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Die letzte Ferienwoche genieße ich mit Peter und meiner Familie. Die Zeit verfliegt wie im Flug durch all die tollen Sachen, die wir unternehmen. Peter und ich waren das ein oder andere Mal essen, sind mit Kitty bowlen gegangen und haben einen Harry Potter Filmemarathon gemacht. Mit Dad und Trina war ich shoppen, wobei da Trina und ich mehr Spaß dran hatten als Dad, aber als wir dann zum Mittagessen kamen, war die Welt wieder in Ordnung.
Der letzte Tag, den ich zuhause verbringe ist angebrochen und ich habe noch viel zu viel vor für die wenige Zeit, die mir noch bleibt. Heute Nachmittag werde ich schon wieder an die UNC fahren, denn morgen ist schon Kennys Geburtstagsfeier. Ich bin schon vor neun Uhr wach und schreibe aufgeregt Peter, wann er heute vorbei kommt, denn er und meine Familie gehen heute noch Mittagessen, aber vorher wollte ich noch mit Peter in Ruhe einen Schokoshake im Corner Café trinken gehen. Ich weiß, dass er heute Morgen mit einem Kumpel aus der UVA noch Laufen ist und deswegen erst nach dem Frühstück antwortet, trotzdem muss ich alle fünf Sekunden ungeduldig auf mein Handy schauen. Um zehn antwortet er mir dann endlich, dass er sich nach der Dusche auf den Weg macht und ich gehe fröhlich ein Lied summend in mein Zimmer, um ein schönes Outfit herauszusuchen. Unzufrieden schiebe ich ein Kleiderbügel nach dem anderen zur Seite und erinnere mich dann, dass Margot ihr dunkelrotes Strickkleid an Weihnachten hier gelassen hat. Ich klaue es aus ihrem Schrank und bin mir sicher, dass es bis zu ihrem Besuch wieder im Schrank hängt. Das Kleid ist nicht tailliert, aber es macht mich dennoch nicht dick, es gefällt mir sogar ganz gut. Dazu kombiniere ich eine schwarze Strumpfhose und schwarze Boots mit kleinem Absatz. Ich sprühe noch schnell zwei Stöße Parfum, das erfrischend süß riecht, auf meine Haut und greife nach meiner dunkelgrauen Handtasche mit dem großen, weichen Bommel. Gerade als ich die Treppen herunterkomme, klingelt es an der Tür. Ich mache auf und Peter lächelt mich an.

„Wollen wir?", fragt er mich nachdem er mir einen schnellen Kuss gegeben hat und ich nicke zustimmend, während ich nach seiner Hand taste.

Im Corner Café ist es heute recht voll, sodass wir uns einen anderen Platz suchen müssen. Nur noch an der Theke sind zwei Stühle frei und wir setzen uns nebeneinander.

„Freust du dich auf das nächste Semester?", fragt er mich.

„Ja. Ich freue mich vor allem Yuna wieder zu sehen. Ich bin gespannt, was sie von ihren Ferien bei ihrer Familie erzählt. Und du?", frage ich zurück.

„Ich freue mich vor allem auf Lacrosse. Aber weißt du worauf ich mich noch mehr freue?"

„Hm?" Eigentlich kenne ich die Antwort schon.

„Darauf, dass du nächstes Jahr an die UVA wechselst und wir und endlich jeden Tag sehen können." Vor lauter Freude bekommt Peter ganz rote Wangen, was mein schlechtes Gewissen nur noch verstärkt. Innerlich seufze ich, denn nach wie vor habe ich mich weder für einen Wechsel noch dagegen entschieden. In meinem Studentenzimmer an der UNC liegen die Unterlagen und Anträge für den Wechsel, aber ich bin einfach nicht fähig, eine Entscheidung zu treffen, obwohl ich das in drei Wochen muss. Schon länger habe ich mir vorgenommen mit Margot darüber zu sprechen, aber ich schaffe es einfach nicht, denn dann müsste ich mich entweder für die UNC und meinen neuen Freunden und somit gegen Peter oder für meinen Freund, eine neue Uni und vielleicht auch einige Nachteile der Uni in Kauf nehmen. Beides hat seine Vor- und Nachteile, aber noch will ich mich nicht der Realität stellen. Auch wenn es eng mit der Abgabefrist wird.

„...und dann sehen wir uns bis spät abends. Ist das nicht toll, Covey?", erwartungsvoll sieht er mich an.

„Ja klar.", antworte ich und nicke mit dem Kopf um meiner Aussagen Nachdruck zu verleihen, auch wenn ich fast kein Wort mitgekriegt habe von seinem Geschwärme. Gott, ich bin so eine schlechte Freundin.

Peters Schoko-Karamellshake ist schon fast leer, während ich meinen noch nicht angerührt habe, so sehr bin ich in meine Gedanken vertieft. Mit einem Kopfschütteln werfe ich die Zukunftsfragen von mir ab, um mich im Hier und  vollkommen auf Peter zu konzentrieren, schließlich haben wir nur noch wenige Stunden bis wir uns dann ein paar Wochen im schlimmsten Falle nicht mehr sehen. Entschlossen beginne ich den letzten Schokoshake dieser Ferien zu trinken.

Als wir zurück nach Hause kommen haben wir noch eine Stunde für uns bevor wir mit meiner Familie essen gehen. Kitty setzt sich zu uns auf die Couch. Sie wirkt sichtlich nervös und starrt ständig auf ihr Handy. In letzter Zeit kommt es öfters vor, dass sie sich so untypisch für Kitty Song-Covey verhält. Ich frage nicht nach, was sie beschäftigt, denn vermutlich würde sie es mir eh nicht sagen. Wir unterhalten uns noch eine ganze Weile über alles und jeden, als auch schon Dad und Trina uns zum Gehen auffordern.
In dem koreanischen Restaurant am Rande der Stadt ist wie immer viel los. Man muss mindestens eine Woche vorher reservieren, sonst bekommt man keinen Platz mehr, aber ich kann es voll und ganz verstehen, denn es schmeckt wie bei Mum. Das ist vermutlich auch der Grund, warum wir so gerne hier her kommen, denn es erinnert uns an sie. Trina hat damit überhaupt kein Problem, dass wir fast nur über sie reden wenn wir hier sind, weswegen Dad sie nur noch mehr liebt. Sie ist einfach die perfekte Frau für ihn.
Peter ist schon das dritte Mal mit uns hier und hat schon die ganze Hinfahrt von dem leckeren Gogi gui, auch als koreanisches Barbecue bekannt, geschwärmt. Ich kann seine Liebe für Fleisch echt verstehen, aber mein Lieblingsessen aus Korea wird immer Japchae, ein Nudelgericht aus Süßkartoffeln und als Nachspeise Bingsu, eine erfrischende Nachspeise die wie eine Eiskugel aussieht, sein. Das Essen verbinde ich am meisten mit Mum, denn selbst das Gericht in Seoul hat nicht so gut geschmeckt wie bei ihr. Jedes Mal, wenn sie das gekocht hat, habe ich mich Tage vorher darauf gefreut. Also bestelle ich hier genau die zwei Speisen. Peter verzichtet wegen seines Trainings auf einen Nachtisch, fragt aber direkt, ob er bei mir dann mal probieren darf. Wiederwillig nicke ich. Probieren heißt bei Peter so viel wie das halbe Essen herunterschlingen.
Kitty rutscht die ganze Zeit auf ihrem Stuhl hin und her und sieht immer wieder nervös zur Tür. Ihre ständigen Bewegungen, die ich in meinem Augenwinkel die ganze Zeit sehe, machen mich ganz unruhig und ich werfe ihr einen mahnenden Blick zu, den sie aber gar nicht richtig wahr nimmt.

„Was ist mit deiner Schwester los?" Peter beugt sich leicht zu mir rüber und flüstert mir zu. Ich zucke nur mit den Schultern. Vielleicht erzählt sie es mir eines Tages.

Doch Kitty braucht es mir gar nicht zu erzählen, denn die Tür des Restaurants geht auf und ein Junge, der vielleicht ein Jahr älter ist als sie, tritt im Gespräch mit seinen Eltern vertieft durch die Eingangstür. Kitty schießt die Röte ins Gesicht und peinlich berührt starrt sie schnell auf ihren Teller. Ich lächle in mich hinein, denn sie erinnert mich ein wenig an mich, als ich für Peter Gefühle entwickelt habe. Nicht, als wir die Fake-Beziehung geführt haben, sondern damals, als ich das erste Mal wirklich verschossen in Peter Kavinsky war, bevor er und Gen ein Paar waren.
Unter dem Tisch drückt Peter leicht meine Hand, um meine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Mit einem frechen Lächeln deutet er mit einer Kopfbewegung auf die nervöse Kitty, die versucht unbemerkt den Jungen zu beobachten.

„Wenn du sie später damit aufziehst, bist du für immer bei ihr unten durch.", warne ich ihn flüsternd und er macht ein künstlich geschocktes Gesicht. Dann lächelt er mir zu. „Ich schwöre, ich werde zu ihr nichts sagen. Schließlich will ich es mir mit der jüngsten und nachtragendsten Covey nicht verspielen." Er zwinkert mir zu.

Nach einer Weile entdeckt der Junge Kitty und winkt ihr mit einem strahlenden Lächeln zu. Schüchtern und wieder etwas rot im Gesicht winkt sie zurück und schaut dann wieder mit großen Augen auf ihren halb aufgegessenen Teller. Sie sieht aus, als würde sie am liebstem im Erdboden versinken, was mich nur noch mehr zum Lächeln bringt. Ich glaube ich habe meine kleine Schwester noch nie ernsthaft verknallt gesehen. Die Jungs, die sie bisher angehimmelt hat, wie Josh oder Peter, waren eher Schwärmereien ohne Zukunft, aber dieser Junge könnte für sie ihre erste wirklich wahre Liebe sein. Oh Gott, Kitty, in der ich nach wie vor das kleine Mädchen sehe und bei der sofort mein große-Schwester-Beschützerinstinkt da ist, wird langsam erwachsen. Leicht schockiert reiße ich meine Augen auf bei der Erkenntnis und vergesse weiter zu kauen. Wie soll ich darauf klar kommen?

Will you still love me tomorrow?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt