Kapitel 4

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Noah Cano

Vorsichtig, so als würde sie gleich zerbrechen, hielt ich Camilla in meinen Armen. Ab und zu ruckelte das Auto in dem wir lagen und ich schnauzte Luc sauer an.

Die Stimmung war angespannt und wir wussten Beide nicht genau was wir tun sollten. Aber die Leiche beseitigen war ganz oben auf der Liste unsere Prioritäten.

Nach einer kurzen Fahrt erreichten wir den Wald, in dem schon viele Leute verschwunden waren. Dort konnten wir die Leiche unbemerkt vergraben und die Mädchen konnten trotzdem Abschied nehmen.

„Ich wollte eigentlich nicht wieder herkommen.", ertönte die Stimme von Lucia hinter mir. Innerlich stimmte ich ihr zu. Auch wenn die Mafia unser Geschäft war, mussten wir selten die Leichen vergraben. Dafür hatte man schließlich Leute und hätte Veronica sich nicht so angestellt, dann würden diese Leute auch jetzt die Leiche vergraben.

Aber irgendwie hatte ich etwas übrig für das selbstbewusste Mädchen und das verschaffte ihr einen gewissen Bonus.

Jeder von uns nahm sich eine Schaufel aus dem Wagen und zusammen suchten wir eine passende Stelle.

Nur kurze Zeit später hatte Luc eine auserkoren und präsentiere mir stolz den Platz.

Schnell gab ich die Anweisungen:„ Luc und Lucia, ihr beginnt zu graben. Veronica, du kommst mit mir. Camilla wird bald aufwachen und dann braucht sie eine Freundin."

„Wer auch immer geschossen hat, schuldet mir neue Schuhe.", murrte Lucia und im selben Augenblick begann sie zu schaufeln.

Veronica und ich machten uns in der Zwischenzeit auf den Weg zum Auto. Das Mädchen war ungewohnt schweigsam, was ich auf die Umstände schob.

„Kannst du dir vorstellen wer geschossen hat?", ertönte plötzlich ihre Stimme neben mir und ich legte meine Stirn in Falten. Diese Frage spuckte mir auch im Kopf rum. Aber ich konnte mir nicht ausmalen, dass jemand von meinen Leuten es gewesen war. Damit so etwas nicht passierte, hatte ich extra nur den inneren Zirkel mitgenommen.

Das erklärte ich auch Veronica, die unzufrieden nickte. Natürlich wollte sie am liebsten sofort wissen, wer ihre Freundin umgebracht hatte.

„Vielleicht sollte ich meine Familie einschalten. Sie könnten dir helfen?", überlegte Veronica und sah fragend zu mir. Ich schüttelte jedoch nur den Kopf. Das wäre zu gewagt, immerhin hatte ich versucht die Familie zu erpressen und das werden sie mir nicht verziehen haben, auch wenn gerade ein zerbrechlicher Frieden herrschte.

„Noah?", erklang plötzlich eine engelsgleiche Stimme vor mir und mein Blick richtete sich auf Camilla, die ans Auto gelehnt da stand. Ihre blonden Haare waren zerzaust und ihre Kleidung zerknittert. Trotzdem war sie das schönste Mädchen, das ich jemals gesehen hatte. Lächelnd lief ich zu ihr und nahm meine Kleine in den Arm. Sofort schmiegte sie sich an mich und die Sorgen der letzten Stunden fielen in dem Moment von mir ab.

Nicht auszudenken, was hätte geschehen können, wenn sie eine Kugel getroffen hätte.

„Wo sind wir hier?", erkundigte Camilla sich leise und sah sich dabei verwirrt um. Aber außer dem dichten Wald konnte sie nichts sehen. Widerwillig löste ich mich von ihr und erklärte:„ Wir sind hier in einem Wald, der mir gehört. Zu mindestens einer meiner Scheinfirmen."

„Woran kannst du dich erinnern?", schaltete sich jetzt auch Veronica ein und sie klang so besorgt, wie ich mich fühlte. Meine Angst, dass sich Camilla wieder verschließt, wenn sie erfährt was passiert war, tauchte immer wieder auf.

Mein Mädchen runzelte die Stirn und fasste alles mit zunehmender Panik zusammen:„ Wir waren in dem Hinterhof und David kam. Er und Bianca haben Schluss gemacht. Wieso hat sie mir das nicht erzählt? Der Schuss. Noah, da war ein Schuss. Wo sind die Anderen?"

Niemand antwortete Camilla und es zerbrach mir das Herz sie, so aufgewühlt zu sehen.

„Wo sind sie? Noah, Veronica, wo sind meine Freunde?", hakte sie misstrauisch nach und Veronica und ich senkten den Kopf.

Camilla schien langsam zu begreifen:„ Ich habe sie umgebracht. Ich habe Luc, Lucia und Bianca umgebracht."

