Teil 4

641 38 2
                                    

"Guten Morgen, aahh, Herr Gott, Herr Milicaj müssen Sie mich so erschrecken?!", sofort hellwach bei dem Lärm, hebe ich verschlafen den Kopf. Die Schwester ist starr vor Schreck im Türrahmen stehen geblieben und ich versuche, mich an die Morgendämmerung zu gewöhnen. Mein Blick gleitet zum Fenster, wo Flo, ein Bein auf dem anderen abgelegt hat und auf einem der Stühle sitzt. Er trägt die Klamotten von gestern Abend, auf seinem hübschen Gesicht schimmert ein leichter Bartschatten und er sieht verdammt müde aus. Langsam schiebe ich mich im Bett ein Stück nach oben und sehe wieder zu der Krankenschwester, die sich nicht bewegt und Flo anstarrt.

"Sie können das Frühstück auf dem Tisch abstellen", sage ich und sie stellt es ab. Schließt die Tür und ich gehe kurz ins Bad. Ich mache mich frisch und frage mich, wie lange er schon dort sitzt. Zurück in meinem Zimmer, schalte ich das Handy wieder ein und sofort erscheinen zehn verpasste Anrufe von ihm auf dem Display.

Er sagt weiterhin kein Wort und ich gehe unsicher auf ihn zu, sein Blick folgt mir, wie der von einem Tiger, der auf seine Beute lauert.

"Seit wann bist du hier?", breche ich die unerträgliche Stille.

"Lange genug", antwortet er heiser und steht auf. Mit zwei großen Schritten ist er bei mir und umfasst meine Hüften. Sein heißer Atem, vermischt mit dem Geruch nach Bourbon schlägt mir entgegen. Mit einem festen Ruck zieht er mich an seinen harten Körper. Ich senke unschuldig den Blick auf seine schwarzen, glänzenden Lederschuhe.

"Ich habe das getan, was du verlangt hast", sage ich mit naivem Unterton. Er holt tief Luft, hebt mein Kinn an und schaut mich mit seinen stechenden grauen Augen an.

"Hast du auch nur den Hauch einer Vorstellung, was du gestern mit mir angestellt hast?! Ich musste alle Arbeiten abgeben, denn nur der Gedanke, dass dieser Arzt hier auftaucht und dich so sieht, hat etwas in mir ausgelöst, was ich überhaupt nicht kenne. Die Eifersucht hat mich innerlich aufgefressen, Marin hat mich hergeschickt, weil er meine Laune nicht mehr ertragen hat. Morgen fliegen wir nach Tirana, das kostet mich schon genug Nerven. Wie hast du geschlafen?"

"Hervorragend, du siehst müde aus, ich bezweifele, dass du in der Lage bist, die verlorene Zeit nachzuholen", zwinkere ich ihm zu und gleite mit den Fingern über seine Brustmuskeln. Flo beißt mir spielerisch in die Schulter, leckt mit der Zungenspitze an meinem Hals entlang.

"Ich bin seit halb vier hier und habe mir vorgestellt, wie ich dir die Klamotten vom Leib reiße und dich in den Wahnsinn treibe, wie du es gestern Abend mit mir gemacht hast", sagt er mit tiefer Stimme und schiebt seine Hände an den Seiten hoch und runter. Ich stöhne leise, gleite mit der Hand zu seinem Schritt und lasse sie über der wachsenden Beule schweben, stelle mich auf Zehenspitzen und nähere mich seinem Ohr.

"Das klingt sehr verlockend, aber wir müssen die Visite noch abwarten."
Ich küsse ihn auf den Hals und er hebt mich in einer geschmeidigen Bewegung auf seine Hüften. Geht mit mir zum Tisch und lässt sich auf den Stuhl fallen. Ein Blick unter den Deckel des Tabletts verrät mir, warum ich so viel abgenommen habe, ich teile alles mit Flo und wir planen den weiteren Tagesablauf. Nach dem Frühstück dusche ich und packe alle Sachen zusammen.

"Die Flüge sind gebucht, wir fliegen um sechzehn Uhr. Luana und Arian erwarten uns gegen halb neun. Marin fährt direkt zu meiner Mutter. Wo bleibt denn die Visite, es ist gleich Mittag?!", sagt er angespannt und fängt an, auf und ab zu tigern. Mit einem tiefen Seufzer lasse ich mich zum Koffer auf das Bett sinken.

"Ich hoffe Toni wacht auch bald auf, es macht mich verrückt, das ich weg bin und nicht für ihn da sein kann."

"Gib ihm Zeit, wenn wir in drei Wochen zurück sind, ist er bestimmt auch wieder fit und gibt Anweisungen für Eröffnung."
Es klopft und die Visite betritt das Zimmer, der Professor sieht sich die zurückgebliebenen Narben an, entfernt den Verband am Arm und tastet meinen Bauch zum Schluss ab.

