Selbstmitleid und Ablenkung

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Gequält öffnete ich meine Augen und blinzelte der Sonne entgegen. Ich zog mir die Decke über den Kopf und fluchte. Wie war ich ins Bett gekommen? Mein Kopf dröhnte und schien zu platzen. Verdammt, was war gestern Abend passiert? Ich sammelte mich und ließ den Abend Revue passieren. FUCK! Ich hatte mich nicht nur sinnlos betrunken, sondern auch Sunny bis in alle Ewigkeiten vor mir vergrault. Wie konnte ich nur so ein Idiot sein? Ein elender Vollpfosten! Ich sollte einfach hier im Bett liegen bleiben. Wie sollte ich das wieder geradebiegen? War das überhaupt möglich? Und wie verdammt, war ich nach Hause gekommen?
„Kal?“, rief ich, als mir einfiel, dass er langsam wohl mal raus sollte. Doch ich hörte nichts. Ich warf die Bettdecke zurück und setzte mich auf, was ich sogleich bitter bereute. Es drehte sich alles und in meinem Schädel hämmerte es. „Geschieht dir recht", brummelte ich zu mir selbst und wartete, bis das Karussell anhielt. Dann stand ich auf und öffnete die Schlafzimmertür. „Kal!“, rief ich nochmal. Aber ich hörte immer noch nichts. Ich ging runter und sah ihn auch nirgends. Ich suchte mein Handy, was ich in meiner Jackentasche fand. Ich hatte eine Nachricht von Sunny. Mein Herz klopfte und ich hoffte, dass sie mich vielleicht doch sehen wollte, doch es war nur die Benachrichtigung, dass sie Zuhause war. Ich seufzte. Was bitte hatte ich anderes erwartet.
Aber wo zum Teufel war mein Hund? Auf der Küchenzeile fand ich einen Zettel. „Kal ist bei mir. Schlaf deinen Rausch aus. Simon.“ Okay, eine Sorge weniger, die ich mir machen musste. Hatte er mich also nach Hause gebracht. Ich sollte mich bei ihm entschuldigen. Ich hatte ihn ziemlich mies behandelt gestern. Ich seufzte erneut und kramte erstmal eine Tablette gegen meinen Kater hervor und nahm sie. Dann schlurfte ich zurück nach oben und ging ins Bad. Ich begutachtete mich im Spiegel. „Man, Cavill. Du fühlst dich nicht nur scheiße, du siehst auch noch so aus", brummte ich meinem Spiegelbild entgegen und klatschte mir kaltes Wasser ins Gesicht. Meine linke Wange fühlte sich etwas geschwollen an und schmerzte auch ein wenig. Aber dank meiner schon ziemlich langen Bartstoppeln, fiel die Röte nicht besonders auf. Würde ich mich die nächsten Tage halt auch nicht rasieren. Wen störte das schon? Ich putze mir die Zähne, was mich fast wieder betrunken machte und stieg dann unter die Dusche. Vielleicht würde ich dann klarer denken können.
Anschließend stieg ich in bequeme Klamotten und rief meinen Bruder an. „Sie an, er lebt wieder", raunte er mir entgegen. Ich schnaufte. „Soll ich Kal abholen?“, fragte ich dann kleinlaut. „Du setzt deinen Arsch sicher noch nicht ins Auto. Ich bringe ihn dir. Koch Kaffee“, befahl er und legte auf. Kaffee… also würde er reden wollen. Verdammt ich hatte es befürchtet. Ich hielt das Telefon in meinen Händen und öffnete die Nachricht von Sunny. Ich sollte ihr schreiben, und mich entschuldigen. „Es tut mir leid, wie es gestern gelaufen ist. Ich meinte jedes Wort...” Ich löschte die Nachricht wieder. „Es tut mir leid. Können wir reden?“, schrieb ich stattdessen und bevor ich es mir anders überlegen konnte, schickte ich die Nachricht ab. Dann legte ich das Handy auf den Küchentresen und kochte Kaffee.
Als Simon kam dröhnte mein Kopf noch immer, aber der Kaffee tat gut. Kal hatte sich gefreut mich zu sehen und ich kraulte ihn ausgiebig, ehe er sich auf seine Decke legte. „Hast du schon was von ihr gehört?“, fragte mich mein Bruder. „Nein. Sie hatte mir heute Nacht nur geschrieben, dass sie Zuhause war. Meine Nachricht hat sie noch nicht gelesen", murmelte ich und nahm einen Schluck Kaffee. „Tut mir leid wegen gestern. Ich war ein Vollidiot", entschuldigte ich mich schließlich bei meinem Bruder. „Ja, das warst du, aber das kennen wir ja schon von dir", gab er zurück und ich schaute ihn argwöhnisch an. „Komm schon, solche kleinen Aussetzer hast du immer wieder mal", redete er auf mich ein und ich schnaufte. „Ich bin echt ein trostloser Fall", murmelte ich und Simon lachte. „Na so schlimm würde ich dass jetzt auch nicht sehen. Aber seit deiner letzten Beziehung ist das schon so eine Sache mit dir.“ Müde rieb ich mir das Gesicht. Ja meine letzte Beziehung hatte unschön geendet. Ich hatte sie heiraten wollen. Doch es flogen immer mehr die Fetzen. Und ich bemerkte nicht, dass ich mich immer mehr zum Arschloch verwandelt hatte. Amerika hatte mir nicht wirklich gut getan. Und die Beziehung auch nicht. Also war ich nach England zurückgekehrt. Hier war mein Zuhause und hier war meine Familie, die mich erdete.
„Deine Wange ist ganz schön rot", entdeckte Simon dann. „Hast du sie mal gekühlt?“, fragte er und drehte meine Gesicht so, dass er es besser sehen konnte. Ich zuckte zurück. „Nein, hab ich nicht", murmelte ich und Simon stand auf, ging zum Gefrierschrank und holte ein Kühlpack heraus. „Hier. Draufdrücken", befahlt er und ich stöhnte genervt. „Hör auf, mich zu betüddeln", maulte ich, legte aber das Kühlpack an meine Wange. „Du bist mein kleiner Bruder. Das ist meine Aufgabe. Oder soll ich lieber Mom anrufen, damit sie herkommt?“, grinste er und ich verdrehte die Augen. „Bloß nicht“, murrte ich. Die Standpauke konnte ich mir echt sparen. „Verdient hattest du es aber“, sagte er dann und deutete auf meine Wange. „Das weiß ich selbst", gab ich kleinlaut zu und seufzte dann. „Ich hab’s echt versiebt.“
„Vielleicht ja nicht. Gib ihr etwas Zeit. Es ist nicht mal 24 Stunden her“, schlug Simon vor. „Kann ich dich alleine lassen, oder baust du wieder Mist?“, fragte er dann. „Ich baue keinen Mist", maulte ich und brachte ihn zur Tür. „Versprich mir, dass du sie heute in Ruhe lässt. Und dass du heute nicht ins Auto steigst. Deine Fahne riecht man meilenweit. Wenn dich die Bullen anhalten, bist du deinen Lappen los", belehrte er mich. „Jaha. Verstanden. Hau endlich ab", brummte ich. Simon grinste, zog mich in eine brüderliche Umarmung und ließ mich dann alleine.
Irgendwie bekam ich Hunger, aber vermutlich würde mir alles hochkommen, wenn ich was essen würde. Also verzichtete ich vorerst. Ich verbrachte den Tag hauptsächlich auf der Couch, pennte zwischendrin nochmal ein und erhob mich erst wieder, als es Zeit wurde, mit Kal zu gehen. Hauptsächlich aalte ich mich heute in meinem Selbstmitleid.
Am Abend saß ich draußen in meinem kleinen Garten mit meinem Hund und hörte Musik aus der Ferne. Ich meinte gelesen zu haben, dass Green Day heute im Hyde Park spielten. Von hier aus konnte ich des öfteren Konzerte lauschen, was manchmal ganz angenehm war, aber aucj echt nerven konnte. Mal sehen, was Green Day so zu bieten hatten.

When superman is lovin' youWo Geschichten leben. Entdecke jetzt