Allein in London

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Es viel mir unsagbar schwer, meine Frau alleine zu lassen. Sie hatte mir zwar mehrmals versichert, dass es ihr gut ginge, doch ihr Augen verrieten mir, dass dem nicht so war. „Geh, Henry. Ich komme klar", versprach sie mir, als ich mit gepackten Sachen im Flur stand. Ich musste zurück nach Norwegen. „Ich lass dich ungern alleine", gab ich zu und zog sie an mich. „Ich bin auch ungern alleine, aber in zwei Wochen ist Weihnachten, dann bist du wieder hier“, erklärte sie. „Willst du nicht doch einfach mitkommen?“ fragte ich sie zum wiederholten Male. „Nein Henry. Ich muss mich meinen Job kümmern. Wenn ich mich selbstständig machen will, liegt eine Menge Arbeit vor mir“, erklärte sie und ich nahm ihre Hände in meine. „Du hast Rest", gab ich mich geschlagen und drückte ihr einen Kuss an die Stirn. „Ok, ich muss los", murmelte ich schließlich und gab ihr einen sanften Kuss. „Ruf mich an. Jederzeit, okay?“ bat ich sie und sie nickte. „Das werde ich. Ich bin nicht alleine, Henry. Hank und Corey sind da und werden alles tun, um mich bei Laune zu halten. Und jetzt verschwinde endlich", lachte sie dann und schob mich zur Tür. Ich brummelte etwas Unverständliches vor mich hin, nahm Kal an die Leine und gab meiner Frau einen letzten langen Kuss. „Ich liebe dich, Baby", hauchte ich und sie lehnte sich noch einmal kurz an mich. „Ich dich auch.“ Dann ging ich durch die Tür und stieg mit meinem Hund ins Taxi. Sonja winkte und blieb stehen, bis ich sie nicht mehr sehen konnte. Ich lehnte mich seufzend zurück. Ich wollte nicht gehen, ich wollte nicht arbeiten, aber vermutlich würde die Arbeit mich ablenken. Der Schmerz war noch tief und lähmend. Ich schlief schlecht und bewunderte meine Frau für ihre Stärke.

Nein, ich wollte nicht, dass er geht. Ich wollte vor allem nicht alleine sein, aber mir war klar, dass er nicht ewig Zuhause bleiben konnte. Er fehlte mir schon jetzt und am liebsten wäre ich hinterher gelaufen und wäre doch mitgekommen, aber ich musste mich um berufliches kümmern und das würde mich hoffentlich genug ablenken.
Ich seufzte und schloss die Haustür hinter mir. Das Haus kam mir viel zu groß und leer vor. Ich kochte mir einen Tee, setzte mich an den Esszimmertisch und klappte meinen Laptop auf. Ich wollte mir Informationen reinholen, was das Selbstständig werden anging.
Ich las mich durch einige Foren, doch wirklich aufnahmefähig war ich nicht. Ich klappte den Laptop deshalb wieder zu uns begab mich schließlich in den Keller. Henry hatte einen Raum für mich freigeräumt, indem ich mich mit meiner Dunkelkammer einrichten konnte.
Dies tat sich nun und bekam dadurch die nötige Ablenkung. Ich konnte frei atmen und mal nicht an die letzten schweren Tage denken.
Es tat gut, in meiner Dunkelkammer zu werkeln. Ich setzte mich, nachdem ich die letzten Schalen platziert hatte und sah auf mein Handy. Henry hatte mir geschrieben. Er war bereits gelandet und ich war überrascht, das scheinbar doch so viel Zeit vergangen war. Ich antwortete ihm und schickte dazu ein Foto von meiner Arbeit, die ich heute erledigt hatte. „Ich komme voran" schrieb ich dazu. Ich erwartete keine Antwort, denn ich wusste, dass Henry gleich nach der Landung drehen musste, also steckte ich das Telefon wieder weg. Umso überraschter war ich, als mein Handy klingelte. Doch es war nicht mein Mann, der mich anrief. Es war jemand Unerwartetes.
