9 | Das Geschenk

193 12 0
                                    


Die Zugfahrt nach London legen wir schweigend zurück

Hoppla! Dieses Bild entspricht nicht unseren inhaltlichen Richtlinien. Um mit dem Veröffentlichen fortfahren zu können, entferne es bitte oder lade ein anderes Bild hoch.

Die Zugfahrt nach London legen wir schweigend zurück. Zwar sieht Thor die meiste Zeit über so aus, als würde er gerne ein Gespräch anfangen wollen, doch ich verstecke mich hinter meinem Skizzenbuch, sodass er keine Chance hat.

Jenna ist vermutlich noch auf Arbeit, daher sind Thor und ich alleine in der Wohnung. Da ich aber keine Lust auf Brettspiele habe, setze ich mich an den Schreibtisch im Wohnzimmer und mache es mir zur Aufgabe, eine Zugverbindung nach Dorset rauszusuchen. Gar nicht so einfach. Das wird eine lange Fahrt, die überhaupt nicht in meinem Budget liegt. Aber was soll ich tun? Meine Mutter um Geld bitten? Ganz sicher nicht. Jenna? Nein, sie hat gesagt sie leiht mir nichts mehr. Und Thor? Der scheint kein Bargeld bei sich zu haben. Ich will nichts stehlen. Das ist nicht meine Art, und mein Handwerk schon gar nicht. Da fällt mir Mrs Guptas Kette ein, die noch in meiner Manteltasche verstaut ist. Möglicherweise kann ich daraus noch ein wenig Geld schlagen.

Ich bin so in Gedanken vertieft, dass ich den merkwürdigen Geruch zwar erfasse, ihn aber nicht einordnen kann. Doch es wird schlimmer. Ich rümpfe die Nase und blicke vom Computer auf. Durch den Türrahmen habe ich einen guten Blick in die Küche, aus der gerade hellgrauer Dampf in den Flur quillt. Jetzt erkenne ich den Gestank. Etwas verbrennt gerade.

Ich stürze in die Küche, um eine dampfende Pfanne vorzufinden, daneben Thor, der sich ratlos am Kopf kratzt. Schnell schiebe ich die Pfanne vom Herd in die Spüle, schließe die Küchentür und reiße das Fenster auf. Doch zu spät. Der Rauchmelder im Flur beginnt bereits sein ohrenbetäubendes Piepen.

»Das Rezept sprach davon, Öl in die Pfanne zu gießen«, sagt Thor.

»Aber doch nicht auf höchster Stufe!«, rufe ich, mir verzweifelt das Haar raufend. »Das ist jetzt auch egal, wir müssen irgendwie den Rauchmelder ausschalten.«

Diese Aufgabe wäre vielleicht leichter zu bewältigen, wären die Wände nicht an die drei Meter hoch. Da kommt sogar Thor nicht ran. Ich ziehe mir einen Stuhl in den Flur, und versuche darauf stehend, den Rauchmelder zu erreichen. Vielleicht klappt es mit einem Besen besser. Bevor ich jedoch vom Stuhl runterklettern kann, werde ich noch höher gehoben. Zwei Hände greifen nach meinen Waden, und mit Thors Hilfe schaffe ich es tatsächlich, diesen nervigen Rauchmelder auszuschalten. Als wäre ich ein Kleinkind umfasst Thor meine Taille und setzt mich ohne Mühe zurück auf den Boden.

Ich wiege zwar keine dreihundert Pfund, aber Mann, dieser Typ muss wirklich verdammt stark sein.

»Das war dumm von dir«, tadele ich ihn.

»Ich habe nur versucht, etwas zu kochen.«

»Du hast beinahe die Küche abgebrannt.«

»Aber nur beinahe.«

Ich binde mir die Haare zu einem Zopf. Ein Seufzer verlässt meine Lippen. »Ich helfe dir. Wir kochen das Rezept zusammen weiter, bevor du noch mehr anbrennen lässt. Das würde Jenna gar nicht gefallen.«

Lethargy | ᵗʰᵒʳ ᵒᵈⁱⁿˢᵒⁿWo Geschichten leben. Entdecke jetzt