1 | Telefonate

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Auf der Themse schippern Schiffe mit Touristenladungen umher, die aufgeregt Fotos von Londons Sehenswürdigkeiten machen

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Auf der Themse schippern Schiffe mit Touristenladungen umher, die aufgeregt Fotos von Londons Sehenswürdigkeiten machen. Ich ziehe die Nase hoch, suche in meiner Manteltasche nach einem Taschentuch. Dafür lege ich das Skizzenbuch neben mich auf die Kaimauer. Der Herbst ist dieses Jahr früh nach England gekommen, und mit ihm der Regen und die Erkältungszeit. Heute ist es trocken geblieben, aber wer weiß, wie lange das Wetter hält. Ich ziehe meinen roten Schal etwas höher und reibe die Hände aneinander.

Mein Handy klingelt. Ich fische den uralten Knochen hervor und gehe ran. »Anderson?«

»Er hat schon wieder angerufen.«

Ich seufze, wechsele das Telefon in die linke Hand und beginne, den Zeichenkram in meiner Umhängetasche zu verstauen. »Jenna, ich hab mit ihm geredet, mehrfach, glaub mir, und er hat versprochen, mir nicht mehr auf die Nerven zu gehen–«

»Wieso hast du ihm überhaupt meine Telefonnummer gegeben?«, werde ich unterbrochen.

»Die konnte ich auswendig. Wer kennt heutzutage noch seine eigene Telefonnummer?«

»Eine Menge Leute. Vielleicht solltest du dir das auch angewöhnen.«

»Okay, ich... ich komm jetzt nach Hause. Und falls er nochmal anruft, gehe ich ran. Und kläre das endgültig. Wenn das nicht klappt, musst du dir wohl ein neues Festnetz-Telefon anschaffen.«

»Das bezahlst dann aber du, damit das klar ist«, sagt Jenna missmutig, dann legt sie auf.

Mittlerweile laufe ich über die Westminster Bridge in Richtung U-Bahn-Station. Schnell ziehe ich mir noch die dunkelbraunen Wollhandschuhe über und knöpfe meinen Mantel zu. Es ist tatsächlich ziemlich kalt.

Als ich in Jennas Wohnung ankomme und gerade die Tür hinter mir schließe, kommt sie mir bereits entgegen. In ihrer Hand hält sie ein klingelndes Telefon.

»Jetzt geh schon ran«, fordert sie mich ungeduldig auf.

Ich seufze. Kann ich nicht wenigstens erst einmal ankommen, meinen Mantel ausziehen und mir einen Tee machen? Natürlich nicht.

Jennas angespannte Miene verheißt nichts Gutes. Ihre dunklen Haare sind zu einem hohen Dutt gebunden, und den Farbflecken auf ihrer Wange zu urteilen, war sie bis vor kurzem dabei, das Wohnzimmer zu streichen.

Ich stelle meine Tasche auf den Boden und nehme ihr das Telefon ab. Sie bleibt mit verschränkten Armen im Flur stehen.

»Was gibt's, Ray?«, nehme ich den Anruf an. So viele Telefonate heute. Daran ist nichts erstrebenswert.

»Guten Abend, Miss Anderson, ich wollte Sie nur darüber informieren, dass Sie in ihrer Ratenzahlung weit zurückliegen«, leiert die Stimme herunter.

»Ratenzahlung?« Ich ziehe die Augenbrauen zusammen, auch wenn der Mann am anderen Ende der Leitung das natürlich nicht sehen kann.

»Für den mattschwarzen Toyota Corolla, den Sie vor sieben Monaten bei uns auf Raten gekauft haben. Miss Anderson, wir erwarten die Zahlung bis Ende des Monats, sonst werden wir mit unserem Anwalt in Kontakt treten.«

Lethargy | ᵗʰᵒʳ ᵒᵈⁱⁿˢᵒⁿWo Geschichten leben. Entdecke jetzt