Kapitel 18

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Der Freitag zog sich in die Länge, besonders da Kenia krank war. Zu meinem Schreck schickte sie mir jedoch zahlreiche Nachrichten mitten im Englischunterricht, wodurch ich natürlich einen erbosten Blick von Herrn Messner erntete, ich war mir ziemlich sicher, dass er mich inzwischen hasste. Ich quälte mich durch die Mittagspause, lungerte in der Umkleide herum und wartete darauf, dass ich die letzte Doppelstunde Sport hinter mich bringen konnte damit auch diese Schulwoche endlich überstanden war. Immerhin konnte ich mich so alleine umziehen, bevor die anderen Mädchen die Umkleide stürmten und Haarbürsten und Deos durch die Luft flogen.

Ich fühlte mich etwa so sportlich wie mein Outfit: eine graue Jogginghose und ein verwaschenes, lockeres Shirt. Doch was mir an Motivation mangelte, strahlte Frau Lorenz zehnfach aus, wie ich feststellte als ich die Turnhalle betrat. Die Missbilligung die ich wieder verspürte, als ich Herr Martin neben ihr erblickte, konnte ich nun endlich als Eifersucht einordnen und ich seufzte leise. Ich hatte nicht die Geduld zwei Stunden zuzusehen wie unser Sportlehrer sie umschwärmte, auch wenn ich verstehen konnte wieso.

Zum Glück entschieden sich die zwei uns die ganze Stunde lang Volleyball spielen zu lassen, wegen des kommenden Schulturniers. Wir übten also die erste Hälfte des Unterrichts in Zweierpaaren, dann wurde die Klasse in zwei Teams eingeteilt, in denen wir gegeneinander spielen sollten. Frau Lorenz stand am Rande des Netzes, neben ihr natürlich Herr Martin der die Anzeigetafel in der Hand hielt. Ein mieses Gefühl breitete sich in mir aus, als er sich zu ihr herüber lehnte und etwas in ihr Ohr flüsterte, zu allem Übel schien sie das, was auch immer er gesagt hatte, amüsant zu finden.

Unser Team punktete und wir rotierten. Ich hatte nun die Position 4 inne, ich beugte meine Knie, stütze meine Hände ab und konzentrierte mich wieder auf das Spiel. Das Mädchen von unserer Gruppe vermasselte den Aufschlag und das Gegenteam hatte nun den Ball. Der Junge warf den Ball in die Höhe, schlug ihn mit der flachen Hand, doch auch hier flog der Ball ins Netz. Was für ein spannendes Spiel. Ich blickte zu der Anzeigetafel, 19 - 17 für uns. Wie beiläufig glitt mein Blick zur Seite wo meine Lehrerin stand, stellte dann jedoch fest, dass sie mich ebenfalls anschaute. Ein undefinierbarer Ausdruck lag auf ihren Zügen, der mich wundern ließ, was sie wohl gerade dachte. Mit einem Schlag wurde mir meine Haltung klar und ich richtete mich mit hochrotem Kopf auf, als ich realisierte, dass sie mir nicht in die Augen schaute. Ihr Blick flackerte hoch und endlich begegneten er meinem. In Anbetracht der Tatsache, dass ich sie auf frischer Tat beim Starren erwischt hatte, zeigte sie keinen Anflug von Scham oder Verlegenheit. Im Gegenteil, ein fast anzügliches Lächeln kräuselte ihre Mundwinkel und ich musste den Augenkontakt abbrechen da ich am liebsten im Erdboden versunken wäre.

Unser Team gewann mit knapper Führung, Herr Martin sagte noch etwas von wie dringend wir an den Aufschlägen zu üben hatten und entließ uns dann.

Ich hatte fast den Ausgang der Halle erreicht als Herr Martin noch etwas hinterherrief, "Wir brauchen noch jemanden der das Netz aufräumt!".
Zu spät, der Großteil hatte die Halle bereits verlassen.

"Olivia, Esme"

Ich drehte mich um, "Netz abbauen", er machte eine Kopfbewegung in Richtung des Netzes und ich verdrehte genervt die Augen als er mir den Rücken zuwandte. Das andere Mädchen, Olivia, ging schnurstracks zu Herrn Martin um ihm zu helfen und ich trottete mürrisch auf die andere Seite. Unbeholfen zog ich den Balken aus dem Boden, schleifte ihn einige Meter und erblickte dann Frau Lorenz mit dem Rücken zu mir stehen.

"Ähm...können Sie mir bitte helfen?", sprach ich sie an. Sie wandte sich um und augenblicklich legte sich ein charmantes Grinsen auf ihre vollen Lippen. "Natürlich", sagte sie ungewöhnlich heiter, trat heran und hob das andere Ende des Balkens hoch, gemeinsam trugen wir ihn zur Garage.

"Und, du darfst mich übrigens duzen, wir wohnen schließlich bald in einem Haus", meinte sie. Ich blickte sie verstohlen von der Seite an. Die Nervosität erwacht in mir, ließ meine Hände zittern. Wir legten den Balken auf die metallene Halterung ab und ich blickte sie an. Sie sagte es so selbstverständlich.

"Ok", sagte ich befangen.

"Also ab jetzt Julia und du, natürlich nur außerhalb der Schule", ihr Lächeln war trügerisch freundlich und ich beäugte sie skeptisch. Der Gedanke sie zu duzen fühlte sich merkwürdig verboten an, wenn auch eine gewisse freudige Aufregung in meinem Bauch kribbelte, als ich mir vorstellte ihren Namen aussprechen zu dürfen. Julia...

"Ja?"

"Nein nichts äh...haben ihre Eltern Sie dann Juliette genannt?", stammelte ich im Versuch das Ruder herumzureißen, merkte jedoch wie dämlich meine völlig intuitiv gewählte Frage klang.

Frau Lorenz zog amüsiert eine Augenbraue hoch, "Wenn du doch diesen Elan an meine privaten Informationen zu kommen, mal stattdessen im Unterricht zeigen würdest", witzelte sie. Ich unterdrückte den Impuls meine Augen zu verdrehen.

"Sehr witzig... also?", ich blickte sie abwartend an.

"Ich denke das geht dich nichts an", meinte sie schlicht, ihr wachsamer Blick verriet mir, dass sie meine Reaktion genaustens beobachtete. Natürlich ging es mich nichts an, das alles, was sie mir während der Autofahrt erzählt hatte, ging mich ja schließlich auch nichts an.

"Hm...Sie können es mir trotzdem sagen, so ganz unter Zimmergenossinnen", scherzte ich und lächelte unschuldig.

In einem Anflug von Belustigung und Überraschung hob meine Lehrerin beide Augenbrauen, "Ach, wir teilen uns also ein Zimmer?", fragte sie.

Meine Wangen drohten sich in einem dunklen Scharlachrot zu färben als ich meinen Fehler bemerkte und ich presste beschämt meine Lippen zusammen. Frau Lorenz, oder Julia, stützte sich mit einer Hand auf dem Mattenstapel neben uns ab, sie blickte mich gespielt nachdenklich an.

"Teilen wir uns dann auch ein Bett? Oder wie hast du dir das vorgestellt...", sie biss sich auf die äußere Unterlippe, um ein fast diabolisches Grinsen zu unterdrücken. Ihre Augen funkelten dabei, es schien ihr wirklich riesigen Spaß zu machen. Sadistin!

"Ich hab mir nichts vorgestellt", entgegnete ich, ignorierte stur die pulsierende Hitze in meinem Nacken. Sie lächelte wissend, nahm die Hand wieder von der Matte, "Wenn du meinst".

Meinen Fluchtweg erkennend, versuchte ich aus der Lage zu entkommen und zwängte mich an ihr vorbei. Mein Puls schoss in die Höhe als ich in Berührung mit ihrem Körper kam. Wow das war nah, viel zu nah.

"Bis morgen Esme", raunte sie mir zu, ihr warmer Atem schlug gegen meine Lippen. Ich drohte kurz mich in ihren dunklen Augen zu verlieren.

"Tschüss", presste ich mühsam hervor als ich endlich an ihr vorbei war und lief dann so schnell wie möglich im Versuch nicht wie ein fliehendes Beutetier auszusehen, aus der Halle.

𝔼𝕟𝕚𝕘𝕞𝕒Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt