34 | Höhenflug und Fall

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Max.

Da saß er.

Die Haare verstrubbelt vom Duschen und in der Hand einen Becher mit Tee, den er nachdenklich im Kreis schwenkte.

Der Moment der Stille nach einem lauten, elektrisierenden Konzert war Fluch und Segen zugleich. Gab ihm einerseits die Ruhe, die er brauchte, um wieder Boden unter den Füßen zu spüren und zurück in die Gegenwart zu finden, nachdem er knapp zwei Stunden in musikalischen und hormonellen Höhen geflogen war. Ließ ihn aber andererseits in ein Loch fallen.

So hoch er während seiner Konzerte flog, so tief war häufig der Fall danach. All die Energie, die durch die vielen mitfiebernden Menschen und die Musik entstanden war, war verpufft, all die Glückshormone weggeflattert und das letzte bisschen Adrenalin in seinen Adern verglomm gerade.

Seufzend fuhr er sich durch die immer noch feuchten Haare.

Er vermisste sie.

Sehr.

Auf den ersten Konzerten der Tour hatte er in die Menge geschaut und sich ihr Gesicht dort vorgestellt. Als würde er nur für sie auftreten, nur für sie rappen, nur für sie wie ein Irrer über die Bühne hüpfen.

Danach, als er in die Kabine gekommen war, wollte er sie jedesmal anrufen. Aber dann hatte er sich an ihre letzte Begegnung erinnert, ihre innige Umarmung mit diesem schmierigen Gockel...

Der Plastikbecher in seiner Hand knackte, weil er ihn unbemerkt zusammengepresst hatte und die warme Flüssigkeit lief an seinem Handrücken hinunter. Ach fuck, murrte er und schüttelte seine Hand aus, bevor er nach dem Handtuch neben sich griff und den grünen Tee von sich und dem Boden wischte.

„Ey Dicker, geile Show heute", ertönte da Stevens tiefe Stimme hinter ihm und eine Pranke klopfte auf seine Schulter.

Max starrte noch immer auf den Becher.

„Mhm", murmelte er nur.

Steven seufzte hörbar und zog dann einen Hocker heran, um sich vor Max niederzulassen.

„Was ist los mit dir, mhm?"

„Weißt du doch", nuschelte Max genervt.

Steven stieß laut die Luft aus. „Gehts konkret um Maja oder Sabrinas Kind?"

„Ist ja wohl beides scheiße", gab Max zurück, stand auf und donnerte den kaputten Becher in den Mülleimer.

„Max, du musst mal wieder klarkommen", sagte Steven eindringlich und beobachtete besorgt seinen besten Freund.

„Alles gut, passt schon", gab der nur wortkarg zurück und verschränkte die Arme vor der Brust.

Aber Steven, der Max schon kannte, als dieser noch im Berliner Plattenbau zu Hause gewesen war und sein Geld mit dem Verticken von Gras und gelegentlichen Diebstählen verdient hatte, durchschaute ihn sofort.

„Es ist überhaupt gar nichts gut. Seit Beginn der Tour rennst du hinter Bühne rum wie ein Geist, motzt alles und jeden an und bist überhaupt nicht mehr....Mann, man kommt überhaupt nicht mehr zu dir durch und es macht auch einfach keinen Bock mehr, deine schlechten Launen zu ertragen", brach es ungewollt heftig aus Steven heraus.

Max presste seine Lippen zu einem schmalen Strich zusammen. Steven hatte Recht. Er war zur Zeit unerträglich und das hatten seine Jungs nicht verdient.

„Ich..ich weiß nicht, was ich machen soll", sagte er dann leise.

Steven stand auf und trat auf ihn zu.

Sonne und Mond (Kontra K)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt