Kapitel 5

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Camilla Moretti

Mein Kopf schmerzte, als würde jemand konstant gegen ihn hämmern. Mit zusammengekniffenen Augen hielt ich mir meine Hand auf die Stirn und stöhnte einmal auf.

Ich konnte mich kaum noch an den gestrigen Abend erinnern. Aber an eines konnte ich mich erinnern: Meine beste Freundin war tot. Einfach aus meinem Leben gerissen wurden, ohne dass es jemand verhindern konnte. Nicht einmal zu ihrem Grab hatten Noah und Lucia Veronica und mich gelassen.

Aus Frust hatten wir Beide uns hingesetzt und die Erinnerungen, die wir an Bianca hatten geteilt. Dabei muss eine Menge Alkohol geflossen sein.

„Wie kann es sein, dass ihr immer zu viel trinkt?", schimpfte Bianca und Veronica lachte laut. Ich hingegen hielt mir die Hände an den Kopf und schaute bei den lauten Geräuschen böse zu meinen besten Freundinnen. Bianca schüttelte ihren Kopf und warf mir die Schachtel Tabletten rüber. Bei ihrem lieben Lächeln ging es mir sofort besser. Sie schaffte es einfach immer fröhlich zu sein.

Bei der Erinnerung stiegen mir sofort wieder Tränen in die Augen. Es war meine Schuld, dass meine beste Freundin gestorben war. Wäre ich mit David mitgegangen, dann wäre sie nie in Gefahr gewesen.

Gleichzeitig kam mir wieder der Gedanke an das schlechte Gefühl, das ich den ganzen Abends schon hatte und mir stieg die Galle hoch. Immer wieder fragte ich mich, warum ich Noah nicht aufgehalten hatte.

Bianca hätte Noah aufgehalten, wenn ich an ihrer Stelle gewesen wäre. Sie hätte sich geopfert, wenn dafür die Anderen ein schönes Leben haben konnten. Aber ich war selbstsüchtig gewesen und hatte nur an meine Zukunft gedacht. Mal wieder hatte ich es geschafft alles kaputt zu machen.

Wäre Bianca jetzt hier, würde sie mir gut zu reden und mich in den Arm nehmen. Ich wusste, dass sie niemals wollen würde, dass es mir schlecht ging.

Aber sie war nicht hier. Sie würde es auch nie wieder sein.

„Wie geht es dir?", ertönte plötzlich eine Stimme vor mir und ich sah Veronica, die in der Tür stand. Bei den Gedanken, die in meinem Kopf herumspuckten hatte ich sie gar nicht bemerkt.

Ein trauriges Lächeln schlich sich auf mein Gesicht und seufzend antworte ich ihr:„ Beschissen und dir?"

Veronica nickte nur und warf sich neben mich aufs Bett. Sie sah genau so furchtbar aus wie ich mich fühlte. Unter ihren Augen prangten Schatten und ihre Haare hatte sie zu einem unordentlichen Dutt gebunden. Zudem hatte sie nur ein wahrscheinlich ziemlich altes T-Shirt an.

„Was wohl Bianca über uns sagen würde?", überlegte Veronica und bei dem Gedanken musste ich lachen.

Veronica stimmte mit ein und ich japste:„ Sie würde sagen, dass wir uns nicht aufführen sollen wie pubertierende Teenager."

„Alkohol ist ein Teufelszeug, das euch ins Grab bringen wird.", zitierte Veronica und fing an albern zu kichern. Die ganze Situation war so surreal, dass wohl keiner von uns wusste wie er damit umgehen solle. Und so saßen wir da und lachten einfach. Wir lachten so, als hätten wir gerade den lustigsten Witz der Welt gehört.

Ich wusste nicht wann es passiert war. Aber irgendwann hatten Veronica und ich uns angesehen und wir Beide hatten angefangen zu weinen. Also saßen wir jetzt da und machten Geräusche, die weder wie lachen, noch wie weinen klangen.

Es war verrückt und ich wusste, Bianca beobachtete uns gerade.

„Hast du eigentlich Bianca gesehen, als sie...", fragte ich Veronica, als mir der Gedanke kam und sofort verstummte auch sie.

Zögerlich, begann sie:„ Du meinst ob ich gesehen, ob sie wirklich tot war?"

Ich nickte und wurde etwas rot. Veronicas verwirrter Blick machte es nicht besser.

„Als Noah tot geglaubt war, hatte er auch ein Grab. Ich hatte jedem geglaubt und letztendlich lebte er. Weißt du was er mir gesagt hatte?", erklärte und als ich mich an den Tag erinnerte, drifteten meine Gedanken kurz ab. Aber schnell besann ich mich wieder und fuhr verbittert lächelnd vor:„ Er sagte, dass ich nur das glauben soll, was ich sehe."

„Ich hab sie gesehen.", unterbrach mich Veronica entgeistert und ich biss mir verlegen auf meine Lippe.

Bevor ich mich aber entschuldigen konnte, meinte Veronica verärgert:„ Ich weiß, dass man in einer Mafia niemandem vertrauen kann. Aber wir gehören da nicht zu. Und weißt du wie das war, als ich den Schuss hörte und meine beste Freundin auf dem Boden lag? Sie hatte eine Kugel genau in ihrem Kopf und weißt du was das schlimmste war? Niemand tat etwas, alle standen nur da. Außer Noah. Der war nämlich zu beschäftigt dich zu versorgen. Aber in dem Moment ist meine beste Freundin gestorben, die ich kannte seit ich klein war. Es interessiert hier niemanden. Bianca hatte Pläne. Sie wollte wieder zu ihrer Familie, zu ihren Brüdern. Doch nichts davon ist mehr möglich. Also tut mir leid, wenn ich kein Verständnis dafür habe, dass du genau jetzt so etwas in Frage stellst."

„Veve, ich...", begann ich, doch Veronica sprang vom Bett und lief zur Tür.

Dort blieb sie kurz stehen und ich dachte kurz, dass sie etwas sagen wollte, aber ich irrte mich. Veronica stand auf und lief aus dem Raum. Hinter sich knallte sie aber noch einmal die Tür zu.

Niedergeschlagen ließ ich mich wieder in die Kissen sinken. Die Ruhe war wie eine alte Freundin, mit der ich schon die ganze Zeit zusammen sein wollte.

„Was würdest du jetzt wohl tun, Bianca?", fragte ich in die Leere. Es antworte mir Keiner. Wer sollte mir auch antworten?

„Ich würde dir antworten, wenn du mich an dich ran löst.", hörte ich plötzlich jemanden sagen und erschrocken fuhr ich zusammen. Als ich hoch sah, sah ich Noah vor mir stehen. Erleichtert legte ich mir meine Hand auf mein viel zu schnell rasendes Herz.

Noah kam langsam, wie eine Raubkatze auf mich zu, und wiederholte dann das zuvor gesagte. Mal wieder brannten meine Wangen und ich legte meine Hände auf sie.

„Es war einfach zu viel und ich brauchte einfach jemanden, den ich schon immer kannte.", versuchte ich mich rauszureden.

Aber Noah schien mit dieser Aussage keineswegs zufrieden zu sein:„ Und warum dann Luc? Du kennst ihn genauso lange wie mich. Und ich bin dein Freund, Camilla."

Unsicher senkte ich meinen Blick, als Noah sich neben mich auf das Himmelbett setzte.

„Ich wollte nicht vor dir schwach wirken.", log ich und fühlte mich augenblicklich schuldig. Ich wollte meinen Schatz nicht anlügen müssen, aber er ließ mir keine Wahl. Ich würde morgen mit ihm darüber reden, aber nach dem Gespräch mit Veronica konnte ich das jetzt nicht.

Noah sah mich liebevoll lächelnd an und die Schmetterlinge in meinem Bauch rumorten. Trotzdem sagte ich nichts und überließ das Noah:„ Du darfst weinen. Kleine, ich liebe dich und ich kann es nicht ertragen, wenn du dich von mir abwendest. Du bist mein Herz und es gibt nichts Schlimmeres, wenn du dich vor mir zurückziehst."

„Ich liebe dich auch, Noah.", antwortete ich und kuschelte mich an seine Brust. Laut hörte ich seinen Herzschlag, der mich in den Schlaf wiegte.

Trotzdem konnte er die Schuldgefühle nicht übertönen, die mich nach Noahs Worten drohten zu übermannen. Morgen würde ich ihm alles sagen, schwor ich mir. Eine Träne rollte über meine Wange und Noah wischte sie sanft weg.

Ich lag zwischen seinen Beinen und er lehnte an der Rückwand, des Betts. Obwohl es kaum noch möglich war, kuschelte ich mich näher an ihn.

Bevor ich einschlief spürte ich wie Noah mir einen Kuss auf den Kopf gab. In diesem Moment wusste ich, dass er alles für mich tun würde und ich für ihn.

The Mafia - EisliebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt