Verrat

63 1 0
                                    

„Ich wurde verraten." Ich fühle mich elend und mir ist kalt, als ich die entscheidenden Worte ausspreche, Worte, die eine ungeheuerliche Wahrheit in sich bergen, zu gross, zu grausam für einen blossen Klang. Nie zuvor habe ich mich so schwach gefühlt. Der irrationale Drang überkommt mich, den Sheriff einfach anzulügen, ihm nichts davon zu verraten, dass es Marian war und dann wegzulaufen, gemeinsam mit ihr, irgendwohin, wo er uns niemals finden wird. Könnte ich nicht einfach alles vergessen, den Sheriff verlassen und ein neues Leben anfangen, ein friedliches Leben mit der Frau, die mir mehr bedeutet als alles andere? Im nächsten Moment frage ich mich, was zum Teufel mich geritten hat. Was soll ich denn ohne den Sheriff? Er ist mein Weg zu Macht und Status. Und was Marian betrifft...dieser Traum ist für immer ausgeträumt. Sie hat sich nie für mich interessiert, alles was sie von mir wollte-

Ich fühle mich so elend wie noch nie, fühle mich wieder wie damals, als ich nach dem Tod meiner Eltern begriff, dass sich nun alles ändern würde. Ich fühle mich, als wäre mir der Boden unter den Füssen weggezogen worden, als würde ich fallen, fallen, immer tiefer...Alles ist falsch und verkehrt. Ich verstehe das nicht, ich verstehe es einfach nicht. Für einen Augenblick möchte ich einfach nur jemanden haben, der mich versteht und ernst nimmt, der mir zuhört, der mich mag und sich um mich kümmert. Jemanden, der mich liebt. Jemanden wie Marian.

Aber jetzt habe ich niemanden mehr. Niemanden ausser dem Sheriff und er interessiert sich nicht für mich. Für ihn bin ich nur ein nützlicher Diener. Einer unter vielen. Dennoch- Er ist mein Garant für eine sichere Zukunft...eine Zukunft die ich mit Marian teilen wollte. Aber wenn ich meine Ziele erreichen will, darf ich ihn nicht hintergehen. Ich darf ihn nicht enttäuschen. Es führt kein Weg daran vorbei. Ich muss es ihm sagen.

„Es war Marian." Sonst schmeckt ihr Name in meinen Mund wie eine verbotene Delikatesse, die ich mir auf der Zunge zergehen lasse. Jetzt aber hat er den Geschmack von Gift, als ich ihn ausspucke. Es ist, als hätte sich die verlockende Frucht als verfault und verdorben entpuppt. Sie ist immer noch schön, immer noch verführerisch, doch nun weiss ich, dass ihr Genuss mein Verderben wäre...Vorher erschien mir Marian als Engel, nun sehe ich, dass sie eine Schlange ist. Wahrlich, beim Gedanken an sie weiss ich, wie sich Adam fühlte, als ihm Eva die Frucht vom Baum der Erkenntnis anbot. Und wahrlich- wie Adam bin ich dem Zauber der Frucht erlegen und habe davon gekostet. Nun aber sehe ich, dass sie giftig ist und ihr Genuss nur Schmerzen nach sich zieht...

Wie durch einen Nebel höre ich die Antwort des Sheriffs, gehässig wie immer, jedes Wort wie vergifteter Honig, Süsse, Mitgefühl heuchelnd, gleichzeitig aber manipulierend, Einfluss nehmend...gedämpft durch das Rauschen des Blutes in meinen Ohren.
Worte. Worte die sich in meinen Geist brennen, Worte die einen bitteren Nachgeschmack in meinem Mund hinterlassen. Jedes ist so wohlgesetzt wie ein Dolchstich und verursacht mir ebensolche Schmerzen.
Betrogen, nur benutzt...
Ich weiss, dass er mich manipuliert, ich weiss, dass er nicht will, dass Marian einen Einfluss auf mich hat, aber- hat er nicht recht? Ist nicht alles was er sagt, gerechtfertigt und wahr?

Ich spüre, wie die neuartigen Gefühle –Trauer, Schmerz, Reue, Schwäche- abgelöst werden durch altbekannte Emotionen; Wut und dem Wunsch nach Rache. Das Monster brüllt, weckt in mir den Wunsch nach Vergeltung. Die Worte des Sheriffs sind wie eine Faust, die sich immer enger um meine Kehle schliesst, mich würgen lässt, bis ich alles vergesse ausser dem Schmerz und dem Wunsch, dass jemand dafür bezahlen muss.

Dieses hinterhältige Weibsbild! Ihretwegen musste ein guter Mann unschuldig sein Leben lassen, wegen ihr hat uns Robin Hood immer wieder zum Narren halten können und wegen ihr fühle ich mich schwach, unstet und hilflos wie noch nie. Sie hat meine Gefühle nur ausgenutzt. Ihr habe ich mich geöffnet, für sie habe ich mehr empfunden als für Irgendjemanden sonst.

Sie jedoch hat mich nur benutzt, für sie war ich ein Mittel zum Zweck, ein Werkzeug, nichts weiter. Ein wertloses Ding, mit dem man sich abgibt, solange es nützlich ist und dann achtlos fortwirft. Jedes Lächeln, das sie mir geschenkt hat, diente einem Zweck. Sie hat mich angesehen, aber in Wirklichkeit hat sie mich verachtet und ausgelacht...Wenn sie meine Gefühle gesehen hat, war sie zufrieden, denn sie wusste, dass ich das tat, was sie von mir wollte. Die ganze Zeit hat sie mich manipuliert, mich wie eine Marionette benutzt, mich nach ihrem Willen tanzen lassen und ich war so blind...so blind. Ich habe es nicht gemerkt, habe es nicht merken wollen, obwohl Zeichen genug da waren.

Das kann ich nicht auf mir sitzen lassen, Guy of Gisborne, gedemütigt von einer Frau...
Sie hat mich behandelt wie einen Hund, aber das wird sie bereuen. Wie sie mich erniedrigt hat, werde ich sie nun demütigen. Sie soll betteln mit ihrer schönen Stimme, sie soll mich anflehen. Aber ich werde mich nicht mehr einwickeln lassen, ich habe sie durchschaut. Sie soll hoffen, aber ich werde sie enttäuschen. Ich werde nicht wieder auf sie hereinfallen. Nie wieder.

Robin/Marian One ShotWo Geschichten leben. Entdecke jetzt