Ich habe Thor dazu bewegen können, zumindest die Armrüstung und den Umhang abzunehmen, doch er bestand darauf, den Hammer mitzunehmen. Diesen trägt er nun, als altmodischen Regenschirm getarnt, die Straßen entlang. Ihm scheint auch in keiner Weise kalt zu sein. Bei einem Seitenblick auf seine Armmuskeln frage ich mich, ob wir überhaupt einen Pullover finden können, der ihm passt.
»Was hältst du von dem hier?«, frage ich und halte ein Holzfällerhemd hoch. Wir müssen wohl oder übel bei dem Du bleiben, sonst fliegt unsere Tarnung bei Jenna auf.
Thor hat sich mittlerweile an den Sonnenbrillen zu schaffen gemacht. Er dreht sich zu mir um, die Augen hinter einer sternchenförmigen Porno-Star Brille verborgen. »Hm?«
»Nein, du hast recht, gar nicht dein Stil.« Ich durchforste die Kleiderständer, »bloß keine Skinny-Jeans«, murmelnd. Ich komme mir vor, als müsste ich für ein kleines Kind einkaufen. Doch schon bald haben wir ein annehmbares Outfit zusammengestellt. Eine abgetragene Jeans, ein T-Shirt mit undefinierbarem Aufdruck, ein graues Sweatshirt und eine Jacke. Mehr bekommt man wohl in einem Second-Hand-Laden nicht.
Ich drücke dem Kassierer Mrs Guptas Geld in die Hand, denn Thor scheint keins dabei zu haben. Dabei müsste sich das Gold in Asgards Verliesen geradezu stapeln.
Im Tesco schmeiße ich schnell alle Sachen, die Jenna in ihrer hastigen Handschrift auf den Einkaufszettel gesetzt hat, in einen Korb. Thor kommt mir mit einem Sixpack Grapefruitsaft entgegen. Ich versuche gar nicht erst, ihn davon abzubringen, aber tragen muss er es trotzdem allein. Plus zwei Tüten in der anderen Hand, was hingegen für mich vom Vorteil ist.
Das Abendessen stellt sich als große Herausforderung heraus. Natürlich will Jenna wissen, warum Thor – ich meine natürlich Gunnar – hier ist, was er denn bei sich Zuhause so macht, wie die Verwandtschaftsverhältnisse denn jetzt stehen, wann genau wir am Montag nach Oxford fahren. Danach bin ich so erschöpft, dass ich auf meine Matratze falle und mir gerade so viel Zeit bleibt, die Nachttischlampe auszuschalten, bevor mir auch schon die Augen zufallen.
Ich träume nicht. Ich kann mich nicht daran erinnern, wann ich das letzte Mal geträumt habe. Es muss noch vor dem Fluch gewesen sein. Jede Nacht tauche ich ein in die Dunkelheit und erwache am nächsten Morgen, ohne etwas geträumt zu haben. Es ist nicht so, als würde mir nur die Erinnerung an den Traum fehlen, nein, es ist der Traum selbst.
Und so schlage ich erst die Augen auf, als ich Geräusche von nebenan vernehme. Ich streife mir meinen Morgenmantel über und gehe in die Küche.
»Ich habe Frühstück gemacht«, sagt Thor und präsentiert stolz drei Müslischalen und eine Packung Cornflakes, die auf dem Tisch stehen.
»Wow, das ist... nett«, sage ich müde und reibe mir über die Augen.
Die Badezimmertür öffnet sich mit einem Schwall Shampooluft. Ich weiß, dass Jenna heute arbeiten muss. Was soll ich den ganzen Tag mit Thor anstellen? Ich könnte unsere Fahrt nach Oxford vorbereiten. Vielleicht sogar meine Mutter anrufen, um sie vorzubereiten. Doch meine Lust, das zu tun, hält sich in Grenzen.
DU LIEST GERADE
Lethargy | ᵗʰᵒʳ ᵒᵈⁱⁿˢᵒⁿ
Fanfiction⟫ Ist es tatsächlich eine Gabe? Oder doch eher ein Fluch? ⟪ ⟫ Niemand in den neun Welten könnte je so zornig auf dich sein, um sich mit einem Fluch an dir rächen zu wollen ⟪ ᴘᴏꜱᴛ ᴀɢᴇ ᴏꜰ ᴜʟᴛʀᴏɴ - ɪɴꜰɪɴɪᴛʏ ᴡᴀʀ Eira steht vor einem...