Vorwärtsschritte

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Als ich wach wurde reckte ich mich. Meine Knochen fühlten sich steif und meine Muskeln verspannt an, weil ich auf dem Sofa geschlafen hatte. Sunny lag nicht mehr bei mir, also nahm ich an, dass sie bereits wach war. Ich sammelte mich und hörte sie leise in der Küche hantieren und nahm auch nun den Geruch von Kaffee wahr. Ich richtete mich auf und rieb mir meinen verspannten Nacken. Kal kam zu mir und stupste mich mit seiner kalten Nase an. „Hey Buddy“, murmelte ich und kraulte ihn einen Moment, ehe ich aufstand und zu meiner Frau in die Küche ging. Sie stand am Herd und machte Pfannkuchen. Eine ganze Menge Pfannkuchen. Ich ging zu ihr und schaute ihr über die Schulter. „Willst du eine ganze Footballmannschaft damit satt bekommen?“ fragte ich sie und sie zuckte erschrocken zusammen. „Verdammt, musst du mich so erschrecken?“ murrte sie und wendete einen weiteren Pfannkuchen. „‘Tschuldige", murmelte ich und lehne mein Kinn auf ihre Schulter und schlang meine Arme um sie. „Henry, bitte. Du siehst doch, dass ich dabei bin Pfannkuchen zu machen", brummelte sie und schüttelte mich ab. Ich schnaufte, hob abwehrend die Hände und trat einen Schritt zurück. Ich war es nicht gewohnt, von ihr abgewiesen zu werden und es versetzte mir einen derben Stich. „Sorry… ich… soll ich dir bei irgendwas helfen?“ fragte ich, anstatt sie darauf anzusprechen. Es war ok, wenn sie im Moment keine Nähe wollte. Auch wenn ich sie grade ziemlich brauchte. „Kannst du bitte den Tisch decken? Hank und Corey kommen gleich zum Frühstück“, erklärte sie und ich tat, worum sie mich nat. Mir war überhaupt nicht nach Besuch, aber wenn es ihr gut tat, würde ich nichts sagen. Sie war diejenige, die gerade eine Fehgeburt erlitten hatte. Ich würde ich jeden Wunsch von den Lippen ablesen, damit sie sich besser fühlte. Meine Bedürfnisse stellte ich hinten an. „Wie spät kommen die beiden? Hab ich noch Zeit zum Duschen? Ich müsste auch noch mit Kal raus“, erkundigte ich mich. „Mit Kal war ich schon raus. Corey und mein Bruder kommen in etwa zwanzig Minuten.“ Das würde reichen. „Danke. Bis gleich“, sagte ich und wollte ihr einen Kuss auf die Wange drücken, doch sie wich mir aus. Ich seufzte und ging nach Oben, stellte mich unter die Dusche und blieb eine ganze Weile einfach nur dort stehen, ohne mich zu rühren. Ich ließ den Kopf und die Schulter hängen und im Moment war mir einfach nur zum Heulen zu Mute. Doch ich riss mich zusammen. Ich musste stark sein für Sonja.
Schließlich rieb ich mir übers Gesicht, schnaufte und besann mich. Ich rubbelte gerade meine Haare mit dem Handtuch ab, als es bereits klingelte. Hatte ich so lange gebraucht? Ich zog mich schnell an, putzte mir noch die Zähne, und ging dann wieder runter. Sonja stand in der Küche, ihr Bruder hielt sie in seinen Armen und es versetzte mir einen weiteren Stich, dass sie seine Berührungen scheinbar ohne Probleme ertrug, während sie mich von sich stieß.
„Hey Kleiner", begrüßte mich Corey und umarmte mich kurz. „Wie geht’s dir?“ fragte er mich und ich zuckte mir mit den Schultern.
Wir setzten uns und ich sah Sonjas geröteten Augen. Sie hatte wieder geweint und am liebsten hätte ich sie einfach in meine Arme gezogen, doch mir war klar, dass sie das im Moment nicht wollte. Sie wich meinen Blicken aus und auch sonst schien sie mir aus dem Weg zu gehen. Sie vermied es nicht nur, mich anzusehen, sondern auch mit mir zu Reden. Während sie mit Corey und Hank plauderte, hielt ich mich immer mehr zurück. Als sie wegen eines kleinen Scherzes von Hank lachte, hielt ich es nicht mehr aus. „Entschuldigt mich", murmelte ich, stellte meine Tasse auf den Tisch und erhob mich. Ich pfiff Kal zu mir und ging mit meinem Hund nach draußen. Ich warf sein Spielzeug durch den Garten und er rannte begeistert hinterher. Das ging ein paar Mal so, bis er sich mit dem Spielzeug hinlegte und darauf herumkaute. Ich setzte mich auf einen der Terrassenstühle, die ich noch nicht in die Garage geräumt hatte und seufzte. Ich lehnte meine Ellenbogen auf meine Knie ab und vergrub meine Gesicht in meine Hände. „Alles okay?“ hörte ich Corey fragen und ich sah auf. „Nein, natürlich nicht", beantwortete er selbst seine Frage, als er meinen verzweifelten Gesichtsausdruck sah. „Sonja scheint das ganz gut wegzustecken", sagte er dann und lehnte sich neben mir gegen die Fensterwand. Ich schnaufte. „Das bezweifle ich", murmelte ich schließlich. „Mir geht sie seit heute Morgen aus dem Weg. Gestern Abend noch hat sie sich an mich geklammert und heute… erträgt sie nicht mal eine Umarmung von mir", erklärte ich und wischte mir trotzig über die Augen, als sich Tränen dort sammelten. Ich wollte nicht heulen. „Autsch…“ kam es von Corey und ich seufzte erneut. „Ich kann sie ja irgendwie verstehen, aber… weißt du, es schmerzt schon, wenn sie mich von sich schiebt, sich aber von ihrem Bruder trösten lässt. Ich sollte derjenige sein. Ihr solltet nicht mal hier sein. Ich will heute keinen Besuch“, brummelte ich, wohlwissend, dass Corey wusste, wie es gemeint war. „Ich denke, das verstehe ich. Warum hast du dann nichts gesagt?“ wollte er wissen. „Weil es das ist, was Sonja will und scheinbar braucht. Ich will, dass es ihr besser geht. Sie hat ihr Baby verloren… und ich muss für sie stark sein…“ ich brach ab und ich schluckte schwer, wollte den Klos in meinem Hals loswerden. „IHR. Ihr habt EUER Baby verloren“, korrigierte er. „Dir darf es genauso dreckig gehen, und du darfst genauso wütend und traurig sein. Du musst nicht stark sein. Nicht jetzt“, erklärte er und ich war nicht in der Lage, ein Wort zu sagen. Meine Dämme waren kurz davor zu brechen. Der Schmerz saß zu tief. „Ist ok…“ sagte Corey sanft, als ich mein Gesicht in meine Hände vergrub und schluchzte. Ich fühlte seine Hand auf meine Schulter und ich ließ mich an ihn ziehen. Weil es Corey war, war es ok.

When superman is lovin' youWo Geschichten leben. Entdecke jetzt