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Dad sieht mich mitleidig an und nimmt mich in den Arm. Auch Trina schaut mich traurig an, während sie den Kochtopf vom Herd stellt. Zwischen all den Schluchzern erzähle ich ihnen die Geschichte und beide hören aufmerksam zu. Eigentlich wollte ich es ihnen nicht erzählen, um ihnen das schlechte Bild von Peter zu ersparen, aber ich konnte einfach nicht anders. Und es tat zu meiner Überraschung gut darüber zu reden.
Bevor Dad etwas dazu sagen konnte, klingelt es an der Tür.

"Ich mach auf." Kitty, die die ganze Zeit unbemerkt auf der Treppe saß und lauschte, stürmt zur Tür und macht auf. Peter steht vor der Tür. Schnell wische ich mir die Tränen von den Wangen und schaue beschämt auf den Boden. Kitty baut sich vor ihm auf und will ihm gerade ihre Meinung pauken, als ich all meinen Mut zusammen nehme und aufstehe, um sie zurück zu halten. Ich schiebe meine kleine Schwester zur Seite und schließe die Tür hinter mir.

"Was willst du Peter?", frage ich ihn und versuche möglichst gleichgültig zu wirken. Das gelingt mir nicht besonders gut, denn der Kloß in meinem Hals lässt meine Stimme etwas befremdlich klingen.

"Können wir jetzt bitte reden, Lara Jean? Das war nicht so wie es ausgesehen hat, das schwöre ich dir!"

"Dann rede." Ich verschränke die Arme vor der Brust. Peter setzt sich mit einem gequälten Ausdruck auf dem Gesicht auf die Treppen und gibt mir ein Zeichen, dass ich mich neben ihn setzen soll. Mit etwas Abstand setze ich mich. Nervös spielt er mit einer Ecke seiner Jacke.

"Gestern Abend habe ich etwas zu viel getrunken, das mache ich eigentlich nie, das weißt du doch. Sara, das Mädchen, kam zu mir raus, ich wollte doch nur ein bisschen Luft schnappen, um nüchtern zu werden... Ich kenne sie aus dem einen Kurs. Man, ich hatte doch keine Ahnung. Anfangs haben wir uns normal unterhalten, aber dann hat sie mich einfach geküsst. Ich war einfach überrumpelt."

Mit aller Mühe halte ich die Tränen zurück, atme tief ein, bis ich mich wieder gefangen habe.

"So sah das aber nicht aus."

"Bitte, Lara Jean, du weißt, ich liebe nur dich. Das war ein Versehen, ich schwöre, das kommt nicht mehr vor. Wirklich." Er versucht nach meiner Hand zu greifen, doch ich ziehe sie weg.

"Wusste sie, dass du eine Freundin hast?"

Peter schweigt und schaut auf seine Füße. Langsam stehe ich auf.

"Falsche Antwort. Peter, wie kann ich sicher gehen, dass morgen nicht das nächste Mädchen dich küsst? Ich kann das nicht. Wir wohnen so weit auseinander, woher soll ich wissen, dass das nicht schon mal passiert ist oder eines der Mädchen dir dann doch besser gefällt als ich? Das war ein Fehler. Ich möchte dir nicht die Freiheiten eines College-Lebens nehmen."

"Ich schwöre, das war das einzige mal und auch das letzte Mal. Bitte... Für mich bist du die Einzige und ohne-"

"Peter bitte geh jetzt. Es ist aus." Ich drehe mich um, damit er nicht die einzelne Träne sieht, die sich den Weg über meine Wange bahnt. Ohne mich nochmal umzudrehen, schließe ich die Türe hinter mir. Ich höre noch, wie sein Auto angeht und er wegfährt. Also hat er auch nicht nochmal zurückgeschaut.

Mein Dad sieht mich besorgt an. Ich setze ein falsches Lächeln auf, das nicht meine Augen erreicht und erkläre, dass ich keinen Hunger habe. Als ich auf meinem Bett liege, hole ich mein Handy raus. Ich gehe auf Peters Kontakt. Sollte ich seine Nummer löschen? Nach langem zögern brachte ich es doch nicht übers Herz. Ich lege das Handy zur Seite und decke mich bis zum Kinn zu. Dann fange ich wieder hemmungslos an zu weinen.

Am nächsten Morgen wache ich auf und fühle wieder diese Leere. Ich fühle mich richtig beschissen und schleppe mich träge ins Bad, um mich etwas frisch zu machen. Die verquollen Augen versuche ich mit Concealer etwas abzudecken, was mir nicht wirklich gelingt.

Ich schleppe mich die Treppen nach unten, wo Dad und Trina gerade etwas essen. Wie viel Uhr war es eigentlich?

"Schatz, setz dich zu uns und iss eine Kleinigkeit." Dad schiebt den Stuhl neben sich zurück und winkt mir zu. Ich schüttele nur den Kopf und lege mich auf die Couch, um im Selbstmitleid zu versinken. Trina und Dad fragen nicht mehr nach, sie wirkten bei meinem Anblick etwas geschockt.

Nachdem Kitty mich von der Couch verjagt hat, weil sie unbedingt Fernsehen schauen wollte, packe ich die letzten Sachen für meine Rückfahrt an die UNC zusammen. Ich freue mich schon richtig auf die Autofahrt, weil ich mich dann auf etwas anderes als auf Peter konzentrieren konnte. Peter hat mir keine SMS geschrieben, wie ich es insgeheim gehofft hatte. Ich weiß, dass ich die richtige Entscheidung getroffen hatte oder rede es mir jedenfalls ein, dennoch tut es weh. Warum muss Liebe immer so weh tun?

Entschlossen greife ich nach meinem Rucksack und verabschiede mich von Kitty, Dad und Trina. Je näher ich der UNC komme, desto besser fühle ich mich. Ich brauche jetzt erstmal etwas Abstand von Peter, um mit der Situation klar zu kommen.

In meinem Wohnheim-Zimmer verfalle ich dann wieder meinen schlechten Gedanken. Bevor ich an die UNC gezogen bin, hätte ich im Traum nicht gedacht, dass wir uns so schnell trennen würden. Ich dachte, das erste Jahr würden wir problemlos überstehen und dann wäre ich im nächsten Jahr eh an die UVA gezogen. Ab dann wäre es einfach gewesen. Jetzt wird mir klar, dass es nicht so einfach geworden wäre. Die ganzen Mädchen, die ihn anhimmeln, hätten sich bestimmt nicht davon aufhalten lassen, dass seine Freundin an die UVA gewechselt wäre. Und jetzt wird mir auch klar, dass es mich nicht aufgehalten hätte, eifersüchtig zu werden. Vielleicht war es wirklich besser so. Wer weiß was in 10 Jahren ist? Vielleicht finden wir da durch Zufall wieder zusammen. Oder er ist mit dem Mädchen zusammen. Oh, was ich für einen Hass auf sie habe!

Seufzend setze ich mich auf und rufe Chris an.

"LJ!" Im Hintergrund dröhnt laute Musik und ich höre wie Chris noch schnell einer anderen Person antwortet, bevor sie sich wieder mir zuwendet.

"Was gibt's? Was macht die UNC? Hast du schon eine heißen Typen kennengelernt?"

Ich verdrehe die Augen. "Nein, ich habe noch keinen heißen Typen kennengelernt. Sag mal können wir reden?"

"WAS?" Chris schreit so laut ins Telefon, dass ich mein Handy etwas von meinem Ohr weghalten muss, um keinen Gehörsturz zu kriegen. "Ich verstehe dich so schlecht hier. Ist es was wichtiges?"

Ein schlechtes Gewissen macht sich in mir breit. Ich erzähle ihr lieber nichts, ich möchte ihr nicht unnötig zur Last fallen. Ihr scheint es ja aktuell gut zu gehen.

"Nein, nichts wichtiges."

"Okay. Sag mal können wir mal wann anders reden? Ist grad echt schlecht."

Ich stimme zu und wir verabschieden uns. Toll, noch nicht mal auf meine beste Freundin kann ich mich verlassen. Genervt lege ich mein Handy weg und beginne etwas aufzuräumen. Langsam bekomme ich etwas Hunger und mache mich auf den Weg, etwas zu kaufen. Nachdem ich eine Weile über den Campus spaziert bin, entscheide ich mich für Sushi und Summerrolls. Mit dem Essen im Gepäck gehe ich zurück in mein Zimmer. Ich bin froh, niemanden zu treffen, denn nach dem Gespräch mit Chris war mir nicht nach Smalltalk.

Abends meldet sich nochmal Dad, um sicher zu gehen, dass ich auch ja gut angekommen bin. Als ich das Licht ausschalte, fließen ein paar Tränen meine Wangen herunter. Was Peter wohl gerade machte?

Will you still love me tomorrow?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt