Kapitel 5 - Merry Christmas Darling!

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„Tilly! Raus aus den Federn!", brüllte Mason von unten. Ich schreckte aus dem Tiefschlaf.
Grummelnd zog ich das Kissen über meinen Kopf, um es im nächsten Moment wieder wegzuschmeißen.
Ungläubig starrte ich aus dem Fenster.
„Was zur.." Es war stockfinster draußen!

Ich spürte die aufkommende Wut, als ich stürmisch nach meinem Handy suchte.
„Halb 6?", kiekste ich.
„Tiiiiiiiiiiilly!" Mason! Schon wieder!
War das sein verdammter Ernst?

Ich warf die Decke zurück, sprang aus dem Bett und riss eine Tür nach der anderen auf.
„Mason, was zur Hölle...." Doch weiter kam ich nicht. Ich kniff die Augen zusammen und kreischte vor Schreck. Mason hatte direkt vor meiner Tür gewartet und meinen Wutausbruch mit einem eiskalten Eimer Wasser erstickt. Vielleicht nicht ganz erstickt, denn die Wut entflammte erneut und diesmal drohte ihm ein Feuersturm. Mit offenem Mund starrte ich ihn an.

„Dad hat doch gesagt, du sollst heute mal im... Stall mit...helfen...." So langsam kommte er den Feuersturm hinter meinen Augen wohl auflodern sehen. Er wich langsam zurück, während er das sagte. Wutschnaubend atmete ich ein und aus und glaubte jeden Moment explodieren zu müssen. Ich stand immer noch in der Tür in meinem Schlafanzug, pitschnass, zitternd vor Kälte... oder Wut und versuchte, ihm nicht auf der Stelle die Augen auszukratzen.

„Ich bring dich um, Mason!", knurrte ich. Mit einem schiefen Grinsen im Gesicht, wich er immer weiter zurück. „Das...klingt nicht gut.", murmelte er, macht auf dem Absatz kehrt und rannte, so schnell er konnte, die Treppe wieder runter.

Mit einem weiteren wütenden, sehr hochfrequenten Aufschrei rannte ich ihm hinterher. Allerdings nicht ohne mich mit dem leeren Eimer zu bewaffnen.„Mason, du kleines Arschloch! Bleib stehen oder ich muss dir leider ein Bein brechen, bevor ich dich umbringe!", schrie ich ihm hinterher.
Ich war so unglaublich wütend.
Und, wie ich mir im Nachhinein eingestehen musste, völlig außer Kontrolle geraten.
Aber ich war so wütend!

Mason flüchtete sich in die Küche, wo Paige und Joe gerade in Ruhe ihren Morgenkaffee tranken. Tja... mit der Ruhe war es jetzt mehr als vorbei. Fluchend, kreischend und lärmend rannten Mason und ich um den Küchentisch, während die beiden Erwachsenen vergebens versuchten uns zur Ruhe zu bringen.

Wir schaukelten uns soweit hoch, dass ich anfing ihn auf Deutsch zu beleidigen und sein dämliches Grinsen verschwand, weil er wirklich Angst vor mir und meinem Eimer bekam. Er schob mir Stühle in den Weg, ich wechselte die Richtung. Die Tür knallte, Paige brüllte, Joe brüllte, ich brüllte und Mason flehte.Solange bis ich ausholte und den Eimer mit voller Kraft nach ihm warf. Da er damit nicht gerechnet hatte, starrte er den Eimer nur wie hypnotisiert an, bis dieser mit einem lauten Knall an seinem Kopf landete.

Joe nutzte die Gelegenheit und bekam mich zu fassen, schob mich auf einen Stuhl. Paige tat dasselbe mit Mason, der sich den schmerzenden Kopf rieb.
„Ihr beide bleibt jetzt schön sitzen!" Mein Onkel war wütend. Aber... nicht so wütend wie ich.
Doch er hielt inne als quietschend die Tür aufging.

Lennis tapste verschlafen hinein.„Mag mir mal eine verraten, was hier los ist?", murmelte er verschlafen.„DAS würde ich auch gerne wissen.", brummte Joe.„Gott, meine Nerven!" Paige rieb sich die Schläfen. „Es ist noch nicht einmal 6 Uhr morgens."Ich lehnte mich zurück, versuchte mich zu beruhigen, was mir auch halbwegs gelang.„Warum in Gottes Namen rennt ihr an einem Weihnachtsmorgen brüllend durch die Küche? Warum bist du klitschnass?" Er zeigte auf mich. „Und warum versucht sie dich umzubringen?" Diesmal war Mason gemeint.

