Kapitel 1

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Ich küsste ihn sanft auf die kalte Stirn. Er erwiderte meine herzliche Geste und ich fuhr seinen stark muskulösen Rücken entlang. Vadim seufzte, wobei ich stockte und fragte, ob alles in Ordnung wäre.
„Ja. Passt schon", murmelte mein Gegenüber. Ich war mir nicht sicher und hakte nach: „Warum hast du mich so lange warten lassen?" Ich lächelte süß und schmiegte mich an ihn. „Probleme zu Hause", wich er mir aus und ich sah ihn mitleiderregend an. Doch Vadim mied meinen Blick.
„Später, okay?", meinte er. Ich fragte mich, mit einem seltsamen Gefühl im Bauch, ob er nicht doch Geheimnisse vor mir hatte? „Na gut!", erwiderte ich schließlich, denn ich wollte unseren restlichen Abend jetzt nicht verderben. Er wuschelte lachend durch meine Haare und so vergaß ich den Gedanken schnell.
Auf den Zehenspitzen stehend, da Vadim mich um zwei Köpfe überragte, griff ich nach oben und strich ihm liebevoll die Haare aus der Stirn. Vadim lächelte mich charmant an.
Mir fiel durch ein Kopfschütteln der Verlegenheit der rote Schal hinunter und auf einmal blickte Vadim sehnsüchtig auf meine pulsierende Ader an meinem Hals. Ich bemerkte es und sagte, als er die Zähne bleckte und dabei zwei lange Eckzähne hervortraten: „Ich hoffe doch, du hast dich genährt, bevor du zu mir geflogen bist?" Er nickte geistesgegenwärtig, beugte sich zu meinem Hals und gab mir einen leidenschaftlichen Kuss, anstatt mich zu beißen. „Keine Sorge!", raunte er. „Ich sauge dich schon nicht aus!" Ich lachte bei dem Gedanken, dass jeder andere Vampir seine Partnerin schon längst als eine kleine Zwischenmahlzeit verspeist hätte. Er lächelte erneut. Ich schwelgte in Erinnerungen.
Einen Vampir als Partner hatte schließlich nicht jeder und nur wenige trafen diese nächtlichen Gestalten auch mal am Tag!

Vor gut zweidreiviertel Jahren hatte ich einen schweren Autounfall. Mein dunkelblauer Opel brannte und ich glaubte, dass mein Leben schon hier enden würde, bis er kam. Ich sank ohnmächtig in seinen starken Armen zusammen, als Vadim mich vom Sitz hob. Wir verliebten uns Hals über Kopf ineinander. Ein halbes Jahr lang verschwieg er mir seine wahre Identität. Doch mit der Zeit wollte ich mehr über ihn und seine Familie erfahren. So musste Vadim mir wohl oder übel alles erzählen. Ich erschrak ein wenig, aber hatte keinerlei Angst, denn ich las gerne Vampirromane. Somit bereute ich es nicht, ihn kennengelernt zu haben. Im Gegenteil. Ich fand es genauso romantisch, wie in den 23 von mir gelesenen Romanen über die Beziehungen zwischen Mensch und Vampir. Und trotz seines Wesens hielt unsere Beziehung bis heute, denn ich wusste, dass er mich nie als Beute ansehen würde. Denn, um genau dies zu vermeiden, (Menschen zu töten) erlegten seine Familie und er meist in den umliegenden Wäldern Tiere. Sobald einer meiner Verwandten fragte, wieso er so blass sei, erzählte ich, er käme aus kälteren Regionen.

Vadim wandte sich nun von mir ab und fragte: „Willst du mal wieder mitkommen?" Er seufzte: „Denn ich war letztens oft bei dir!" „Okay!", sagte ich schmunzelnd. Seit ich von der unterirdischen Vampirstadt Lacata erfahren hatte, kannte ich den Zugang dorthin. Das ungefähr drei Meter große Loch war in eine Mauer eingebettet. Gut versteckt, zwischen Büschen im Hinterhof des alten Hochhauses, indem ich wohnte. Eilig lief ich ins Schlafzimmer, zog mich rasch um und schnappte mir den Schlüssel. „Komm!", forderte ich meinen Freund auf, der seelenruhig auf mich gewartet hatte. Er stand auf und gemeinsam verließen wir die Wohnung. Draußen war es kühl und die Sonne stand schon tief hinter den Bergen, die sich entlang des Horizonts erstreckten.

Ich freute mich, da ich, wann immer ich wollte, zu Vadim konnte und umgekehrt. Er nahm mich bei den Händen und sagte leise: „Ich liebe dich!" Ich blickte tief in seine glänzenden Augen, die wie immer blutrot waren.
Bei den Buschwindröschenbüschen angekommen, zwängten wir uns durch die entstandene Lücke und verschwanden in der Mauer. Es war dunkel und obwohl ich das Gefühl, hinab in die endlose Tiefe gezogen zu werden, kannte, klammerte ich mich angstvoll an den furchtlosen Vampir. „Kein Grund sich zu fürchten", murmelte dieser, als könnte er Gedanken lesen. Sein Vater konnte dies gewiss. Ich schloss die Augen und gab mich dem schwarzen Tunnel hin. Da plumpsten wir auch schon aus dem Nichts heraus. Ebenfalls durch ein Loch der Stadtmauer von Lacata und Vadim lief schon weiter, ehe ich mich überhaupt aufrappeln konnte. „Hey! Warte gefälligst!", rief ich und rannte los. Ich übersah die Steine, die im Weg lagen und stolperte. Verzweifelt sah ich mich um, Vadim war nirgends zu sehen. Da! Er bog um die Ecke, dort hinten.
Ich hatte den Blick fest in die Ferne gerichtet. Plötzlich nahm ich eine sanfte Stimme neben mir wahr: „Ich bin da!" Ich blickte auf. Da saß mein Partner und strich mir beruhigend über den Arm. „Du warst dort hinten?", flüsterte ich erstickt. Er legte den Kopf schief, lachte leise. Ich nickte wohlwissend und ehe ich mich versah, hatte er mich hochgenommen. „Oh mein Gott!", hauchte ich. Er sah mich an und bemerkte mit einem spitzbübischen Lächeln: „Ich bin doch kein Mensch! Manchmal vergisst du das, besonders in letzter Zeit." Ich schenkte ihm ein dankbares Lächeln. „Ich liebe dich!" Er lächelte: „Ich liebe dich auch!" Er schwebte los. Nach ein paar Minuten erreichten wir das Haus, das sich in luftiger Höhe befand. Es war aus Glas und ein paar Marmorwänden gefertigt. In etwa zehn Metern Höhe glitt er auf die Stufen und blieb vor der Tür stehen.
Falls ich hier meinen Freund besuchte, war rechts an einem Baum eine Strickleiter befestigt. Sie führte hoch hinauf. Und glücklicherweise stand der Baum so nahe am Badezimmerfenster, sodass ich es bequem zu Vadim hatte.
Ich lächelte verträumt und war froh, Vadim zu kennen, denn er war die Hälfte meiner verloren geglaubten Seele!

The secret of... the bloody rageWo Geschichten leben. Entdecke jetzt