„Jason!“ meldete ich mich überrascht. „Hey Kleines. Wie geht es dir?“ wollte er sogleich wissen und ich wusste nicht, was er wusste. „Ganz gut", sagte ich deshalb einfach. „Wirklich?“ harkte Jason nach und klang besorgt. „Nein, nicht wirklich“, gab ich schließlich zu. „Dachte ich es mir. Was kann ich tun, um dich aufzuheitern?“ fragte er und ich lächelte. Es tat gut seine Stimme zu hören. „Erzähl mir was. Egal was", bat ich ihn und Jason überlegte einen Moment, erzählte dann von seinen Kindern, die Weihnachten kaum noch erwarten können. Und von seinem neuen Motorrad, wobei er richtig begeistert klang, dabei jubelte und mich damit zum Lachen brachte. Jasons Stimme zu hören tat gut. Wir telefonierten eine ganze Weile, bis es Zeit war fürs Abendessen.
Wir verabschiedeten uns und dann machte ich mir eine Kleinigkeit zu essen. Viel Hunger hatte ich nicht.
Später machte ich es mir auf dem Sofa gemütlich und ich wünschte, wenigstens Kal wäre hier. Der würde mich auf Trab halten und ich könnte mich an ihn kuscheln.
Ich ging recht früh ins Bett, versuchte zu schlafen, doch ich wachte immer wieder auf und konnte bereits ab fünf Uhr morgens gar nicht mehr schlafen.
Ich entschloss, mich anzuziehen und nach Ewigkeiten mal wieder Laufen zu gehen. Der Hydepark war gleich um die Ecke. Wenigstens dort kannte ich mich ein wenig aus. Es wurde langsam besser mit mir und London.
Das Laufen tat gut und ich joggte bereits das zweite Mal um den See, als ich mit jemandem Zusammen stieß. „Sonja?!“ hörte ich eine Frau aufgeregt sagen und ich blinzelte. „Carli!“ freute ich mich, und wir umarmten uns, obwohl wir beide verschwitzt waren. „Mensch, was machst du denn hier?“ wunderte ich mich. „Es ist kurz vor Weihnachten. Ich hab Urlaub. Zeit für Familie und so", zwinkerte sie lachend. „Und du? Wie geht es dir? Du hast dir echt Cavill geschnappt, ich konnte kaum glauben.“ Ich lächelte etwas verlegen. „Oh, du weißt davon?“ fragte ich.
„Na logisch. Die ganze Welt weiß das“, erklärte sie. „Kaffee?“ fragte meine frühere beste Freundin und ich nickte. Gemeinsam gingen wir zum nächsten Café und setzten uns. Das wir in Laufklamotten waren interessierte hier niemanden.
