Kapitel 23

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Noah Cano

Luc und ich schwiegen uns schon seit einer Ewigkeit an. Es war, als wäre alles, wofür wir die letzten Jahre gekämpft hatten, eine Lüge gewesen. Eine hinterhältige, gemeine Lüge, die jetzt wie ein Bumerang zurückschlägt.

„Wie lange bist du schon in Sonia verliebt?", durchbrach ich das unangenehme Schweigen schließlich. Meine Stimme war kalt und klang fremd. Doch niemals würde ich Luc verziehen können, was er mir angetan hatte.

Dieser saß mir gegenüber an die kalte Wand gelehnt, die Beine lässig auf dem Boden liegend und eine Hand hatte er hinter seinen Kopf gelegt.

Luc guckte erstaunt zu mir hoch und ich konnte ihm ansehen, dass er sich schuldig fühlte. Trotzdem würde ich niemals Gnade walten lassen. Verräter bleibt Verräter.

„Seit dem ersten Moment, in dem ich sie gesehen hatte, wusste ich, dass sie jemand ganz Besonderes ist. Aber dann wart erst ihr und später dann sie und Manuel zusammen."

Es war deutlich zu erkennen, dass Luc schluckte und ich würde ihm am liebsten eine reinhauen. Er sollte mich um Vergebung anbetteln, die ich ihm nie gewähren würde.

Aber stattdessen saß ich da und starrte unentwegt auf meine Hände, die ich vor meinem Buch verschränkt hatte.

Dann fragte ich mit fester Stimme:„ Wieso hast du es mir nie erzählt?"

„Du hattest es verdient glücklich zu sein und das warst du mir ihr.", kam die schnelle Antwort und ich richtete meinen Blick auf ihn. Ich suchte eine Lüge, ein kleines Zucken. Irgendetwas musste ihn verraten und mir die Bestätigung geben, dass Luc eigennützig und nicht für mich gehandelt hatte.

Doch Luc war noch nie jemand gewesen, der an sich dachte. Sein Ziel war es immer gewesen Lucia und mich glücklich zu sehen, auch wenn ich bis heute nicht wusste warum er es tat. Es war das größte Geheimnis unserer Freundschaft.

„Ich habe lange überlegt, ob", Luc rieb sich nervös den Ellbogen und mein Blick folgte der Bewegung, „sie es wert ist. Aber ich konnte sie nicht sterben lassen, nur damit ich eine reine Weste behalte."

„Niemand hat eine weißte Weste, Luc. Wir alle sind schon auf dem Weg zu dem Teufel und auf halber Bahn taten wir schon genug, um die Hölle zu verdienen.", erwiderte ich nur. In mir kochte ein Gefühl, dass ich nur zu gut kannte. Es war weder Wut noch Trauer. Enttäuschung.

Etwas, das ich in letzter Zeit viel zu oft fühlte. Was hatte ich getan, damit mich jeder verriet?

Luc, der meine trüben Gedanken erahnen musste, schaute mich an und meinte dann vorsichtig:„ Die Liebe ist es wert, dass man diesen Weg geht. Wir leben um zu lieben und wenn wir diese eine Person finden, dann waren all diese Qualen es wert. Es ist nicht die Person oder das Gefühl, das uns dann zu dem Menschen macht, der wir sind. Vielmehr ist es das Bedürfnis alles zu tun, was diese Person glücklich macht."

Ich schwieg unerbittlich und Luc seufzte.

Plötzlich stand er aber auf und ich schaute verwirrt zu ihm hoch. Er machte einen Schritt in die Mitte des Raums und zeigte zudem mit dem Finger auf mich:„ Du Noah. Du müsstest mich am besten verstehen. Hast du nicht alles über Bord geworfen, damit Camilla glücklich ist und bei dir bleibt? War es nicht dein Plan Italien zu übernehmen. Aber stattdessen befinden wir uns in Spanien in einer kleinen Zelle und die ganze Mafia droht unterzugehen. Also sag mir eines. Hättest du anders gehandelt als ich?"

„Ich hätte nie meinen besten Freund verraten!", rief ich empörte und stand ebenfalls, die Hände zu Fäusten geballt, auf.