Mason wollte gerade anfangen zu erklären, doch ich fiel ihm ins Wort.
„Mason, halt deinen verdammten Mund. Ein Ton von dir und ich schwöre es war der Letzte."
Okay, wie war das mit dem beruhigen?
„Wenn du dich erinnerst, hast du gestern gesagt, dass ich heute mit im Stall helfen solle.", fuhr ich an meinen Onkel gerichtet fort. Meine Stimme bebte immer noch vor Wut. „Also hat Mason hier beschlossen mich zu wecken, in dem er so lange vor meiner Tür rumschreit, bis ich raus komme und er diesen Eimer voll mit eiskaltem Wasser über meinen Kopf schütten kann. Wach bin ich jetzt definitiv, aber ich werde nicht einen Zeh vor die Tür setzen!"
„Sie ist halt ein Morgenmuffel", wandte Mason zu seiner Verteidigung ein. „Sie wär doch sonst nie aufgestanden!"
„Wie dämlich kann man eigentlich sein! Vielleicht bin ich das... aber offensichtlich war ich schon wach, wenn ich doch in der Tür stand?!"

Paige und Joe sahen sich an, dann uns.Lennis hockte sich auf den Stuhl neben mir.„Weißt du was ich denke, Dad?", meinte er immer noch verschlafen. „Ich glaube, Mason hätte noch mindestens 3 weitere Eimer an den Kopf verdient."

Die nächsten die schreiend um den Tisch rannten, waren Lennis und Mason.
Allerdings schafften es Joe und Paige relativ schnell die beiden wieder einzufangen und auf ihren Stuhl zu drücken.

„Das reicht!", polterte Joe.
„Ich glaube, ich bekomme Migräne.", wisperte Paige und hielt sich die Stirn.
„Was ist denn in euch gefahren?" Joe sah von einem zum Anderen und schien darauf tatsächlich eine Antwort zu erwarten. Er raufte sich die Haare und überlegte kurz.
„Tilly, geh zurück ins Bett! Lennis raus!", verwies uns Joe. Das ließ ich mir nicht zwei Mal sagen.
Mason wollte sich mit hinaus schleichen, aber Joe hielt ihn zurück.„Du bleibst. Wir müssen uns unterhalten."Er sank zurück in seinen Stuhl und sah zerknirscht drein. Geschah ihm recht.

Ich tapste immer noch brodelnd wieder nach oben und schlüpfte aus den nassen Klamotten.Mir war eiskalt. Allerdings hatte ich diese Tatsache bis jetzt verdrängt.Eigentlich hatte ich vorgehabt, sofort wieder ins Bett zu schlüpfen, dummerweise war ich nun wirklich wach und meine Haare waren auch noch klitschnass.
Genervt stöhnte ich auf, als mir klar wurde, dass ich wohl in nächster Zeit keinen Schlaf finden würde und beschloss erst einmal heiß zu duschen.

Die Dusche taute meine gefroreren Gliedmaßen wieder auf. Meine Laune kreiste allerdings immer noch um den Gefrierpunkt. So schlecht gelaunt wie heute Morgen war ich selten zuvor.Ich verspürte den plötzlichen Wunsch Klavier zu spielen, aber ohne Klavier sollte das wohl ein Wunsch bleiben. Mein Blick fiel auf das Fotobuch meiner Mum. Zögerlich hob ich es auf, starrte es einige Zeit nur an, bevor ich die Karte herauszog und aufklappte.

Meine liebe Tilly,

ich weiß, das Leben mit mir als Mutter ist nicht immer einfach. Ich weiß, ich arbeite zu viel.

Aber nur dass du es weißt: Ich bin sehr stolz auf dich! Und ich weiß, dass du eine fantastische Sängerin wirst.

Ich habe dich sehr lieb.
Vielleicht kannst du es ja auf den Fotos erkennen.

Merry Christmas, Darling!

Mum

Mit klopfendem Herzen klappte ich die Karte zu und schlug die erste Seite auf. Das Bild von meiner Mutter im Krankenhaus mit einem frisch gebackenen Bündel auf dem Arm und dem breitesten Lächeln, dass ich je bei ihr gesehen hatte, klebte darauf, zusammen mit dem ersten Bild überhaupt von mir.

Tränen schossen mir in die Augen. Schnell klappte ich das Fotobuch wieder zu. Die schmerzliche Erkenntnis, dass sie mir das niemals mehr persönlich sagen und ich sie nie wieder in den Arm nehmen würde oder wir den letzten Streit hinter und lassen konnten, war einfach mehr als ich ertragen konnte. Mein Magen stand Kopf und mir wurde schlecht.Ich zog mir die Decke über den Kopf und hoffte, dass diese Gefühl bald verschwinden würde. Ich brauchte mehr Ablenkung. Dringend.

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