„Jetzt erzähl mal, wie bist du an Cavill herangekommen? Ist ja nicht so einfach als Normalo", das Wort setzte sie in Anführungszeichen. Ich seufzte. Klar, sie als Supermodel war ihm schon ein paar Mal begegnet. Henry hatte mir davon erzählt. „Das war zufällig. Ich bin übers Set gelaufen, und er hat mich wieder erkannt“ erklärte ich und zuckte mit den Schultern. „Echt? In der Presse steht, du hättest dich aufs Set geschlichen.“
„Wie kommen die denn auf so einen Blödsinn? Und seit wann glaubst du das, was in der Presse steht?“ Sie wusste sehr gut, dass man der Presse nicht immer Glauben schenken sollte. Das hatte sie mehrmals selbst erleben dürfen. „Ja, ja. Ich weiß. Eure Bilder aus Paris waren toll. Ihr seid echt süß zusammen“, sagte sie dann. „Danke. Ich kenne die Bilder nicht. Hab sie mir nicht angesehen“, meinte ich. „Wirklich nicht? Nie? Auch keine anderen Berichte über euch?" Ich schüttelte den Kopf. "Interessiert dich denn nicht was die so über euch schreiben?“ wollte sie wissen. „Nein. Henry hat seine Leute dafür und er würde mir sagen, wenn ich etwas wissen müsste.“ Ich zuckte mit den Schultern. „Ernsthaft? Du vertraust ihm da? Süße, da erzählt er dir aber einiges nicht", verriet sie und ich sah Carli verwirrt an. „Was meinst du damit?“ wollte ich nun wissen. „Naja, ist vielleicht besser so. Ich wollte keine Pferde scheu machen. Halb so wild" winkte sie ab und nippte an ihrem Kaffee, erzählte mir von ihrem Modelleben und ihre Bekanntschaft,  die sie neulich gemacht hatte. Sie hatte wohl so einen Milliardärs Sohn an der Angel. Als wenn mich sowas interessieren würde. Wenn ich ehrlich war, hörte ich ihr gar nicht richtig zu. Denn in Gedanken war ich bei dem, was sie mir gesagt hatte. Was verschwieg mir Henry?
„Sorry süße, ich muss los. Ich treffe mich gleich noch mit meiner Schwester", sagte Carli und erhob sich. „Oops, da ist wohl jemand auf mich aufmerksam geworden", erkannte sie dann und ich sah einige Fotografen und auch ein oder zwei Leute mit einem Mikrofon.
Ich erhob mich ebenfalls und als wir das Café verließen, wollte ich mich schnell davon schleichen, weil sicher niemand Interesse an mir hatte, doch da hatte ich mich getäuscht. „Hey, bist du nicht die Neue von Cavill?“ wurde ich gefragt und man hielt mir eine Kamera vors Gesicht. „Man munkelt, ihr habt heimlich geheiratet", sagte ein anderer und ich zuckte zusammen, als mich Carlis Hand umfasste und mich wegzog. „Lauf", flüsterte sie mir ins Ohr und rannte los. Ich lief ihr hinterher und meine Lungen brannten, als wir endlich an ihrem Auto angekommen waren. „Steig ein!“ befahl sie mir und ich tat, wie mir geheißen, denn noch immer waren die Paparazzi hinter uns her. Carli startete den Motor und gab Gas. Dann lachte sie. „Die Spinner!“ Ich atmete hektisch und zitterte. Dann sah sie zu mir herüber. „Alles ok?“ fragte sie besorgt. „Ich… denke schon… wie hältst du das nur aus?“ fragte ich und strich mir meine Haare aus dem Gesicht. Sie zuckte mit den Schultern. „Man gewöhnt sich dran. Ist auch nicht immer so. Wenn ich wieder länger in London bin, werde ich wieder uninteressant“, grinste sie. „Bei Henry hab ich noch nie erlebt, dass die so aufdringlich waren. Sie haben ihre Fotos gemacht und dann war gut.“ „Henry ist ja auch ein Kerl. Noch dazu ein sehr kräftiger. Dem kommt man nicht so einfach so nahe. Außerdem hat Henry meist seinen Hund dabei", kicherte sie. „Die Bilder sind bestimmt schon auf sämtlichen Plattformen geteilt. Was die sich wohl ausdenken. Immerhin hatten die mir und Henry mal eine Liaison nachgesagt“, lachte sie und ich sah sie entsetzt an, was sie noch mehr zum Lachen brachte. „Keine Sorge. Da war nie was. Schade eigentlich. Er sieht zum abreißen aus. Wie ist er denn so im Bett, stimmt es, was man so sagt? Er soll wahnsinnig gut ausgestattet sein“, wollte sie frech wissen. „Carli!