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Nachdem wir wieder zuhause angekommen sind, ist es schon fast Zeit, mich auf den Weg zur UNC zu machen. Mein Herz wird schwer bei dem Gedanken, Peter wieder für ein paar Wochen zu verlassen. Etwas traurig packe ich meine Sachen zusammen und vermisse ihn jetzt schon, obwohl er im selben Zimmer auf meinem Bett sitzt und mich beobachtet. Immer wieder blicke ich zu ihm herüber, um mir jedes Detail seines schönen Gesichtes einzuprägen.

„Kommst du klar?", fragt er mich als könne er meine Gedanken lesen.

„Ich denke schon.", antworte ich tapfer und erzwinge mir ein halbherziges Lächeln.

„Wenn du möchtest besuche ich dich nächstes Wochenende. Was hältst du davon?"

Ich setze nich neben ihn auf das Bett und sehe ihn an. „Das geht leider nicht, nächstes Wochenende habe ich einen Einführungsworkshop für englische Litertaur." Ich ziehe meine Mundwinkel nach unten.

„Okay, dann komme ich das Wochenende drauf." Fürsorglich streicht er mir über den Rücken und ich nicke.

Einen Moment kuscheln wir noch und tauschen Küsse aus, dann muss ich mich langsam auf den Weg machen, denn Dad mag es nicht, wenn ich im Dunkeln so lange Auto fahre und wenn ich ehrlich bin, fühle ich mich bei so langen Strecken im Dunkeln auch nicht sonderlich sicher. Der Abschied von Peter fällt mir schwer, auch wenn es nur zwei Wochen sind. Ich gebe ihm einen langen, intensiven Kuss und schmiege mich ein letztes Mal an seine Schulter. Von meiner Familie habe ich mich vorher schon verabschiedet, sie sind im Haus geblieben, um uns etwas Privatsphäre zu geben, was ich sehr schätze.

„Fahr vorsichtig und schreib mir, wenn du gut angekommen bist. Okay?" Liebevoll streicht er über meine Wange und seine Augen strahlen reine Zuneigung aus.

„Ich verspreche es." Mit einem Kloß im Hals sehe ich ihn an und sauge all seine Liebe in mich auf.

„Ich liebe dich. Nur dich.", sagt er ehrlich und küsst mich zärtlich.

„Ich liebe dich auch.", antworte ich ihm wahrheitsgemäß und er schenkt mir sein schönstes Lächeln.

Er begleitet mich noch zur Fahrertür und streicht mir ein letztes Mal über meine Wange, dann schließt er die Autotür und ich fahre los. Ein wenig kämpfe ich gegen die Tränen, wenn auch nicht ganz erfolgreich. Die ein oder andere Träne stiehlt sich den Weg über meine Wange und tropft auf meine Hose. Ich weiß, wir sehen uns in zwei Wochen schon wieder, aber über die Ferien habe ich mich wieder dran gewöhnt, ihn regelmäßig zu sehen und mein Hang zur Dramatik macht es mir auch nicht gerade leichter. Hoffentlich finde ich an der UNC wieder schnell in mein Alltag zurück.

Der Campus ist schon deutlich voller, als ich erwartet habe. Bei dem guten Wetter heute und den langsam wärmer werdenden Temperaturen tummeln sich viele Studenten draußen auf den Bänken und dem Rasen. Ich beobachte auf dem Weg in mein Wohnheim die lachenden und sich unterhaltenden Personen und freue mich tatsächlich meine Freunde wieder zu sehen. Bei dem Anblick ist Peter kurz vergessen und ich frage mich, ob es einen schöneren Campus als den hier gibt. Auch wenn die UVA wirklich toll ist und sie mich immer an Mum erinnert, fühle ich mich hier einfach mehr hingezogen, so als würde ich hier hin gehören. Vielleicht war es doch eine Fügung des Schicksals, dass ich hier angenommen wurde.
In meinen Gedanken vertieft merke ich gar nicht, dass mehrmals mein Name gerufen wurde. Erst, als ich von hinten angetippt werde, bemerke ich Yuna. Erfreut blicke ich in ihr strahlendes Gesicht und falle ihr vor Freude um den Hals.

„Hey, wie schön dich zu sehen." Ich löse mich von ihr und sehe sie lächelnd an. Sie erwidert meine Begrüßung und zeigt auf eine Gruppe von Leuten, die auf Picknickdecken im Gras sitzen und sich angeregt unterhalten.

„Hast du nicht Lust, dich ein wenig zu uns zu setzen? Dann kannst du mir von deinen Ferien erzählen."

„Klar, aber lass mich schnell mein Gepäck im Wohnheim abstellen und mich umziehen. Ich komme dann in zehn Minuten zu euch.", antworte ich auf ihre Einladung und sie nickt zustimmend.

In Windeseile packe ich die gröbsten Dinge aus meinem Koffer aus und schicke Dad und Peter eine schnelle Nachricht, dass ich gut angekommen bin. Ich kämme mir durch die leicht zerzausten Haare und binde sie mir zu einem Zopf bevor ich aus dem Kleiderschrank eine hellblaue Jeans und ein pfirsischfarbenen Pullover herauskrame. Draußen dämmert es langsam und es wird von Stunde zu Stunde kühler, weshalb ich mir noch einen Cadigan schnappe bevor ich mich auf den Weg nach draußen mache. Yuna und ihre Freunde begrüßen ich freundlich. Aus der Runde kenne ich nur Ella, mit ihr und Yuna war ich schon ein paar Mal Mittagessen in der Kantine. Die anderen drei sind mir noch fremd.

„Also erzähl doch mal von deinen Ferien." Yuna gibt mir einen freundschaftlichen Klaps auf die Schulter.

„So besonders waren die eigentlich gar nicht. Peter und ich haben viel unternommen und ich hab einen Freund in New York besucht. Aber erzähl doch mal von dir. Wie war es bei deiner Familie?" Ich drehe mich interessiert etwas mehr zu ihr und bin gespannt, was sie so erzählt.

„Du und Peter seid wieder zusammen? Mensch, warum hast du mir nicht geschrieben? Du weißt doch, dass mich das interessiert!"

Sie hat recht, ich war so mit mir selbst beschäftigt, dass ich ihr noch gar nicht erzählt habe, dass wir wieder zusammen sind. Ich blicke mich in der Runde um, doch die anderen unterhalten sich über die Dozenten und beachten mich nicht. Etwas erleichtert, dass nicht jeder mein Beziehungsdrama mitkriegt, berichte ich ihr ausführlich was vorgefallen ist. Yuna hört mir aufmerksam zu und gibt ab und an ihre Kommentare dazu ab. Als ich fertig bin, mustert sie mich einen Moment lang.

„Glaubst du, er wird wirklich nicht nochmal ein anderes Mädchen küssen oder ein anderes Mädchen wird es nicht nochmal bei ihm versuchen?", fragt sie mich vorsichtig.

„Nein, ich kenne und vertraue Peter mehr als je zuvor. Der Kuss kam ja nicht von ihm aus und es tat ihm ja wirklich unendlich Leid. Vielleicht bin ich naiv, aber ich glaube einfach nicht, dass er mir das nochmal antut.", antworte ich ehrlich. Mit dem Thema habe ich abgeschlossen und das ist auch das Beste für unsere Beziehung.

„Ich bewundere deinen Denkensweise. Wirklich. Ich glaube nicht, dass ich das könnte.", sagt sie wahrheitsgemäß.

„An solchen Situationen wächst man. Aber jetzt will ich von dir mal hören wie deine Ferien waren." Lächelnd klatsche ich leicht mit meinen Händen auf ihre Knie und sehe sie auffordernd an.

„Also ich war ja bei meiner Familie zu Besuch und wir sind dann spontan nach Korea geflogen für drei Wochen, weil meine Cousine dort eine Tochter bekommen hat und jetzt bin ich Patentante, stell dir das mal vor!" Aufgeregt reibt sie ihre Hände aneinander.

„Glückwunsch!", gratuliere ich ihr und freue mich für sie. Yuna ist total der Familienmensch, auch wenn sie durch ihre rationale Art anfangs nicht so wirkt.

Nach einer Weile klinkt sich Ella in unser Gespräch ein und wir unterhalten uns bis spät abends über alle möglichen Sachen. Ella erzählt viel von ihrem Hund, den sie adoptiert hat und von ihrem neuen Freund, der auch an die UNC geht und dort Jura studiert. Wir unterhalten uns auch lange über unseren Studiengang und all die netten Leute hier. So finde ich heraus, dass sie morgen Abend auch auf Kennys Geburtstagsparty eingeladen ist, was meine Vorfreude nur noch steigert.
Gegen elf Uhr fröstelt es mich so sehr, dass ich mich von den anderen verabschiede und den Weg zu meinem Wohnheim einschlage. In meinem Zimmer liegt in der Mitte mein halb ausgepackter Koffer. Ich sehe mich seufzend um und überlege, ob es sinnvoller ist, heute noch aufzuräumen oder ob ich es einfach auf Morgen verschieben soll. Mit einem Blick auf die verwelkten Rosen von Peter beschließe ich, heute noch aufzuräumen, denn ich kenne mich. Wenn ich heute nicht aufräume, mache ich es vermutlich die nächsten Wochen auch nicht. Also werfe ich schweren Herzens die Rosen in den Mülleimer und beginne den restlichen Koffer auszuräumen. Ganz unten  sehe ich ein weißen Umschlag. Mit gerunzelter Stirn hole ich ihn hervor.
Für meine Lara Jean steht groß darauf. Ich drehe den Umschlag herum, um ihn zu öffnen und muss lächeln. Von deinem Peter.

Will you still love me tomorrow?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt