Blick ließ mich laut auflachen.
„I think that scares me even more." Sie hielt sich die Hände vor das Gesicht. „And besides... I think he actually likes you."
„Me?!" Nataly nahm ihre Hände vom Gesicht und studierte einen Moment im Spiegelbild mein Gesicht, welches wieder komplett gefasst war. Sie war sich wohl nicht sicher, ob ich das ernst meinte.
„Of course, you! Have you seen the way he looked at you at Mc Donalds?"
Ich biss mir auf die Zunge. Vielleicht blinzelte ich etwas zu viel, während ich sie anstarrte und darüber nachdachte, was ich darauf antworten sollte. Sie wusste nichts von meiner Panikattacke, sie wusste nicht wie ich Zach überfallen hatte und dass er wahrscheinlich so guckte, weil er dachte, ich wäre komplett durchgeknallt.
„You definitely don't have to worry about me and Zach.", versuchte ich das Thema einfach schnell abzuwenden. „Can we go back to school now?"
„I'm not sure you should go back to school. I'm sorry, but you do look like shit."
„No need to hurt my feelings." Ich hielt mir prüfend die Hand an die Stirn, hinter der es zugegebenermaßen etwas zu sehr pochte. „Yeah, I think I am feverish."
Genervt verzog ich das Gesicht. Vielleicht erklärte das aber, warum ich heute statt wegrennen zu wollen, weil sich diese neue Freundschaft etwas anfühlte wie eine Beziehung eingehen, irgendwie erleichtert war.
Ich rief Joe an und bat ihn mich abzuholen, während ich Nataly zur Schule zurück begleitete und mich dort im Büro krank abmeldete.
Ich hatte definitiv Fieber.
Es kletterte hoch bis auf 39,5 Grad und ich fühlte mich als hätte mich ein ganzer Zug überrollt.
Paige flößte mir abwechselnd Fiebersaft, Suppe und Tee ein, während ich immer wieder in Fieberträume abdriftete. Jedes Mal, wenn ich meine Augen schloss, sah ich die Gesichter meiner Eltern. Ich durchlebte mehrere Streits mit meiner Mutter. Ich war so wütend.
Ich sah sie sterben. Ich sah Julians Gesicht. Und alles war weiß vom Schnee. Es war als würde die Kälte wieder an mir hochkriechen. Ich fror und zitterte wie Espenlaub.
Mehr als einmal wachte ich mitten in der Nacht schreiend auf, mein Gesicht war nass – und das nicht nur vom Schweiß. Und jedes Mal war Paige sofort an meinem Bett.
Eines Nachts war es so schlimm, dass ich mich wimmernd hin und her wälzte.
Ich war halb wach, halb gefangen im Traum und ich konnte mich nicht aus diesem Zustand befreien. Ich hörte Paige und Joe leise flüstern neben meinem Bett.
Sie machten sich Sorgen, überlegten, ob sie doch noch den Bereitschaftsarzt holten. Mein Onkel hatte ganz klar ein schlechtes Gewissen, dass ich im Regen mit dem Fahrrad zu Grandma gefahren bin. Joe's Stimme zu hören, machte meine Träume aber nur schlimmer. Mein Unterbewusstsein verknüpfte es direkt mit der Beerdigung und katapultierte mich zurück in die leere Kapelle zu den Särgen meiner Eltern. Im Traum schüttelte ich meine Mutter und schrie sie an, sie sollte verdammt nochmal aufwachen. Sie öffnete ihre Augen, griff nach mir und ich erschrak so heftig, dass ich plötzlich kerzengerade im Bett saß. Mit rasendem Herzen schnappte ich nach Luft und fühlte mich wieder als würde ich ertrinken.
„Mach, dass es aufhört.", flüsterte ich an Paige geklammert, als könnte sie mich vor dem Ertrinken retten. „Es soll einfach aufhören."
Joe hatte den Bereitschaftsarzt bereits angerufen, der kurz darauf kam und mir Antibiotika und etwas zum Schlafen gab. Es half schnell und nach einem langen, traumlosen Schlaf erwachte ich am nächsten Morgen das erste Mal nicht klatschnass und sah mich desorientiert um.
Paige kam nach mir sehen und war sichtlich erleichtert, das ich bereits wach war.
Sie strich mir über den Kopf, fragte mich wie es mir ging und ich fühlte mich plötzlich wieder wie 5. Eine Woche vorher hätte ich ihr dafür wahrscheinlich den Kopf abgebissen.
Über mein Fieber war ich nun zwangsgewöhnt. Ich schüttelte kaum merklich den Kopf, als ich das realisierte.
„What day is today?", wollte ich von ihr wissen.
„Friday."
„Friday?!" Wo war ich bitte die ganze Woche gewesen?
„Yeah, you've been out the whole week. Thankfully the meds seem to help."
Sie beäugte mich noch einmal kritisch, fühlte mein Gesicht ab, bevor ich mich ins Badezimmer schleppte und mich vor meinem Spiegelbild erschrak.