“ schimpfte ich sie. „Wie redest du über meinen Mann?“ fragte ich entsetzt. Mit großen Augen sah sie mich an. „Es stimmt also? Ihr habt geheiratet? In Vegas?“ Ich schlug mir die Hand vor den Mund. Ich hatte mich nicht verplappert wollen. „Ja, es stimmt. Aber bitte behalte das für dich, ja?“ bat ich sie. Es abzustreiten brachte eh nichts, denn sie hatte schon meinen Ring entdeckt und beäugte diesen nun. „Hübsch", kommentierte sie. „Versprochen Süße. Von mir erfährt niemand etwas“, zwinkerte sie. „Wo wohnst du eigentlich? Oder hast du dein Auto beim Park stehen?“
„Nein, bin hergelaufen. Du fährst in die komplett falsche Richtung. Wir wohnen in Kensington“, erklärte ich ihr und sie fuhr einen Schlenker, bis zu mir nach Hause. „Ist dein Mann denn Zuhause?“ fragte sie, als sie hielt. „Nein, er ist in Norwegen", erklärte ich. „Cool. Da liegt bestimmt ganz viel Schnee", lächelte sie und ich zuckte mit den Schultern. „Mag sein", murmelte ich und Carli zog mich an sich. „War schön, dich wiederzusehen. Das müssen wir öfter machen, jetzt wo du auch in London wohnst", lächelte sie ihr Supermodel Lächeln. „Ja gerne", erwiderte ich. Carli holte etwas aus dem Handschuhfach und reichte mir eine Karte. „Da sind alle meine Daten drauf. Ruf einfach an, oder schreib mir gleich, damit ich deine Nummer habe. Ich würde mich freuen.“ „Mach ich", versprach ich und stieg aus dem Auto. Ich winkte ihr, als sie davon fuhr und schloss dann die Haustür, lehnte einen Augenblick meine Stirn daran. Das war ein Nervenaufreibender Morgen gewesen.
Das Klingeln meines Handys riss mich aus meinen Gedanken und ich erschrak. „Ja?“ meldete ich mich. „Darling, geht es dir gut?“ Es war Henry und erklang abgesetzt und besorgt. „Hey. Ja mir geht es gut. Ist irgendwas?“ fragte ich und streifte mir eine Schuhe von den Füßen, ging rüber in die Küche. „May hat mich angerufen. Sie sagte, da wären Bilder mit dir aufgetaucht. Du hast Carli getroffen?“ fragte er. Wow, das ging ja wirklich rum, wie ein Lauffeuer. „Jetzt schon? Ich bin grad erst zur Tür rein. Sie hat mich hier abgesetzt", erklärte ich und machte mir Kaffee. „Und dir geht es wirklich gut? Du hast so verängstigt auf den Bildern ausgesehen.“ „Ich war nur erschrocken. Ich bin ok, wirklich", versicherte ich ihn und sprach ihn darauf an, was Carli mir gesagt hatte. „Carli meint, da stehen eine Menge Sachen über uns im Internet. Warum hast du es mir verschwiegen?“
Es entstand eine kleine Pause. „Ich hab dir nichts verschwiegen. Du wolltest wissen, ob du etwas wissen müsstest und ich habe nein gesagt. Und der Meinung bin ich auch heute“, erklärte er sich. „Warum?“ wollte ich wissen und er seufzte. "Weil sie irrelevant sind. Das meiste ist totaler Quatsch, was da steht.“ „Ich möchte mich gern selbst davon überzeugen“, sagte ich trotzig und Henry seufzte. „Tu, was du nicht lassen kannst, aber ich kann ich dir nur raten, vertrau mir einfach und tu es nicht", bat er mich sanft, doch ich war schon dabei den Laptop hochzufahren und gab schließlich Henrys Namen in der Suchleiste ein. Als ich Enter drückte, erschlugen mich beinahe die Einträge. „Ich lege jetzt auf. Ich melde mich später", sagte ich und beendete das Gespräch.

When superman is lovin' youWo Geschichten leben. Entdecke jetzt