Wir fuhren mit dem Fahrrad über die Feldwege, es dämmerte schon. Es war herrlich, ich hatte total vergessen wie schön es auf dem Land war. Auch wenn es in Köln schön war, beziehungsweise das was ich bis jetzt davon gesehen hatte, aber hier auf dem Land, dort wo ich aufgewachsen war fühlte ich mich am wohlsten.
Mir ging schnell die Puste aus. Keuchend fuhr ich neben Eva her, Felix war uns dicht gefolgt. "Die paar Tage haben dir ja anscheinend nicht besonders gut getan.", bemerkte Eva skeptisch, "Schon am schlapp machen?" "Weiß auch nicht.", brachte ich hervor.
Sie lachte:"Na dann musst du wohl gleich erstmal tanken!"
Als wir an der großen Wiese ankamen auf der schon ordentlich was los war, stiegen wir von unseren Rädern ab und stellten sie gegen einen Schuppen am Rand der Wiese.
In mir drin stieg die Aufregung.´ Wen würde ich alles treffen? Hoffentlich passierte nichts schlimmes. War es richtig gewesen hier her zu kommen?´
Ich sah mich unsicher zu Eva um. Sie nickte mir verstehend zu:"Wird schon werden, mach dir keine Sorgen."
"Alles okay?", fragte Felix mich besorgt. "Ja alles ist gut.", ich zwang mir ein Lächeln ab. "Bist du sicher?" "Ja, bin nur ein bisschen aufgeregt, aber frag mich nicht wieso."
Aufmunternd sah mich Eva an:"Komm schon, wir gehen jetzt!"
Wir schritten zu der Menschenmenge die sich um einen Bierwagen und ein Zelt versammelt hatte.
Links von mir ging Felix und rechts von mir Eva.
Ich seufzte.
Felix sah mich fragend an:"So schlimm?" Ich nickte. Vorsichtig nahm Felix meine Hand. Es fühlte sich angenehm und irgendwie richtig an. Allmählich entspannte ich mich wieder. Etwas schüchtern und doch sehr dankbar sah ich ihn an.
"Josie? Da ist Jan, lass mal dahin gehen?", fragte Eva mich. "Öhm, ja klar warum nicht."
Wir gesellten uns zu den Leuten die mit Jan, einem Kumpel den wir vor Jahren auf einer Party kennengelernt hatten, im Kreis standen.
"Hey, Eva! Hey Josie!", begrüßte Jan uns. Sein Blick wanderte zu Felix, dann zu mir, dann zu unseren Händen und dann wieder zu mir. Er begann zu lächeln und ich lächelte einfach zurück. Nachher würde ich das ganze klarstellen. Jetzt allerdings brauchte ich jetzt erstmal ein Bier.
Ich konnte gar nicht so schnell gucken, wie ich eins in der Hand hatte. Erst eins, dann das Zweite und schnell waren es Fünf.
Mittlerweile war es dunkel geworden und es war brechend voll von Menschen in meinem Alter.
Wir standen immer noch mit Felix, Eva und Jan in einem Kreis, nur die anderen Leute hatten sich in der Zwischenzeit ausgetauscht.
Auf dem Boden lagen Biergläser, die sich im Licht der Scheinwerfer spiegelten.
"Ich hol die nächste Runde Schnaps!", rief Eva und lief sofort los. Ich hatte mich leicht gegen Felix gelehnt und unterhielt mich mit Jan. "Bist du denn dann bald wieder hier? Ich meine es ist Sommer, da hilfst du doch meistens auf den Feldern aus, was sollen die Bauern sagen, wenn du aufeinmal nicht mehr da bist.", lachte er.
"Ich hoffe doch, dass ich bald wieder hier bin!" Felix verkrampfte sich etwas:"Du darfst aber noch nicht gehen!"
Eva kam mit den Schnäpsen in der Hand wieder und reichte uns allen einen.
