2017
Es tat gut, wieder in London zu sein. Hier arbeiten zu können war fast wie Urlaub. Naja, fast. Und wenn man davon absah, dass ich hier mit Tom Cruise drehte. Der Typ war ein Badass, ein knallharter Typ und grandioser Produzent udn Schauspieler. Es war eine Ehre für mich, mit ihm arbeiten zu dürfen.
Nur dumm, dass er sich gestern beim Dreh, während eines Stunts, den Knöchel gebrochen hatte. Nun drohten die Dreharbeiten für mehrere Monate auszufallen. Heute drehten wir noch ein paar Szenen ohne ihn, die schon vorbereitet waren. Natürlich war Tom zumindest online anwesend.
Die Szenen waren beinahe im Kasten. Das letzte Take, indem ich einfach durch die Gegend laufen und böse gucken musste. Wäre alles kein Problem gewesen, wenn nicht einfach eine junge Frau mit einem Buch vor der Nase durchs Bild gelaufen wäre. „Was tut sie da?" fragte unser Kameramann und ich musste einfach lachen. Diese rote Mähne war unverkennbar für mich. Oder doch? Das war doch Sunny. „Moment", entschuldigte ich mich, sprang über die Absperrung und lief ihr nach. „Sunny?" rief ich, doch die reagierte nicht. „Sunny!... Sonja!" versuchte ich es. Doch sie schien noch immer in ihr Buch vertieft und sah dabei verloren aus. „Hey! Summers!" versuchte ich es nun mit ihrem Nachnamen und damit hatte ich ihre Aufmerksamkeit. Sie blieb stehen und ich blieb bei ihr stehen. „Henry? Wie siehst du denn aus?" fragte sie mich überrascht und ich hob fragend die Augenbraue. „Ich freu mich auch dich zu sehen", murmelte ich. „Oh... entschuldige. Ich wollte nur... ich war...." Stammelte sie. „In Gedanken?" vermutete ich und sie nickte betreten. „Was machst du hier?" fragte sie mich dann. „Arbeiten? Du bist hier grad mitten in die Dreharbeiten geplatzt", erklärte ich schmunzelnd und verwirrt sah sie sich um, errötete dann. „Gott, ist das peinlich. Ich...hab das überhaupt nicht mitgekriegt", entschuldigte sie sich und ich lachte. „Schon ok. Komm mit, ich bring dich hier raus", lächelte ich nahm einfach ihre Hand, zog sie hinter die Absperrung. „Warum liest du auf offener Straße ein Buch?" fragte ich nun.
„Das ist ein Stadtführer. Ich kenne mich hier doch überhaupt nicht aus. Ich muss in die Baker Street.", plapperte sie. „Baker street? Wolltest du dorthin laufen?" fragte ich lachend. „Äh, ja....?" Ich schmunzelte. „Da wärst du aber lange unterwegs gewesen. Weißt du, London ist groß.", lächelte ich. „Du bist hier zur Schule gegangen, dass solltest du wissen", erinnerte ich sie. „Henry! Bist du so weit?" rief mich unserer Kameramann. „Ja, sofort", rief ich zurück und wand mich dann wieder Sonja zu. „Wenn du etwas Zeit hast, dann kann ich dich bringen. Eine halbe Stunde etwa?" bot ich ihr an und sie schien kurz zu überlegen. „Okay", willigte sie dann ein. „Du kannst hier stehenbleiben und zusehen", erklärte ich und sie nickte.Mitten in irgendeine Filmproduktion zu laufen, das sah mir ähnlich. Wie peinlich mir das war. Ich war so vertieft in den Stadtführer und seiner Karte, dass ich nicht kapiert hatte, wo ich lang lief. Und als Henry plötzlich vor mir stand war ich total überrascht. Erst hatte ich ihn gar nicht erkannt, mit seinem Schnäuzer. Dann der graue Trenchcoat. Damit sah er aus, wie ein waschechter Brite. Der er ja auch war. Mir fiel auf, wie groß und massig er wirkte. Noch mehr, als ich ihn das letzte mal auf dem Klassentreffen gesehen hatte.
„Ich wäre dann soweit", hörte ich besagten Briten dann neben mir und ich wand mich ihm zu. Der Schnäuzer war noch immer da, doch den Trenchcoat hatte er gegen ein T-Shirt getauscht. Und als Accessoire hielt er einen großen, schwarz weißen Hund an der Leine. „Oh, wer bist denn du?" fragte ich den Hund und hielt ihm meine Hand zum beschnuppern hin. Als er freudig mit der Rute wedelte, streichelte ich ihn. „Das ist Kal. Mein Hund und bester Freund", erklärte Henry lächelnd. „Bist du startklar?" fragte er mich dann. „Logisch" erwiderte ich und folgte ihm zu seinem Wagen. Ein schwarzer Mercedes SUV. „Wie dekadent", murmelte ich und Henry lachte, ließ mich einsteigen und verfrachtete seinen Hund auf die Rückbank. „Wer hat, der hat", zwinkerte er und ich fragte mich, ob er so ein reicher Snob geworden war, was ich mir irgendwie nicht vorstellen konnte. Sonst würde er mich sicher nicht einfach so mitnehmen. „Erzähl, was verschlägt dich nach London?" fragte Henry mich. „Mein neuer Job. Nach jahrelanger Knipserei für die Tageszeitung wollte ich mal was anderes machen. Also fotografiere ich nun für einen Eventmanager." „Das klingt cool. Ich freue mich für dich", lächelte er und ich konnte sehen, dass er es ernst meinte. „Wo genau musst du hin?" fragte er dann. „Zur Agentur. Baker Street 376." Er nickte und bog ab. „Und du wohnst jetzt hier, oder pendelt du zwischen Stadt und Land hin und her?"
„Mein Bruder hat eine Wohnung in Holloway. Er ist kaum dort und hat mir angeboten, dort zu wohnen Allerdings muss ich die noch komplett renovieren. Leider ist er ein fürchterlicher Raucher", erklärte ich und verzog das Gesicht. Henry lachte. „Komm, du hast selber geraucht", erinnerte er mich. „Das ist Jahre her. Und ich hab nie und er Wohnung geraucht. Das ist ekelig." „Stimmt wohl. Holloway also. Nicht schlecht die Gegend", meinte er dann und bog ein weiteres Mal ab. „Mag sein. Was drehst du im Moment? Das sah irgendwie... wichtig und groß aus", fragte ich und hoffte, dass die Frage ok war. „Ich spiele im neuen Mission Impossible mit", erklärte er und es klang etwas Stolz mit. „Mit Tom Cruise? Das ist ja mega cool", entfuhr es mir und hielt mir die Hand vor den Mund. „Ja, oder?" pflichtete er mir grinsend bei und ich kicherte. Er freute sich wie ein Schneekönig. „Leider müssen wir jetzt pausieren. Wir wissen noch nicht wie lange. Tom hat sich gestern bei einem Stunt den Knöchel gebrochen."
„Aua", entfuhr es mir.
„Ja, Aua. Es hat mir beim Zusehen sogar wehgetan." Er verzog dabei das Gesicht. „Das heißt aber, ich hab ein bisschen Zeit. Wenn du also Hilfe beim Renovieren benötigst. Ich stehe zur Verfügung", bot er mir an und ich sah ihn mit offenem Mund an. „Du bietest mir an, mit mir die Wohnung zu streichen?" fragte ich ungläubig. „Ähm, ja?" kam es von ihm. „Du kannst doch nicht einfach...." Begann ich, brach aber ab. Henry lachte. „Und warum nicht? Glaubst du, ich kann nicht mit Farbe und Pinsel umgehen? Frag meinen Hund, der kann dir das bestätigen", plapperte er und ich musste lachen. „Ok, also eigentlich wäre Hilfe ganz gut", schmunzelte ich. „Gut, dann helfe ich dir. Musst du noch Farbe besorgen?" fragte er. „Ja", murmelte ich. „Ich weiß nur noch nicht wie. Ich habe meinen Käfer in Sully gelassen." Er grinste. Wusste ich doch, dass der Käfer ihr gehörte. " Kein Problem, ich fahre dich."
Ich war ein wenig überrumpelt, über seine Hilfsbereitschaft. „Warum tust du das?" fragte ich.
„Was denn?"
„Na mir helfen? Ich meine. Wir kennen uns kaum", gab ich zu Bedenken.
„Sonja. Wir kennen uns seit über 20 Jahren", lachte er. Ja das stimmte schon. Aber wir hatten bisher kaum was miteinander zu tun.
„Und dennoch kennen wir uns kaum", wand ich ein. „Das kann man doch ändern. Oder nicht?" entgegnete er. Ja, so einfach war es scheinbar. Ich lächelte nur vor mich hin. Er schmunzelte und lenkte den Wagen in die Baker Street.
„Es ist für dich bestimmt einfach, neue Leute kennen zu lernen", vermutete ich und Henry seufzte. „Kennen zu lernen ja, aber man weiß nie, wer es ehrlich mit einem meint", gab er zu. „Oh..." murmelte ich und Henry hielt am Seitenstreifen. „Da wären wir", lächelte er.
„Ich danke dir Henry. Das war sehr lieb von dir", bedankte ich mich.
„Das hab ich wirklich gern gemacht. Sag mir noch, wann du los willst, Farbe besorgen."
Ich überlegte. „Du musst das nicht machen. Du hast sicher genug anderes zu tun."
„Im Moment nicht. Und ich möchte gern. Also, sag mir wann und wo und ich werde da sein", versicherte er mir und ich lächelte. Ich gab ihm meine Adresse und wir machten 10 Uhr am nächsten Morgen aus.
„Gut, dann also bis morgen, Sunny", verabschiedete er sich und startete wieder den Wagen.
„Ähm, Henry?" Er sah mich an. „Kannst du mir noch sagen, wie ich von hier am besten nach Hause komme?" fragte ich und er lachte. Dann zeigte er nach Vorne. „Da vorne ist eine U-Bahn Haltestelle. Du fährst bis Kings Cross. Dort steigst du um. Ich glaube von Plattform 6 geht es weiter bis Holloway. Aber steig nicht auf Plattform 9 ¾ ein. Da geht es nur nach Hogwarts", erklärte er mir zwinkernd. „Hogwarts wäre auch nett. Danke", erwiderte ich und er fuhr los, nachdem er nochmal gewunken hatte.Dümmlich vor mich hin grinsend fuhr ich nach Hause. Da war Sunny einfach ins Bild gelaufen. Ich hatte mich gefreut sie wieder zu sehen. Ja, wir kannten kaum einander, und doch kannten wir uns seit über 20 Jahren. Es war gut, jemand vertrautes zu sehen. Ok, hier in London hatte ich einige Freunde und Familie, aber Sunny zu sehen war was Anderes. Sie war in den letzten Jahren noch reifer und hübscher geworden. Die Haare trug sie länger und ihre wilden Locken schmeichelten ihr Gesicht. Mir waren gleich wieder die Sommersprossen aufgefallen, die sie auf der Nase und den Wangen hatte.
Natürlich hatte ich ihr meine Hilfe angeboten. Sie kannte niemanden hier, wie ich vermutete. Bis auf ihren nicht anwesenden Bruder. Es machte zumindest den Eindruck. Und alleine eine Wohnung zu renovieren machte wenig Spaß. Es wunderte mich, dass sie so orientierungslos durch London gestreift war. Sie war, wie ich, hier jahrelang zur Schule gegangen. Aber scheinbar war sie nie wirklich ausgegangen.Ich ließ Kal in den Garten und schob dann die Schuhe von meinen Füßen, ließ mich auf die Couch fallen. Obwohl heute nicht viel zu tun war, war ich KO. Der Dreh verlangte einiges von mir ab, aber es machte mir tierisch Spaß. Mit Tom zu drehen war ein echtes Abenteuer. Wie oft war ich in den letzten Monaten schon über meinen Schatten gesprungen.
Meine Stunts selbst zu machen war was ganz Neues und es war aufregend. Aber so wie Tom würde ich wohl nie sein. Sein Sprung gestern war Wahnsinn. Im ersten Moment sah es sogar so aus, als würfe er komplett daneben springen. Ich hatte kaum hinsehen können.Mein Telefon brummte und ich zog es aus meiner Hosentasche. Eine Nachricht von meinem älteren Bruder Simon. „Du bist wieder im Lande! Geht heute noch was?" hatte er geschrieben. „Nein. Heute nicht mehr", schrieb ich knapp zurück. Dann klingelte es auch schon. „Hey, Großer", begrüßte ich ihn. „Hey Kleiner. Du hast echt kein Bock heute? Du bist wieder in der Stadt, und ich will was mit dir machen", versuchte er es. „Ich bin schon seit zwei Tagen zurück", erinnerte ich ihn . „Ich, äh... hatte keine Zeit", stammelte er und ich lachte. „Verstehe. Wann ist die Hochzeit?" fragte ich spaßeshalber. „Idiot", schimpfte er mich. „Los, gib dir nen Ruck."
„Heute nicht. Hab noch ne Verabredung."
„Ahhh. Da kommen wir der Sache schon näher. Wie heißt sie?" Ich musste mir das Lachen verkneifen. „Genaugenommen wird es ein Dreier", sagte ich und am anderen Ende war erstmal nichts mehr zu hören. „Ihre Namen sind Keybord und Mouse", verriet ich dann und Simon fing schallend an zu lachen. Ich stimmte mit ein. „Echt Henners. Für eine Sekunde hab ich es dir abgekauft", lachte mein Bruder noch immer. „Ich habs gemerkt."
„Ok, dann grüß Charlie, falls er auch online sein sollte", bat er mich. „Mach ich", versprach ich. „Morgen dann?" fragte er dann noch. „Ja. Morgen geht klar. Vielleicht bringe ich jemanden mit", erwähnte ich. „Ok. Jen wird dann auch wohl dabei sein. Jemanden vom Dreh?" „Nein. Jemanden aus der Schule damals", erklärte ich. „Du hattest Freunde in der Schule?" zog er mich auf. „Haha. Arschloch", brummte ich nun und Simon lachte. „Heute echt nicht?" versuchte er es ein letztes Mal und ich stöhnte genervt. „Schon gut, kapiert. Du wirst echt alt."
„Mag sein. Aber du bist schon alt", konterte ich. „Arschgesicht", beschwerte er sich und ich lachte. „Ich liebe dich auch. Bis morgen", verabschiedete ich mich und legte auf.Ich machte mir eine Kleinigkeit zu Essen und nachdem ich eine ausgiebige Runde mit meinem Hund Kal gelaufen war gönnte ich mir tatsächlich mal wieder einen Abend an meinem Computer. Mein jüngster Bruder Charlie war ebenfalls online uns wie versprochen richtete ich ihm Grüße von unserem Bruder aus. Charlie war der Jüngste von uns Fünf. Dann kam ich, dann Simon. Nick war der Zweitälteste und Piers machte unsere Handvoll komplett. Piers war ganze 10 Jahre älter als ich. Aber wir verstanden uns alle sehr gut.
Piers lebte noch auf Jersey mit seiner Frau und den beiden Jungs. Nick lebte hier in London, ebenfalls mit Frau und den beiden Söhnen. Nick war 7 Jahre älter als ich. Zwischen mir und Simon waren fünf Jahre und er und ich waren die einzigen ohne Frau und Kinder. Aber Simon hatte seit ein paar Monaten eine Freundin und war bis über beide Ohren verknallt. Ich freute mich sehr für ihn, denn ich konnte Jen gut leiden.
Charlie war zwei Jahre jünger als ich und lebte mit seiner Frau und den drei Kindern in Canada. Obwohl er am weitesten weg wohnte, war er mir am vertrautesten. Ich war Trauzeuge bei seiner Hochzeit und war Pate seines Sohnes. Seine Frau Heather war fünf Jahre älter als er und hatte zwei Kinder mit in die Beziehung gebracht. Sie war toll und passte perfekt zu meinem verrückten, kleinen Bruder.
Charlie und mich verband zudem die Arbeit. Wir hatten gemeinsam eine Produktionsfirma gegründet, die größtenteils er managte. Schon oft hatte er mich zu Promoterminen oder Filmpremieren begleitet. Nicht nur in Kanada. Und Heather unterstützte uns dabei voll. Ich hatte wirklich Glück mit meiner Familie.
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When superman is lovin' you
FanficSunny und Henry kennen sich seit der Schulzeit und sehen sich bei einem Schultreffen wieder. schnell wird aus Freundschaft liebe, aber kann sie auch standhalten?