Nach einer ausgiebigen Dusche ging ich das erste Mal wieder nach unten, um etwas zu essen. Und war das nicht großartig – ich hatte Mason die ganze Woche nicht ertragen müssen. Schon fühlte krank sein sich fast an wie Urlaub.
Dafür hatte mich Paige ehe ich mich versah doch dazu bewegt, einem Besuch beim Therapeuten zuzustimmen. Ich hatte nichts anderes fertig gebracht als ein Achselzucken und ein genervtes 'Hmpf' und dann doch genickt. Die Träume waren grausam gewesen, das konnte ich nicht abstreiten. Dabei wusste Paige ja noch nicht einmal von meinen wirklichen Aussetzern. Ich hatte einfach keine Kraft mich jetzt zur Wehr zu setzen, das war ihr sehr wohl bewusst.
Am nächsten Tag fühlte ich mich schon deutlich besser.
Ich lag trotzdem noch im Bett, als Paige gegen Mittag den Kopf zur Tür hineinsteckte.
„You have visitors." Sie legte den Kopf schief, schmunzelte.
„I have... wait, why are you looking like that?"
„There are 3 boys waiting downstairs for you." Sie machte eine etwas zu lange Pause, hob die Augenbrauen, aber ich hatte nicht vor das zu kommentieren. Ich wusste, das konnten nur Paul, Zach und Romeo sein. „And 3 girls. Seems like you made a lot of friends already."
„I must be an awesome person."
„Yeah, yeah... spare me your sarcasm and get out of bed."
„Can you stall them for 5 minutes before you send them up?"
„Will do." Ein zufriedenes Grinsen huschte über ihr Gesicht, bevor sie die Tür wieder hinter sich schloss.
Ich war gerade in meine Leggings und meinen Lieblingspulli geschlüpft, als es bereits an der Tür klopfte.
„Come in.", rief ich und schloss schnell die Schlafzimmertür hinter mir.
Paul steckte als Erstes den Kopf zur Tür hinein.
„She's alive!", verkündete er lautstark.
„God, Paul! My head."
„Oh, I'm sorry." Grinsend schlang er die Arme um mich.
„Don't tell me you missed me."
„You know, school without you turns out to be just like a broken pencil."
Ich löste mich aus seiner Umarmung und sah ihn irritiert an. „What?"
Hinter ihm trudelten die anderen in meinem Zimmer ein. Destiny hob kurz die Hand und rollte mit den Augen über Paul.
„I guess I'm not following."
„Pointless!" Er zwinkerte mir zu und ich starrte ihn einfach nur verstört an, weil ich nicht wusste, was ich darauf antworten sollte.
Romeo riss mich aus meiner Starre und umarmte mich ebenfalls zur Begrüßung.
„He was definitely dropped on the head as a baby. More than once probably.", versuchte er Paul zu entschuldigen und wuschelte mir grinsend durchs Haar.
„I heard that!"
„What is going on here?", fragte ich mehr mich selbst, als Nataly, die als Letzte bei mir ankam.
„We just wanted to check on you. You didn't answer any of our texts."
Sie hatte recht, ich wusste gerade nicht einmal wo mein Telefon war.
Mit den Händen in den Ärmeln versteckt, stand sie unschlüssig neben mir.
„Thanks.", war alles, was ich hervorbrachte. Zumindest gelang es mir zu lächeln.
„It's cool that you're here.", fügte ich noch leise hinzu, auch wenn sie glaube ich nicht mitbekam, dass ich in erster Linie sie damit meinte.
Offensichtlich hatte sie den Anschluss behalten, auch wenn ich nicht da war.
Das war ein großer Schritt für sie, das war mir bewusst. Und auch wenn sie sich sichtlich noch nicht wirklich wohl fühlte, hatte sie ihren Platz in der Gruppe doch irgendwie angenommen.
„Is it okay, if we stay?", fragte Destiny.
„Sure." Ich zeigte auf die Couch, damit sie es sich bequem machten.
„Paige said she'll make some food."
„Awesome! I'm starving." Wann hatte Romeo auch mal keinen Hunger?
Selbst nach der sehr öffentlichen Trennung von Kate hatte er bei McDonalds Massen verdrückt.
„Good. I'll go get it." Ich wollte bereits auf dem Absatz kehrt machen, als Zach aufsprang.
„Let us get it."
„Yeah, we'll get it."
„Or help her."
„Uhm...", konnte ich nur noch machen, bevor die drei Jungs an mir vorgestürmt waren.
Paige würde sich ganz sicher über Hilfe freuen.
Etwas hilflos sah ich ihnen hinterher, wie sie die Treppe hinunterpolterten.
Arme Paige. Ich stellte mir gerade vor, wie die drei ausgehungerten Primaten die Küche stürmten, leer räumten und eine völlig verstörte Paige im Chaos hinterließen.
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Novela Juvenil‚If you get lost, you can always be found' Tilly ist 16, talentierte Sängerin und Pianistin und hat große Pläne. Nach einem heftigen Schicksalsschlag ändert sich für Tilly allerdings alles. Sie muss ihr zu Hause verlassen und bei ihrem Onkel auf ei...