Kapitel 33

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Das Fahrerfenster war heruntergelassen, sodass der Wind mit ihren dunklen Haaren spielen konnte. Die Spitzen waren noch feucht und bei der Erinnerung an den buchstäblich atemberaubenden Sex, den wir in der Dusche geteilt hatten, spürte ich bereits wie sich wieder meine Libido regte. Der Duft ihres Shampoos lag in der Luft, war in meinen eigenen Haaren. Es gefiel mir nach ihr zu riechen, ihren Duft an mir zu tragen.

Julia hatte einen Arm durch das offene Fenster hängen, mit der Bluse bis zum Ellenbogen hochgekrempelt hatte diese Haltung auf reizvolle Art etwas Androgynes an sich. Ich blickte mit einem seligen Lächeln aus dem Autofenster und konnte mir nicht helfen, auch etwas traurig zu werden bei dem Gedanken, dass unsere gemeinsame Zeit nach unserer Rückkehr schwerer zu finden sein würde. Dazu kam das Risiko, dass mein Vater Wind von unserer Beziehung bekam. Wie sollte es überhaupt weiter gehen?

Wir fuhren schon seit einer Weile, das Häusermeer hatte sich indes aufgelichtet und unsere Fahrroute wurde stetig grüner. Felder zogen vor meinen Augen vorbei, darüber der blaue Himmel mit wenigen, wattigen Wölkchen. Mit Verwunderung, nahm ich zur Kenntnis, wie wir abbogen und in einen Wald hineinfuhren.

"Ist das eine andere Route?", murmelte ich und unterbrach für einen Moment das angenehme Schweigen zwischen uns. "Mhm", machte sie nur gedankenverloren und ich lehnte mein Gesicht an das Fenster, um in das Dickicht zu blicken. Vereinzelte Sonnenstrahlen drangen hier und da durch das frische Laub und der Wind ließ die hellen Sprenkel über dem Erdboden tanzen. Der Wagen bog nun ab und fuhr einen eher rumpeligen Hang auf.

"Hast du vor mich zu entführen?", scherzte ich.

"Hier in der Nähe ist eine schöne Stelle", erklärte sie schmunzelnd. Ich sah sie kurz überrascht an bevor sich ein Grinsen auf meinem Gesicht ausbreitete, "Ist das ein Date?". Ihr Blick war auf die Straße gerichtet, doch ich sah genau, wie sie bei meinen Worten kurz stutzte und sich ein Anflug von Verlegenheit auf ihrem Gesicht ausbreitete. Frau Lorenz und verlegen? Sie hatte sich jedoch schnell wieder gefasst, lächelte und antwortete in gewohnter Gelassenheit und Charme.

"Wenn du das so nennen möchtest"

Der Wagen hielt und Julia stieg aus und öffnete den Kofferraum. Als ich hinausblickte sah ich, dass wir am Straßenrand standen, ein Grashügel führte seitlich hinauf. Ich trat ebenfalls auf die Straße und musste mich sputen, den langen Schritten meiner Lehrerin zu folgen die bereits den Hang erklomm.
Eine seichte Brise kühlte meine Stirn, wiegte die Grashalme. Ein Blick nach vorne verriet mir, dass ich getrödelt hatte, Julia stand weit voraus, bereits oben angekommen. Ihre Haare flatterten im Wind und gaben der ganzen Szenerie etwas Filmisches. Schnell holte ich auf und trat neben sie.

"Whoaa", entkam es mir wie einem kleinen Kind. Aber was für ein Bild! Vor uns erstreckte sich weites Grasland, teils bunt gesprenkelt von zierlichen Krokussen. Im Tal wand sich der Fluss, viel breiter als in der Stadt. Angrenzende Felder, kleine Häusergruppen, dunkle Wälder. Die ganze Szenerie hatte etwas märchenhaft Liebliches im Kontrast zu der Stadt, die auf der anderen Seite liegen musste.

"Traumhaft, nicht?", sagte Julia neben mir.

"Total! Wie ein Gemälde...", stimmte ich begeistert ein und verlor mich, während ich mich in der Schönheit der Umgebung weidete. Ich war in der Stadt geboren und aufgewachsen, einen solchen Anblick bekam man nur selten zu Gesicht.

"...oder?", mit kindlicher Freude wandte ich mich Julia zu.

Ihre Augen lagen auf mir. Wieder, dieser Glanz in ihren warmen Augen, ein Ausdruck so tief, dass ich mich nur verlieren würde in dem Versuch ihn zu lesen. Und jetzt auch so eindeutig, dass es nicht meiner Vorstellung hätte entspringen können. Fast widerwillig wandte sie ihren Fokus von mir ab, um hinauszuschauen. Ein leises Räuspern folgte, "Doch, tatsächlich", sie grinste schief und ich musste ebenfalls lächeln. Erst jetzt sah ich, dass sie eine zusammengerollte Decke in der Hand hielt, die sie nun auf der Wiese ausbreitete. Wir setzen uns und ich grinste sie an bis sie fragend die Augenbraue hob.

"Was?", fragte sie und ich zuckte nur mit den Schultern. "Nichts", sagte ich weiterhin grinsend und legte mich hin, um mit leicht zusammen gekniffenen Augen gen Himmel zu blicken.

Wir blieben für eine ganze Weile. Sie wirkte so zufrieden und entspannt. Zurückgelehnt, das Gewicht mit ihren Händen abgestützt und den Kopf in den Nacken gelegt. Die Augen geschlossen. Ihre Haare fielen in seichten Wellen herab, wehten leicht im Wind. Traumhaft. Als wären alle Sorgen aus ihrer Gedankenwelt verbannt, als könnte sie nun endlich die Anspannung loslassen und genauso erging es mir auch. Hier und jetzt, vielleicht vergänglich aber dennoch, war das Gefühl, nach dem ich mich in meinem Leben gesehnt hatte. Der Moment nach dem ich gesucht hatte, ohne es zu wissen.

Nach langer Zeit mal wieder ein Update von mir 🙈, danke fürs Lesen! Ich würde mich riesig über Feedback freuen :)

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