Plötzlich schubste jemand Jan von hinten. Er drehte sich verwirrt um. Stefan stand hinter ihm und grinste triumphierend. Er hatte sich kaum verändert, trug immernoch die selbe Brille auf der Nase, hatte immer noch die gleiche Frisur und trug auch immer noch die gleiche Uniform.
Als er mich erblickte wurde sein Grinsen breiter und er kam auf mich zu, stockte jedoch als er Felix sah und dass er meine Hand hielt. Sofort ließ ich sie los.
"Stefan!", quiekte ich vor Freude. Wieder grinste er und nahm mich in den Arm. Einen Moment zu lange. Ich kuschelte mich ein wenig an ihn ran. "Ich hab dich vermisst.", hauchte er mir ins Ohr. Mir stieg die Röte ins Gesicht und war froh, dass niemand es sehen konnte.
Wir lösten uns voneinander und ich wich einen Schritt zurück, so dass ich wieder neben Felix stand.
Dieser griff wieder nach meine Hand, doch ich entzog sie ihm. Es tat mir irgendwie leid, aber ich konnte nicht.
Um uns herum war es still geworden, alle starrten uns an. Ohne Vorwarnung drehte Stefan sich um und ging. Was war das denn jetzt? Irgendetwas zog sich in meinem Bauch zusammen. Erst jetzt bemerkte ich den Schnaps den ich noch in der Hand hatte und kippte ihn runter.
"Ich geh neuen holen.", brummte ich.
"Was darf´s sein?", fragte mich eine junge Frau auf dem Bierwagen. "Sieben Maracuja- Schnäpse, bitte." "Bist du denn schon alt genug?" Genervt schaute ich sie an:"Ja!"
Mit so einer pampigen Antwort hatte sie nicht gerechnet und begann perplex sieben Gläser zu füllen.
Natürlich war ich nicht alt genug, aber es hatte bis jetzt noch nie jemanden interessiert, ob ich vierzehn war oder siebzehn.
"Läuft da was?", laberte mich jemand von der Seite an. Ich erkannte ihn. Mein Herz rutschte mir in die Hose. Für einen kurzen Augenblick verlor ich die Fassung.
"Wüsste nicht, was dich das angeht.", blaffte ich ihn an.
"Sind wir etwa zickig heute?" Ich schüttelte den Kopf:"Du hast doch keine Ahnung, lass mich einfach in Ruhe, Max!"
Er lachte:"Ich kenne dich glaube ich besser als jede andere Person hier, tu nicht so."
Die Frau stellte die Schnäpse vor mich, ich nahm das Tablett und zahlte.
Ich maschierte entschlossen zurück zu Felix und Eva.
"Du liebst ihn nicht!", hörte ich ihn hinter mir her rufen. Ich ignorierte ihn.
Danke Schicksal, dass du mich ihm über den Weg hast laufen lassen! Ich hätte wissen müssen, dass er auch da ist. Schließlich haben wir uns hier kennengelernt. Ich verwarf den Gedanken, Max war es einfach nicht wert, sagte ich mir.
Noch eine Weile standen wir da und unterhielten uns, zwischendurch kam auch Marie, sie war mir auch sehr ans Herz gewachsen.
Ich spürte den Alkohol deutlich, ich begann schon ein wenig zu lallen und kicherte die ganze Zeit. Felix schien sich wieder beruhigt zu haben und amüsierte sich über meine nicht mehr existierende Selbstwahrnehmung.
"Felix, du bist schbon nen Netten! Und dass du es mit meinem Bruder aushälst rechne ich dir hoch an. Hihi!" "Josie du bist echt zum schießen, wenn du betrunken bist.", flüsterte er mir ins Ohr.
"Ich bin nicht zum schießen!.", schmollte ich. Alkohol ließ meine Emotionen immer sehr extrem werden und verstärkte sie.
Eva sah uns belustigt zu:"Ihr zwei seid echt so witzig, das müsste jemand filmen."
Eine mir bekannte Gestalt huschte durch mein Blickfeld.
"Eva! Pass mal auf Felix auf! Und Felix? Pass mal auf Eva auf. Geht nicht weg!" Dann rannte, oder eher stolperte ich los.