Jetzt standen wir uns direkt gegenüber und starrten uns wütend in die Augen. Sowohl Luc, als auch ich, würden nicht einen Zentimeter nachgeben. Nicht mehr jetzt. Die Vorwürfe, die Luc mir gemacht hatte, sollten mich dazu bringen in sofort zu töten, aber das konnte ich nicht. Er hatte mit einer Sache schließlich Recht. Wir saßen wirklich in einer von Davids schmutzigen Zellen, deren modrigen Geruch ich nicht einmal mehr wahrnahm.

Luc, der seine Lippen aufeinander presste, funkelte mich an und presste dann hervor:„ Doch. Du hättest es getan."

„Wie kannst du es wagen so etwas zu sagen. Als wir klein waren, da schwor ich dir, dass wir zusammen bis in die Hölle gehen. Es war der einzige Schwur, der dich vor allem bewahrt, was dir eigentlich schon durch meine Hand widerfahren sollte. Aber stattdessen wagst du es mir ins Gesicht zu schauen und mir vorzuwerfen ich wäre wie du."

„Du bist nicht wie ich. Da hast du Recht, Noah. Du bist viel schlimmer. Wenn ich dich sehe, dann sehe ich inzwischen keinen ehrenhaften, starken Mann mehr. Du bist eine Witzfigur. Deine Stärke und dein Sein hast du schon vor langer Zeit aufgegeben. Stattdessen bist du kalt, herzlos und hasserfüllt. Ich schäme mich nicht einmal mehr für dich. Du tust mir leid.", beendete Luc und ich konnte nicht verhindern, dass ein kleiner Stich durch mein Herz fuhr. Es war für mich nicht möglich, Lucs Wort zu erfassen. Mit einer Hand fuhr ich mir aufgewühlt durchs Gesicht.

Dann holte ich aus. Meine Faust traf mit voller Wucht Lucs Gesicht. Dieser drehte sich erschrocken nach rechts, aber ausweichen war ihm unmöglich. Sein Gesichtsausdruck verriet nicht viel, aber ich konnte genau sehen, dass ich seine Nase getroffen hatte. Aus dieser floss etwas Blut und seine Augen waren wässrig. Luc wischte sich mit dem Handrücken das fließende Blut weg und man konnte genau sehen, dass er das nicht zum ersten Mal tat.

Auch meine Knöchel taten etwas weh, aber nichts war so groß wie meine Wut, die ich gerade empfang.

Wie zwei wilde Tiger standen Luc und ich uns gegenüber und starrten und kampflustig an. Lucs lange Haare standen wild von seinem Kopf ab und ließen ihn wie einen wilden Krieger aussehen. Doch ich sah nur den Menschen, der mein Leben und meine Zukunft zerstört hatte. Ich war wütend. Ich konnte ihn in dieser Zelle nicht töten. Dann tue ich ihm richtig weg. Mit einer schnellen Bewegung holte ich aus und wollte Luc einen Kinnhaken verpassen. Er drehte sich weg. Schnell und wendig wie ein Raubtier.

Also setzte ich zum nächsten Schlag an. Schon wieder parierte Luc exzellent.

So ging das eine ganze Weile weiter. Nicht einmal holte Luc aus. Stattdessen verhöhnte er mich.

Der Schweiß rann mir über den Rücken und ich atmete schwer. Immer noch standen Luc und ich uns gegenüber, auch wenn ich nicht wusste, wie lange es schon so ging. Es fühlte sich an wie eine Ewigkeit, auch wenn es wahrscheinlich maximal fünf Minuten so ging.

Die Kräfte schwanden uns und ich merkte, dass Luc immer langsamer wurde. Wahrscheinlich könnte ich ihn jetzt noch einmal treffen und somit den entscheidenden Schlag verpassen. Doch stattdessen drehte ich mich um und setzte mich auf die kleine Pritsche. Mein Kopf lehnte ich gegen die kühlende Wand und schloss die Augen.

„Noch ist seine Zeit nicht gekommen.", dachte ich mir, bevor ich mich endgültig einem Fluchtplan widmete.

The Mafia - EisliebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt