Kapitel 3

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Er blickte mir traurig in die Augen, bevor er sich räusperte und erklärte: „Das war auch mein Grund fürs Zuspätkommen. Außerdem konnte ich nicht anders und musste zu dir, um es dir doch jetzt zu sagen!" Ich sah ihn verdattert an und musste erst einmal schlucken. „Um was geht es?", krächzte ich und schrie voller Empörung hinterher: „Wie lang weißt du es schon? Du hättest doch sicher ewig Zeit gehabt, es mir mitzuteilen, oder?" „Bitte, Thea, beruhige dich!", sprach er auf mich ein, doch ich war nicht mehr zu bremsen, während ich rasant in meine flauschigen Kuschelsocken schlüpfte, flüchtig meine Haare kämmte und mir, vor Wut, etwas zu viel Creme ins Gesicht klatschte. Vadim wurde vor Entsetzen rot!
"Jetzt warte doch mal!", versuchte er es mit lauterer Stimme, um den Lärm des Föhns zu übertönen. Als ich nicht antwortete, zog er einfach den Stecker ab, nahm mir den Föhn aus der Hand und legte ihn auf die kleine, hellbraune Kommode. Nun zog er mich zu sich heran. Vadim nahm mich auf den Schoß, während er sich auf den Klodeckel setzte. Enttäuscht saß ich da.

Vadim hielt mich fest und begann zu berichten: „Es begann vor etwa vier Jahren. Also lange bevor wir uns kennengelernt haben. Damals lebte noch mein Bruder Diamond bei meiner Familie und mir.
Er hatte eine Menschenfreundin, Laila und beide lebten miteinander. Sogar sehr glücklich. Doch Diamond war von dem einen auf den anderen Tag spurlos verschwunden!
Wir, also meine Familie und ich, glauben immer noch, dass es wegen der Sache mit Laila war, die damals passiert ist. Doch der Grund ist jetzt irrelevant. Wir fanden ihn nie. Er rief immer wieder zu Hause an, erzählte aber nicht sonderlich viel.
Als er dann eines Tages persönlich auf meinem Handy anrief und nicht wie sonst zu Hause, war ich doch ein wenig überrascht. Diamond meinte, so wie ich vor ein paar Monaten, dass Mensch und Vampir nicht zusammenleben können. Er hatte diese Enttäuschung mit Laila erlebt und wollte nicht, dass ich mich deshalb auf dich einlasse. Es war ein gutgemeinter Rat. Doch da ich es unbedingt mit dir versuchen wollte, überhörte ich den einfach... Naja! Ich hing sehr an ihm und wollte es dir zuliebe lassen, ihn zu suchen, doch irgendwie konnte ich nicht! Doch wen ich, innerhalb unseres Verwandtenkreises, auch fragte, niemand wusste, wohin er gegangen war! Also gab ich die Suche endgültig auf. Inzwischen sind mehr als nur ein paar Monate, Jahre vergangen."

Vadim setze kurz aus. Ich nutze die Chance und überhäufte ihn mit Fragen: „Wer ist diese Laila genau und welche „Sache mit Laila" war da und vor allem hätte dein Bruder mich wirklich so gehasst?" Er legte den Finger an die Lippen und holte Luft, bevor er mich vorsichtig anlächelte, nickte und sprach: „Erstmal A; Den Wirbel um Laila solltest du lieber nicht erfahren! Das ist jetzt wie gesagt irrelevant!" Er seufzte. „Und B; ja ich denke schon, dass er es einfach nicht ertragen könnte!"
„Schade", dachte ich und ließ den Satz um Laila aber im Hinterkopf zurück. „Vielleicht könnte ich ja irgendwann mal Infos über Diamonds Freundin gebrauchen", überlegte ich und lächelte verschmitzt.

Vadim erzählte unterdessen weiter:
Dann jedoch wusste ich, dass ich ohne ihn nicht leben konnte und hoffte, dass er zurückkam. Ich habe mehrere Tage nichts gegessen und getrunken. Leider hast du das mitbekommen müssen. Ich entschloss mich, seinem Rat zu folgen und dich komplett zu vergessen. Eine Woche lang sahen wir uns überhaupt nicht mehr. Aber meine Liebe zu dir war so stark, sodass wir uns wiedersahen!"

Ich nickte. Es war eine schwere Zeit gewesen und nie hatte Vadim mir richtig erzählt, warum er mich gemieden hatte. Doch wir hatten es zum Glück geschafft!

Und so lebten wir bis heute. Doch mein Bruder ist seitdem nie mehr aufgetaucht. Und das jetzt eben schon seit vier Jahren!"

„Das tut mir leid!", murmelte ich und umarmte ihn. Er lächelte knapp und sagte:
Letzte Woche erfuhr ich durch Verwandte, dass Diamond wohl hier in der Gegend sei. Er hatte erfahren, dass ich mit dir zusammen bin, obwohl ich das für unser Vertrauen nie getan hätte. Denn Diamond stand mir, wie gesagt, sehr nahe.
Jetzt habe ich Angst, dass er versuchen will, dich aufzuspüren, um sich für seine verschollene Liebe zu rächen!", beendete Vadim seine Erzählung.
Ich war schockiert: „Und warum bist du nicht rechtzeitig gekommen? Heute Nacht?" „Ich unterhielt mich gerade mit meiner Mutter darüber und sie meinte, ich solle mit dir reden. Doch ich konnte nicht, als ich gemerkt habe, dass ich dich so endlos liebe und ich dir gestern Nacht so tief in die Augen sah und es dir einfach nicht sagen wollte oder konnte! Und so erzähle ich es dir erst jetzt!", sagte er, wobei sein letzter Satz eher ein schwaches Murmeln war.
Ich nickte bedauernd. „Aber du brauchst keine Angst haben!", wisperte er jetzt und fügte gebieterisch hinzu: „Ich werde, wenn es sein muss und es das Letzte ist, was ich tue, an deiner Seite sein. Ich schlafe hier, wenn es dir recht ist!", versuchte er mich zu überzeugen, auch wenn ein Teil der Angst noch an mir haftete. Ich stand auf und ging ins Schlafzimmer, zog eine alte Matratze aus dem weißen Schrank und legte sie auf den kalten Boden. Direkt neben mein Bett. Dann knipste ich das Licht im Badezimmer aus, ging zurück und sah ihn an. Entschuldigend hob ich die Hände, als er mich fragend ansah und ich dann meinte: „Hab leider nur ein Einzelbett!" „Passt schon!", raunte er mit einem sachten Grinsen. Ich legte mich ins Bett. Er lag nun beschützend neben mir und so schlief ich bald etwas beunruhigt ein.

Doch plötzlich kam da eine Gestalt auf mein Bett zu. Diese hatte ein hämisches Grinsen aufgesetzt. Ich fürchtete mich und rückte etwas näher an die kalte Wand. „Du gehörst mir!", fauchte die unscheinbare Gestalt, wandte sich ab, ich dachte, ich könnte aufatmen. Aber - das wurde nichts! Sie kam wieder bedrohlich auf mich zu, sagte den identischen Satz noch einmal und drehte sich um. „Du wirst bereuen, was du mir fast eigenhändig angetan hast!", schrie sie, trat entschlossen neben mich, packte wutentbrannt meine Handgelenke und zischte: „Du wirst nicht entkommen!" Ihre feuerroten Augen starrten mich feindselig an! Dann legte sie mit Gewalt meinen zitternden Hals frei und stieß ihre langen Fänge in meinen Hals! Ich schrie und mein letzter Gedanke war, bevor die Gestalt meine leblose Leiche fallen ließ, Hilfe! Dann wurde mir das letzte bisschen Blut ausgesaugt!

„Thea! Wach auf!", hörte ich eine helle Stimme, die sich sehr weit entfernt anhörte. Zudem war sie so sanft, wie die eines Engels. War das hier der Himmel? Doch ich hatte mich geirrt. Jemand strich mir mit eiskalter Hand über die feuchten Haare. Mich überkam erneut die Angst, doch irgendeine verdammt schwere Kraft holte mich unwillkürlich in die Realität zurück.

The secret of... the bloody rageWo Geschichten leben. Entdecke jetzt