Ich gebe den großen Rosenstrauß bei den Schwestern ab und verabschiede mich mit einem Scheck. Hand in Hand verlassen wir die Uniklinik und treten raus in die Wärme.

"Bereit für dein zweites Leben?"

"Ja", sage ich voller Überzeugung.

"Ich hole schnell das Auto, warte doch hier auf der Bank", ich setze mich und schaue Flo hinterher. Die Sonne scheint mir ins Gesicht, ein ungutes Gefühl breitet sich in meiner Brust aus, wenn ich an die bevorstehende Beerdigung denke. Ich bin so in die dunklen Gedanken vertieft, dass ich erschrocken zusammen zucke, als Flo am Straßenrand hupt. Er steigt aus, öffnet die Beifahrertür und hilft mir beim Einsteigen.

"Was ist los?", fragt er besorgt, nachdem er sich in den Verkehr eingefädelt hat.

"Ich habe an die Beerdigung und das Treffen mit deiner Mutter gedacht, wie soll ich ihr unter die Augen treten, wenn ich ihren Mann auf dem Gewissen habe?!"

"Hör auf. Der tödliche Schuss kam von meinen Leuten, seit dem Vorfall auf der Hochzeit, behalten dich zwei von ihnen im Auge. Wenn notwendig sogar mit Gewalt, meine große Liebe lebt und mein Vater ist tot. Das wird sie nie erfahren", sagt er kalt. "Weiß Marin Bescheid?"

"Nein. Er weiß, dass ich für dich sterben würde. Und jetzt hör auf, ich will nichts mehr von der Vergangenheit hören."
Nach einer halben Stunde sind wir am Appartement angekommen, er greift nach meiner linken Hand und küsst sanft den Ring.

"Ich will dich nur für mich. Bei dir lässt uns deine Mutter nicht aus den Augen", sagt Flo mit einem süffisanten Lächeln.

Seine Wohnung ist penibel aufgeräumt, es riecht frisch geputzt und er schiebt den Koffer ins Bad. Bei meinen letzten Besuchen habe ich noch keinen Blick hinein geworfen, was ich sofort bereue. Es ist riesig, schwarze Bodenfliesen aus Marmor, hellgraue Wandfliesen und eine Spiegelfront, die sich über die komplette Wand mit zwei Waschbecken zieht. Flo stellt die Kosmetiktasche auf die Ablage und ich sehe mir die große Eckbadewanne genauer an, die einen Ausblick über die Innenstadt inklusive hat. In der anderen Ecke ist eine ebenerdige Dusche und daneben die Toilette.

"Badest du mit mir?", frage ich anzüglich.

"Die habe ich noch nie benutzt."

"Oh, Schreibtisch, Auto, heute Badewanne, mal sehen, was noch auf der Erste-Mal-Liste erscheint." Sein Blick verdunkelt sich und er schließt mich in seine Arme, seine Zunge schiebt sich gierig in meinen Mund und ein tiefes Stöhnen wird von unserem Kuss verschlungen. Widerwillig unterbricht Flo ihn und sieht mich liebevoll an.

"Ich muss noch ein paar Telefonate führen, mach es dir auf der Couch bequem und ruh dich aus",
er wartet bis ich vor dem Fernseher liege und verschwindet im Büro. Ich rufe kurz meine Mutter an und sage ihr, dass ich morgen kurz vorbei komme, um die Sachen für den Urlaub zu packen. Nach dem Gespräch werden meine Augen immer schwerer, so dass ich bei Friends einschlafe.

Der Geruch nach Pizza und Rotwein weckt mich, die Sonne ist verschwunden und der Wohnbereich ist nur leicht beleuchtet.

"Wie spät ist es?", frage ich Flo verschlafen, der auf der Lehne der Couch mit seinem MacBook sitzt. Er ist barfuß, trägt kein T-Shirt, nur eine tiefsitzende schwarze Jogginghose und die Haare schimmern noch feucht.

"Gleich acht, ich wollte dich nicht wecken", er reicht mir ein Glas Wein und stößt mit mir an. Schaltet den Computer aus und wir klappen die Pizzakartons auf, im Schneidersitz sitzen wir uns gegenüber, reden über alles mögliche und essen friedlich miteinander.

Nach dem Essen legt Flo seine Füße auf den Tisch, hält sein Glas in der linken Hand und meine Füße ruhen unter seiner rechten Hand in seinem Schoss.

"Du hast gar keinen Ring, das müssen wir morgen unbedingt noch ändern", ich fahre träge über den Ringfinger.

"Schwebt dir denn schon einer vor?"

"Ja, aber jetzt will ich die versprochene Badewanne", ich stehe auf, stelle mein leeres Glas auf den Tisch, streife mein T-Shirt über den Kopf, schlüpfe aus der Yogahose und lasse ein Unterwäschestück nach dem anderen, auf dem Weg ins Bad fallen.

Dark Rose Band 2 ~ Wir ~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt