"Du hättest wirklich da sein müssen, Lando. Du hättest das auf jeden Fall direkt verstanden!", versicherte mir Derek und lehnte sich auf der Couch zurück.
"Nicht wie Derek", kicherte dann Jack und brachte so auch noch die restlichen zwei, James und Elliot zum Lachen. Ich setzte mir ebenfalls ein Lächeln auf, auch wenn ich noch immer nicht den Witz an der ganzen Situation verstand. Aber ehrlich gesagt war ich solche Gefühle mittlerweile gewöhnt. Seit Monaten schon fühlte ich mich nicht wirklich mehr als Part dieser Gruppe, selbst wenn die Erkenntnis jedes Mal aufs Neue schmerzte. Elliot, James, Jack, Derek und ich, das war die Gruppe schlecht hin, während der Grundschule und auch noch auf dem Gymnasium hatten wir immer zueinander gehalten. Zumindest bis ich die Schule für den Motorsport abgebrochen hatte. Zwar hielten wir Kontakt, aber nach und nach nahm ich eine immer unwichtigere Rolle ein. Mittlerweile hatten sie tausend Insider ohne mich, hatten tausend Geschichten, die ich nur gehört, aber nicht miterlebt hatte. Ich konnte es ihnen nicht einmal verübeln, denn sie taten es nicht mit Absicht. Es war ein absehbares Ereignis, wenn man bedachte, dass ich fast ein dreiviertel Jahr um den Erdball herumreiste, während sie immer gemeinsam hier in Bristol studierten. Dennoch tat es deswegen nicht weniger weh. Vor allem, weil ich auch mehr und mehr merkte, dass, selbst wenn wir wieder viel Zeit zusammen verbringen würden, ich vermutlich nie wieder so eng mit ihnen wäre, wie früher. Als Personen waren wir einfach so unterschiedlich geworden. Wir hatten einen unterschiedlichen Humor, wir hatten unterschiedliche Prioritäten und Ziele im Leben. Ich wollte die ganze Welt sehen, sie wollten am liebsten in ihren eigenen vier Wänden bleiben. Ich wollte fast alles gewinnen, was möglich war, sie wollten von Party zu Party wandern. Sie redeten die ganze Zeit über hübsche Mädchen, ich wollte die ganze Zeit über heiße Männer reden. Ich konnte meinen vier angeblich besten Freunden nicht einmal sagen, dass ich schwul war. Ich konnte mich vor ihnen nicht einmal outen. Das sagte ja wohl alles über unsere Beziehung aus. Sie bestand nur noch aus Erinnerungen und war der jämmerliche Versuch an etwas vergangenem festzuhalten, was wir nie wieder erreichen würden. Das war deprimierend.
Während Derek weiter über die lustigen Ereignisse aus dem Studium berichtete, zückte ich nebensächlich mein Handy und erblickte dabei eine Nachricht von George.
'Na? Wie geht's, wie steht's?', fragte er fast schon dümmlich, aber ich wusste, dass es ihm eigentlich um meine Freunde ging. Ich hatte ihm gestern einen elendig langen Vortrag darüber gehalten, wie ausgeschlossen ich aus der Gruppe war. Zwar hatte der Ältere versucht mich aufzumuntern, aber es hatte nie wirklich geklappt.
'Genauso beschissen, wie ich es gesagt habe', schrieb ich ihm zurück. Kurz blickte ich auf und nickte Derek zu, als Zeichen, dass ich ihm angeblich zuhören würde, was ich in Wahrheit aber gar nicht tat.
'Wenn dir das Treffen keinen Spaß macht, dann geh doch einfach!', schrieb George. Innerlich rollte ich mit den Augen. Ich konnte meine Freunde ja nicht einfach grundlos verlassen, wo das Treffen schon seit einigen Wochen feststand. Oder? Würde es ihnen überhaupt etwas ausmachen, würde ich gehen? Ich hatte nicht das Gefühl, als ob sie mich vermissen würden, dennoch wollte ich keinen Streit provozieren.
'Ne, ich halte das schon durch!', antwortete ich George, bevor ich mein Handy abschaltete und mich dann versuchte auf Dereks Stimme zu konzentrieren, damit er mich nicht ertappte, dass ich ihm nicht zuhörte.
"Lando, was ich dich letztens schon fragen wollte. Hast du jetzt eigentlich eine Freundin?", schaltete sich dann auch James zurück ins Gespräch. Ich brauchte einige Sekunden, um mich in Verbindung mit einem Mädchen zu bringen, da mich so lange niemand mehr danach gefragt hatte. Im Paddock hatte ich mich zu Beginn der Saison geoutet und seither war auch für jeden klar, dass ich niemals eine Freundin haben würde, aber Bristol war anders. Hier hatte ich mich noch nie geoutet und die Frage kam ständig. Ich würde mich nie daran gewöhnen, zeitgleich hatte ich aber auch keine wirkliche Lust den ganzen Prozess eines Outings noch einmal durchzugehen, wo ich hier so oder so kaum Zeit verbrachte.
"Ne", antwortete ich knapp: "Zu viel zu tun"
"Ah", nickte James, auch wenn seine Augen pure Skepsis ausstrahlten. Vermutlich dachte er, dass ich ihn anlog, was ich nicht tat.
Ich versuchte mich immer mehr ins Gespräch zu integrieren, auch wenn es mir nie wirklich gelang. Das Thema Mädchen blieb größtenteils außen vor, wofür ich mehr als Dankbar war, denn ich hatte keine Lust mir irgendwelche plausibel klingenden Erklärungen, warum ich Single war, zu finden. Ein kleiner Teil von mir freute sich dann auch, als die Uhr endlich sechs Uhr schlug und ich somit ruhig gehen konnte.
"Schade, dass du schon gehst. Vielleicht sieht man sich ja noch die Tage", meinte Jack zum Abschied, als ich mich gerade aus dem Polster meines Sessels hievte. Ich schenkte ihm bloß ein Lächeln, um mich nicht festzulegen, da ich eigentlich keine Lust hatte, mich noch einmal mit ihnen zu treffen. Es war doch nur ein einziges Trauerspiel.
Ich verabschiedete mich von meinen anderen Freunden, bevor ich mich aus dem Haus begab und mir dabei ein trauriges Gesicht aufsetzte, auch wenn ich eigentlich erleichtert war endlich raus zu können. Ich winkte ihnen noch zu, bevor ich mein Fahrrad aufschloss und mich auf den Weg nach Hause machte.
Auf dem Weg begegnete ich einigen bekannten Gesichtern, die auch hier in der Siedlung wohnten und nickte ihnen zu, doch ließ mich davon nicht aufhalten. Draußen war es frostig geworden, sogar die Daunenjacke, in die ich eingehüllt war, wärmte mich nicht wirklich. Ich hatte das Gefühl, als würden an meiner Nasenspitze und an meinen Zehen Eiszapfen hängen. Ich beschleunigte mein Tempo noch einmal und raste über die Hauptstraße und die vielen Seitenstraßen, bis ich endlich vor dem Häuserblock ankam, in welchem ich wohnte. Das Appartement war nicht wirklich groß, aber ehrlich gesagt war ich auch kaum da. Ich wollte einfach aus meinem Elternhaus raus, um unabhängiger zu sein, aber ich brauchte nicht das pompöse Penthaus mit Ausblick auf Wolkenkratzer.
Ich schob mein Rad in einen freien Fahrradständer und schloss es ab, bevor ich mich, mit den Schlüssel in der Hand, auf den Weg zur Eingangstür machte. Ich war völlig vertieft in das Klimpern der Schlüssel, sodass ich im ersten Moment die Person, die auf der Treppe saß, gar nicht bemerkte. Erst, als sie meinen Namen aussprach, wurde ich aufmerksam. Ich blickte auf und entdeckte sofort George, der auf der letzten Stufe kauerte.
"Heyo", lächelte er breit, wie man es von ihm gewohnt war. Ich riss meine Augen auf und blieb abrupt stehen.
"Was machst du denn hier?", fragte ich verdutzt. Der Ältere erhob sich von der Treppe und schlug sich den Dreck vom Hintern.
"Einem Freund den Tag verschönern!", erklärte er, als sei es das selbstverständlichste der Welt. Ich blickte ihn weiterhin überrascht an und war verstummt.
"Du hast dich in deinen Nachrichten so traurig angehört und ich war gerade so oder in der Nähe, dann habe ich mir gedacht, dass ich dich auch besuchen kommen kann!"
"A... ich... hä ich dachte du seist in Zuhause!", stammelte ich dann planlos vor mich hin. Mick schüttelte direkt seinen Kopf.
"Ich fliege erst nächste Woche. Jetzt toure ich hier noch etwas herum, mit meiner Family. Aber ehrlich gesagt habe ich nur auf den perfekten Moment gewartet, um mich endlich von ihnen losreißen zu können!"
Er quittierte diese Aussage mit einem leisen Lachen. Ich schüttelte schließlich meinen Kopf, um mit meinen Gedanken zurück auf die Erde zu kommen.
"Und du bist extra für mich hierher gekommen?", fragte ich berührt. George nickte. Ich sah ihn an und konnte dann nicht anders, als ihm um den Hals zu fallen. Lachend warf er seine Arme um mich und zog mich an sich.
"Ich hab dich echt nicht als Freund verdient!", gab ich dann zu. Ich presste mein Gesicht in seine Halsgrube.
"Wow, deine Nase ist arschkalt!", stellte George sofort fest.
"Mir ist auch arschkalt", gab ich direkt zu Antwort.
"Dann lass uns doch rein. Kein Grund hier draußen zu frieren, sonst wirst du mir noch krank!"
Mit diesen Worten löste sich der Größere von mir, ohne einen Arm von meinem Körper zu nehmen. Er schob mich in Richtung der Tür, die ich sogleich versuchte zu öffnen, aber meine Finger zitterten, durch die Kälte bedingt, so sehr, dass es mir unmöglich war. George bemerkte dies auch recht schnell und nahm mir diese Aufgabe dann netterweise ab.
Wir schlüpften beide in das Haus, dessen Treppenhaus genauso von Kälte regiert wurde. Schnell fitzte ich in die erste Etage, gefolgt von George, der mir hinterhereilte. Er schloss auch die Tür in mein Appartement auf.
"Ist jetzt nicht sonderlich aufgeräumt!", warnte ich ihn vor, als ich eintrat. Ich pustete heiße Luft in meine Hände und rieb sie aneinander, damit so schnell wie möglich das Gefühl des Frierens meinen Körper verließ, denn es war einfach grauenhaft. George schien mit der weit besser klarzukommen, als ich, denn er schüttelte sich nur einmal kurz und dann war ihm scheinbar warm genug.
Während wir aus den Schuhen schlüpften und die Jacken auszogen, warf ich immer wieder einen prüfenden Blick zu George, ob er auch wirklich da war. Es war einfach so unfassbar lieb von ihm, dass er extra für mich hierher gekommen war, um nach mir zu sehen.
"Möchtest du was trinken? Wir können uns auch was zu Essen bestellen!", bot ich an.
"Ein Wasser reicht mir aus, wenn du das überhaupt da hast. Sonst geht natürlich auch Milch", meinte George mit einem belustigten Unterton.
"Ha-ha", grummelte ich und streckte ihm die Zunge raus. George, Charles und Alex würde es wohl nie langweilig werden Witze über meine Liebe zu Milch zu machen.
Ich schlürfte durch das Wohnzimmer in die Küche, während ich beobachtete, wie sich George auf die Couch fallen ließ. Ich holte mir selbst ein Glas Milch, schüttelte George Wasser ein und kam dann wieder zurück.
"Tatsächlich Wasser gefunden!", stellte er mit gespielter Überraschung klar, als er das Glas annahm. Ich rollte bloß mit den Augen, während ich über seine Beine hinweg stieg.
"Wie war es jetzt eigentlich bei Jack und wie die alle heißen?", fragte er dann. Ich nahm eines der vielen Sofakissen auf meinen Schoß und begann mit der freien Hand an dessen Fransen zu spielen, während ich mit der anderen immer wieder am Glas nippte.
"So wie ich dir geschrieben habe: Beschissen. Es ist einfach nicht mehr wie früher. Wir sind völlig unterschiedliche Menschen und die vier sind sich jetzt viel enger und ich bin halt irgendwie dabei, aber irgendwie auch nicht!"
Ich ließ ein frustriertes Seufzen über meine Lippen kommen und pinnte meinen Blick dann vor mir auf den Couchtisch, worauf meine Füße lagen. Für einige Sekunden wurde es still um George und mich, bis er mich dann mit seiner Schulter anstupste.
„Sowas passiert. Meine Mum sagt immer, dass das Teil vom Erwachsen werden ist. Freunde finden, aber auch Freunde verlieren!", sprach er mir gut zu.
„Ich will sie aber nicht als Freunde verlieren!", jammerte ich. Ich sah auf zu George, der mich mitleidig musterte.
„Vielleicht wirst du sie auch nicht als Freunde verlieren, aber eben als beste Freunde. Dahingehend musst du ja auch differenzieren. Eine beste Freundschaft zu pflegen ist viel schwerer und ganz ehrlich, ich habe auch alle meine besten Freunde hier aus England, als beste Freunde, verloren, aber wir sind trotzdem noch ganz gut befreundet.
Wir reisen nur so viel im Jahr umher, da ist es schwer den besten Freund am anderen Ende der Welt zu haben.", erzählte George. Ich seufzte wieder, diesmal eher traurig, als frustriert. Traurig, weil ich wusste, dass George eben recht hatte. Traurig, weil ich nicht wollte, dass George recht hat.
„Aber du hast ja Alex, Charles, Carlos und mich. Ist ja nicht so, als würdest du jetzt ganz alleine dastehen!"
Mit diesen Worten hob George seinen Arm, legte ihn um meine Schultern und zog mich näher zu sich. Mein Kopf fiel gegen seine Brust. Es wurde wieder still um uns, diesmal jedoch angenehm still.
Ich genoss Georges gleichmäßigen Herzschlag unter meinem Ohr und das gleichmäßige Heben seiner Brust.
„Ich konnte ihnen nicht einmal sagen, dass ich schwul bin", gab ich dann zu. Ich drehte mich zu George.
„Weil du ihnen nicht mehr so vertraust, wie früher. Außerdem ist das keine kleine Sache, das macht man nicht öfter, als man muss!"
„Woher weißt du denn, dass man sich nicht öfter outen will, als man muss!", lachte ich, weil George keine Erfahrung in diesem Bereich hatte. Immerhin war er nicht schwul.
George hielt inne und sah mich dann mit einem Blick an, der etwas wie Nervosität ausstrahlte, beigemischt mit Angst. Ich zog meine Augenbrauen zusammen.
„Ist was?", fragte ich dann möglichst ruhig, auch wenn ich das Gefühl hatte, als hätte ich gerade einen wunden Punkt bei George getroffen.
Meine Vermutung wurde zunehmend stärker, als er sich auf einmal aufsetzte, sodass ich gezwungen war meinen Kopf von seiner Brust zu nehmen. Ich hockte etwas perplex neben ihm.
„Stehst du doch auf Männer, oder wie?", platzte es dann aus mir heraus, da ich so ein Verhalten von mir früher kannte, als ich mich noch vor niemandem geoutet hatte.
George sah zu mir, mit einem Blick, der Antwort genug war.
„Ist doch nichts dabei!", lachte ich: „Ich meine, ich bin doch auch schwul!"
„Ja", murmelte George leise. Er stützte seine Ellenbogen auf seine Knie und beugte sich etwas vor.
„Seit wann weißt du denn, dass du schwul bist. Bist du mit wem zusammen?"
„Nein, ich.. ne, nicht zusammen!"
„Also bist du verliebt?"
Georges Augen gaben wieder einmal die Antwort.
„Wer ist es denn?", fragte ich neugierig, auch wenn ich nicht wusste, ob ich die Antwort wirklich kennen wollte. Es war mir schon seit längerem bekannt, dass ich was für George übrighatte, aber ich hatte mir eine Beziehung mit ihm direkt aus dem Kopf geschlagen. Bis vor fünf Minuten war er in meinen Augen schließlich nicht einmal schwul gewesen.
„Lando, ich... ich weiß nicht, ob wir das wirklich besprechen sollten!", murmelte George.
„Warum? Vertraust du mir etwa nicht?"
„Doch, aber... Lando, nicht mit dir", wiederholte er sich. Ich sah ihn für einige Zeit an, bevor es bei mir klick machte.
„Oh mein Gott", murmelte ich überrascht. George seufzte.
„Jetzt weißt du es", meinte er und wandte seinen Blick von mir ab. Ich wusste im ersten Moment nicht, was ich tun sollte und saß einfach nur da. Ich brauchte einige Sekunden um Georges Worte zu verdauen. Er liebte mich. Er war in mich verliebt.
„George", murmelte ich und rutschte dann näher zu ihm. Der Ältere zeigte keine Reaktion, sodass ich dazu gezwungen war, meinte Hand an seine Wange zu legen und seinen Kopf zu mir zu ziehen. Seine Augen trafen auf meine.
„Ich... ich hab mich auch in dich verliebt!", gestand ich dann. Georges Augen leuchteten sofort auf, was mir ein Lächeln ins Gesicht zauberte. Meine Finger strichen über seine Wange, dann fielen meine Hände in seinen Nacken. Ich wollte mich vorbeugen, als George sich zurückzog. Ich öffnete meine Augen.
„Lando, ich... ich stand mein Leben lang auf Frauen. Können wir das langsamer angehen?", fragte George verunsichert. Ich nickte sofort.
„Ja, ja klar"
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Formel 1 Oneshots || boyxboy
Fanfiction• 𝒃𝒐𝒚 𝒙 𝒃𝒐𝒚 • Oneshot Buch über Formel 1 Fahrer (boyxboy). Wünsche gerne ins dementsprechende Kapitel ✎ 𝘂𝗽𝗱𝗮𝘁𝗲𝘀 𝗷𝗲𝗱𝗲𝗻 𝗺𝗼𝗻𝘁𝗮𝗴 ☞ Start: 31.12.19 𝗙𝗮𝗻𝗱𝗼𝗺: 𝗙𝗼𝗿𝗺𝗲𝗹 𝟭, 𝗙𝗼𝗿𝗺𝗲𝗹 𝟮 𝘂𝗻𝗱 𝗙𝗼𝗿𝗺𝗲𝗹 𝟯