„Nein. Du hast niemanden umgebracht.", versuchte ich sie zu beruhigen.

Aber stattdessen schien sie sich nur noch mehr aufzuregen:„ Wo sind sie dann? Wo ist meine Familie?"

„Luc und Lucia sind schon vorgegangen.", nuschelte Veronica und ich verstand sie kaum. Meine Freundin schien währenddessen keine Probleme zu haben.

Für einen Moment zeichnete sich Erleichterung auf ihrem schönen Gesicht ab und sie strich sich tief durchatmend die Haare aus diesem.

Auf einmal änderte sich Camillas ganze Erscheinung und sie sank auf ihre Knie. Erschrocken machten sowohl Veronica, als auch ich einen Schritt auf das Mädchen zu. Doch diese bedeute uns mit einem gequälten Blick stehen zu bleiben. Ihre Schultern senkten sich und in ihren Augen schien fast schon eine alles verschlingende Leere zu entstehen. Ihre Hände, die sich in ihren Nacken gelegt hatte, zitterten leicht.

„Wenn die Beiden dort sind. Wo ist Bianca?", fragte sie, doch sie schien die Antwort schon zu wissen, als ihr mal wieder keiner antwortete. Keiner von uns brachte es übers Herz, meinen Mädchen ihres zu brechen.

Doch das schien sie nicht aufzuhalten. Erstick flüsterte sie:„ Wo ist meine beste Freundin?"

„Wo ist sie?", schrie sie hinterher.

Kurz schloss ich meine Augen. Auch wenn mir Bianca egal war, konnte ich Camillas Schmerz förmlich greifen. Mein Herz schmerzte und in meinem Magen breitete sich ein flaues Gefühl aus.

Als ich einen Schritt auf sie zu machen wollte, sah mich Camilla verstört an.

„Geh einfach, Noah. Fass mich nicht an.", befahl sie und hob dabei abwehrend ihre zitternden Hände. Wie erstarrt blieb ich stehen und sah genau in die geröteten Augen, aus denen unaufhörlich Tränen flossen. Es war als würde die Zeit stehen bleiben. Auch Veronica machte einen Schritt auf Camilla zu. Doch sie schaffte es Camilla in den Arm zu nehmen, die daraufhin hemmungslos zu weinen begann.

Traurig wandte ich mich ab. Camilla stieß mich von sich weg. Es passierte genau das, was ich vermutet hatte.

Im Hintergrund hörte ich Veronica, die Camilla beruhigend zu redete. Ich sollte jetzt an ihrer Stelle sein. Ich sollte Camilla trösten. Aber sie wollte nicht einmal, dass ich in ihre Nähe kam.

Mit einem perfekten Timing erschienen plötzlich Lucia und Luc, die plaudernd auf uns zukamen. Als sie aber meinen zerknirschten Blick sahen und Veronica, die Camilla im Arm hielt, sahen sie uns überrascht an.

Luc erfasst die Situation wesentlich schneller und er lief an mir vorbei zu meiner Freundin. Die Hoffnung, dass Camilla auch ihn abwies machte sich in mir breit, aber stattdessen löste sie sich von Veronica und fiel Luc in die Arme, der sie fest umarmte.

Ein stechen in meiner Brust machte sich breit und ich hasste mich dafür, dass ich in so einem Augenblick eifersüchtig war.

Meine Schwester schaute mich mit einem wissenden Blick an und sanft legte sie ihre Hand auf meine Schulter. Ohne eine Regung sah sie zu unseren Freunden, die sich immer noch umarmten. Auch ich hatte eine Maske aufgelegt, allerdings wollte ich am liebsten gerade auch trauern. Nicht um Bianca, aber um Camilla, die mir nicht zu vertrauen schien. Dabei wusste ich nicht einmal, was ich falsch gemacht hatte.

Meine kleine Schwester sagte leise:„ Am Ende bleiben wir alleine. Mit Gefühlen können wir nicht umgehen, Noah."

„Ich verstehe nicht warum sie mich nicht in ihrer Nähe will. Ich würde doch alles für sie tun, Lucia.", gab ich eben so leise zurück.

Meine Schwester lächelte leicht:„ Sie ist die Liebe deines Lebens, aber sie kennt den Leben noch nicht. Du weißt sie wird sich dran gewöhnen, so wie wir uns dran gewöhnt haben."

„Und was wenn nicht?", fragte ich meine Schwester.

„Dann ist sie nicht lange in deinem Leben."

Unzufrieden wendete ich meinen Blick wieder zu Camilla. Sie würde nicht so werden wie Lucia und ich, denn das wollte ich nicht. Aber meine Schwester hatte Recht. Meine Kleine musste sich an den Tod gewöhnen.

The Mafia - EisliebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt