Kapitel 22

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Abrupt wurde ich aus meinem Schlaf gerissen, als die Tür aufflog. Verschlafen wandte ich mich dem Ruhestörer zu und erkannte Julia, die sich mit einer Hand am Türrahmen festhielt und mich mit einem leichten Grinsen musterte. Reflexartig zog ich mir die Decke über den Kopf, „Was zur Hölle?", entfuhr es mir mit heiserer Stimme.

„Ich hab gerufen", meinte sie gelassen. „Steh auf, wir sind spät dran."

Bevor ich antworten konnte, spürte ich wie die Decke weggezogen wurde. Ernsthaft? Ich versuchte sie festzuhalten, doch der Stoff entglitt meinem Griff. Gewinnend blickte mich Julia an, ich funkelte entnervt zu ihr hoch.

„Ernsthaft?", fragte ich sie. Sie legte den Kopf etwas schief und zog wie gewöhnlich ihre Augenbraue hoch als sie mich herausfordernd anblickte. Es war als würde sie sagen: Willst du es wirklich mit mir aufnehmen? Ich schnaubte und stand auf um Richtung Bad zu gehen.

„Ich seh' dich in 10 Minuten", rief sie und verließ dann mein Zimmer.

Ich stellte mich vor den Spiegel und begutachtete mein verschlafenes Abbild. Herzlichen Glückwunsch Esme, du hast den höchsten Grad der Peinlichkeit erreicht. Ich wusch mein Gesicht und zog mich schnell um. Ich stopfte meine Schulsachen sorglos in meine Tasche und ging dann nach unten.

Auf dem Esstisch war ein Teller bereitgestellt, ich trat heran und mein Magen knurrte beim Anblick von goldbraunem Toast, Spiegelei und frischem Salat. Frau Lorenz kam aus der Küche, sie blickte von ihrem Smartphone auf und lächelte. „Kaffee?", fragte sie, ich nickte verdutzt. Ich setzte mich und fing schweigend an zu essen, während ich beobachtete wie meine Lehrerin mit einer dampfenden Tasse zurückkehrte. Sie stellte sie vor mich ab.

„Dankeschön", murmelte ich und als der erste Schluck des heißen Getränkes durch meinen Körper floss und mich in ein wohlig warmes Gefühl tauchte, war ich bereits dabei ihr den Einbruch von vorhin zu vergeben. Ich frühstückte schnell fertig und räumte auf um nach oben zu rennen und in Rekordzeit meine Zähne zu putzen. Als ich endlich fertig wieder im Wohnzimmer stand, wartete Julia auf mich, sie warf mir einen tadelnden Blick zu ich nuschelte schnell eine verlegene Entschuldigung und folgte ihr dann nach draußen zum Auto. Das Wetter hatte umgeschlagen und man hatte endlich das Gefühl, dass es wirklich Frühling war. Die Luft war zwar zu dieser frühen Stunde noch recht frisch, aber am Himmel erblickte ich kaum Wolken. Ich stieg in den Wagen, bald darauf wurde die Fahrertüre geöffnet, Frau Lorenz stieg auf den Sitz und schaltete den Motor an. Sie fuhr aus der Einfahrt und schaltete dann das Radio an. Ein kleines Lächeln legte sich auf meine Lippen, ich lehnte mich zufrieden zurück und blickte zum Fenster hinaus. Hieran könnte ich mich gewöhnen.

~~~

„Sie kocht für dich?", fragte Kenia erstaunt und lehnte sich an das Waschbecken, um sich nah an den Spiegel zu drücken und die verschmierte Wimperntusche von ihrem Lid abzuwischen. Ich lächelte und trocknete meine Hände ab, „Jup... und sie ist ziemlich gut darin", ich trat zurück und beobachtete wie Kenia ein letztes Mal ihr Aussehen im Spiegel richtete, bevor sie die Tür der Mädchentoilette aufstieß und wir gemeinsam auf den Flur traten.

„Gibt es zufällig noch Platz im Haus?", witzelte sie und ich lachte, wir traten gemeinsam in unser Klassenzimmer und setzten uns auf die hintersten Plätze.

Schon bald trat Frau Lorenz ein und legte ihre Sachen neben dem Lehrerpult ab. Es war seltsam zu wissen, dass ich sie heute schon einmal gesehen hatte, vor der Schule. Meine Augen folgten jeder ihrer Bewegungen, ich konnte mir nicht helfen. Sie war so wunderschön. Julia fuhr sich mit der Hand durch die haselnussbraunen Haare, die in dem Sonnenlicht einen fast kupfernen Schimmer hatten und ließ ihren Blick durch die Klasse schweifen. Als er meinen begegnete, katapultierte mein Herz. Sie zwinkerte mir verschwörerisch zu und ich schaute schnell weg.

Nach 45 Minuten, durchschnitt die Schulklingel schließlich die angenehm ruhige Atmosphäre im Klassenzimmer. Kenia stopfte augenblicklich ihr Mäppchen in ihre Tasche und verabschiedete sich hastig bevor sie die Stufen hinuntereilte. Sie hatte gleich ihre Fahrschulstunde und ich wollte sie nicht aufhalten. Ich packte gemächlich ein und ging dann ebenfalls nach vorne wo Frau Lorenz noch am Pult saß. Ich zögerte und wartete bis der letzte Schüler den Raum verlassen hatte, bevor ich mich vor sie stellte.

„Soll ich mit dem Bus fahren?", fragte ich verlegen und betrachtete wie ihre Hand mühelos den Füller über das Papier trug und eine saubere Schrift hinterließ. Sie blickte nicht auf als sie antwortete.

„Nein, ich bin bald fertig".

Ich setzte mich auf den vordersten Tisch und wartete. Und wartete. Unsere Definitionen von "bald" unterschieden sich auf jeden Fall. Schließlich stand ich wieder auf und ging Richtung Ausgang. Eine forsche Stimme ließ mich innehalten.

„Was machst du?",

Ich drehte mich um und sah sie stirnrunzelnd an, „Ich nehm' den Bus...?"

„Nein", sie wandte den Blick wieder ihrer Arbeit zu und hinterließ mich verblüfft.

„Wie, Nein", fragte ich, zweifelnd, ob ich richtig verstanden hatte.

„Du wartest, bis ich fertig bin. Und falls ich dich erinnern darf, du hast keinen Schlüssel also kommst du sowieso nicht ins Haus ohne mich", sagte sie mit ruhiger Stimme. Ich warf ihr einen entnervten Blick, zu den sie nicht sah, da sie das Blatt vor sich anblickte.

„Und wenn nicht?"

Endlich sah sie auf und mein Trotz wurde beiseite gefegt als ich den Ausdruck in ihren Augen sah. Sofort drohte ich, unter dem eisigen Blick mit dem sie mich durchbohrte, einzuknicken.

„Das wirst du herausfinden, sobald du auch nur einen Schritt aus diesem Raum setzt", meinte sie kühl.

Meine Kiefermuskeln zuckten als ich schließlich unter ihrem Blick nachgab und zurück zum Tisch lief, wo ich mich gegen die Platte lehnte und beleidigt aus dem Fenster starrte.
Es dauerte eine Weile, fast hatte ich das Gefühl sie würde sich extra Zeit nehmen, um mich zu bestrafen. Was für ein Bullshit.

Endlich packte sie ihre Sachen zusammen, die ganze Zeit lang spürte ich ihren Blick auf mir ruhen. Als sie auf mich zukam, blickte ich fragend zu ihr auf und stellte fest, dass ein unheilschwangeres Lächeln ihre Mundwinkel kräuselte während sie mich anpirschte wie ein Raubtier seine Beute.

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