Kapitel 2

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Er ließ mich nun sanft herunter und rammte, mit einer Hand mich festhaltend, seine Eckzähne in zwei kleine Löcher in der Hauswand. Sie dienten sowohl als Klingel, als auch als Schlüssel. Er brummelte. Es ging ihm alles viel zu langsam. Da schwang endlich die silbrig glänzende Tür, nach einem schweren Eisengitter zur Seite und wir beide traten ein. In der Küche erwartete uns bereits jemand.
Seine Mutter Gaia stand an einem schwarzen Herd. Bleich und im Gegensatz zu ihm, war sie sehr klein. Vielleicht einen Meter siebenundfünfzig groß. „Schön, dass du hier bist", begrüßte sie ihren Sohn. Er gab ihr zu verstehen, dass er mich mitgebracht hatte. Sie lächelte zuckersüß und sagte: „Da kommt ihr gerade rechtzeitig! Es gibt gleich Essen!"
Vadim lugte in den großen Topf, in dem etwas brodelte. „Blutsuppe!", murmelte er genießerisch, nachdem er ausgiebig gerochen hatte und zu dem Schluss gekommen war, dass es sich um Marderblutsuppe handeln musste. Denn seine Art ernährte sich nur von Tieren. Damit sie „in Ruhe bei den Menschen leben konnten", meinte er, als wir uns kennenlernten. Und ihnen sowieso Tierblut besser schmeckte, als wie bei den anderen Vampiren menschliches Blut. Dann drehte er sich um und während er sich einen roten Apfel aus der Obstschale nahm, ihn mir reichte und zu seiner Mutter gewandt meinte: „Wir essen hinten!", nahm er sich einen Teller und füllte ihn.

Dann hob er mich auf seine Schultern, ohne, dass auch nur ein Klecks dieser ekelerregenden Brühe zu Boden schwappte. „In Ordnung!", hörte ich ihre kecke Stimme aus der Küche.
In seinem Reich, ein dunkler Raum mit wenig Möbeln, dazu allerdings vielen Bildern, ließ er mich auf sein Bett gleiten, das er eher selten benutze und es eigentlich nur für mich dort stehen hatte. 

Vadim schwang sich unterdessen zur Leine, die an seiner Decke hing und
hing sich daran. Schweigend begann, sein Essen zu schürfen. Ich biss derweil in das saure Obststück. Nach einer Weile leckte er sich den Rest Suppe von den dunklen Lippen und rülpste. „Ihh". Angewidert verzog ich das Gesicht. Vadim lachte und sagte dann: „Du hättest nicht gerne Blut getrunken, richtig?" Ich lächelte ihn noch einmal dankbar an.

„Wie geht es dir sonst so, Liebste?" fragte er mich nach einer Weile und sah auf. „Ganz gut!" Ich lächelte in mich hinein. Ich liebte es, wenn er mich seine Liebste nannte. Meine Wangen färbten sich rot. Er kam zu mir. Vadim sah mir tief in die Augen. „Ich würde dich gern etwas fragen...", murmelte er nachdenklich und streichelte mir über meine linke Wange, die glühte. „Ja? Was denn?", erwiderte ich neugierig. „Ich hab da so eine Idee, weiß aber nicht, ob du sie mitmachen würdest!", begann er vorsichtig. „Du weißt, ich vertraue dir, Vadim!", hauchte ich ihm entgegen und legte meine zarte Handfläche in seine breite. „Das weiß ich, Thea! Es ist nur... ich hab Angst, dass dich diese Idee abschrecken könnte!", vermutete er. „Erzähl mir doch davon und dann sag ich dir meine ehrliche Meinung, gut?", half ich ihm, über seinen Schatten zu springen. Er nickte. „Du weißt, dass unser Blut eine Art Verbindung schaffen kann?" Ich nickte wissend. „Ich habe seit einiger Zeit nachgedacht und wollte deine Meinung wissen, was du von einer Art Zeremonie hältst, dass du für immer mit mir verbunden bist!", flüsterte er die letzten Worte.

Ich musste mich anstrengen, etwas zu hören. „Was meinst du damit, Vadim?", brachte ich ein wenig aus der Fassung hervor. „Ich verdeutliche es dir, in Ordnung?" Er wartete meine Antwort gar nicht erst ab.
Vadim griff zu einem Messer, das, warum auch immer, auf seinem Tisch lag und schnitt sich ins Handgelenk. Vor Schreck weiteten sich meine Augen. Gelassen beugte Vadim sich zu mir und flüsterte: „Trink es!" Bitte? Das war doch grotesk! Ich wusste nicht, wie mir geschah.

Sogleich nahm ich, wie in Trace, den goldenen Trinkbecher vom Tisch und ließ ein wenig Blut hineintröpfeln, als Vadim seine Hand darüber hielt. Auch eine
Träne des Schmerzes von meinem Gefährten fand schließlich ihren Weg zur roten Flüssigkeit.
„Durch die Träne und dank meines Blutes in dir, werde ich nun spüren, wann es dir schlecht geht und bin dann sofort bei dir, Liebste!", erklärte er mir mit einem lieblichen Blick. Vorsichtig nahm ich einen Schluck zu mir. Sein Schnitt begann sich währenddessen zu schließen. „Wow", bewunderte ich meinen Partner. Ich blickte erstaunt zu ihm auf und auf seinem Arm blieb nur noch eine klitzekleine Narbe zurück. Sie war so weiß, dass sie auf seiner blassen Haut kaum zu erkennen war. „Ja, ich will das machen!", seufzte ich schwer verliebt und ehrfürchtig zugleich.
„Schön. Das weiß ich nun zu schätzen!", erwiderte Vadim. Ich setzte den Kelch erneut an und leerte ihn. Ein unbeschreibliches Gefühl breitete sich nun in mir aus. Er strich mir sanft übers Haar. Vadim flüsterte dann etwas so Furchteinflößendes und dennoch Sanftes, dass ich Bedenken hatte, ob er es ernst meinte oder etwas Anderes hinter seiner verführerischen Stimme steckte, als er mich fragte: „Bereit für einen kleinen, schaurigen Ausflug in die Nacht?" Als er jedoch meinen verschreckten Blick sah, lachte er und meinte: „Nichts Wildes!" Ich lachte, nickte und hüpfte froh in seine Arme. Als ich dann aber von ihm, durch eine einzige, geschmeidige Bewegung auf seinen Rücken gehoben wurde, wurde mir etwas mulmig. Mich umklammert lief er auf die gläserne Schiebetüre zu. Er hatte sie vorher geöffnet und als wir am Abgrund ankamen, schloss ich für einen kurzen Moment die Augen. Er ließ sich fallen, fing sich wieder und flog unbekümmert weiter! Ich schrie! Vor Angst und Losgelassenheit zugleich.
Es war ein unbeschreibliches Gefühl. Auf dem Rücken meines Geliebten flog ich dahin. Durch Wälder, an dunklen, großen, kleinen und auch an luftigen Grundstücken ohne Häuser flogen wir vorbei. Nach einer Ewigkeit sagte ich zu ihm: „Ich müsste so langsam wieder heim!" „Schon?", murmelte er, wandte den Kopf und ich sah etwas Enttäuschung in seinen Augen aufblitzen. Ich seufzte laut und meinte: „Ja! Tut mir wirklich leid!" Als wir am Turm mit der gerade schlagenden Uhrzeit vorbeikamen, sah ich auf:
01:00 Uhr!

Vadim flog einen Kreis. Lautlos landete er vor dem Loch in der Mauer. „Na los!", forderte er mich barsch auf, als ich keine Anstalten machte, zu verschwinden. Ich ging zu ihm und drückte ihm einen leichten Kuss auf die Nase. Er lächelte und ich sagte: „Morgen, die gleiche Uhrzeit?"
Er nickte: „Ich hol dich ab. Den Grund für meine heutige Verspätung erzähle ich dir dann am Abend." „Ehrlich gesagt, ich muss dann auch los!", verabschiedete er sich plötzlich schnell und damit ließ er mich stehen. Vadim verschwand eilig Richtung Haus. „Tschüss...", seufzte ich und verschwand allein in der Mauer.

Nach einem kurzen Gefühl der Angst, entließ mich der Tunnel wieder auf dem Hinterhof. Ich atmete tief ein und schloss die Wohnungstür auf. Im Schlafzimmer legte ich meine Kleidung auf das kleine, schmale Einzelbett ab, raffte eilig ein paar Kleidungsstücke fürs Zubettgehen zusammen und ging unter die Dusche. Es war Zeit! Denn morgen früh hatte ich diese nicht. Ich brauchte meinen Schlaf und hatte keine Lust auf unangenehme Fragen von meinem pingeligen Chef, der zudem noch extrem auf Pünktlichkeit achtete.
Das warme Wasser nahm mir das Gefühl von Einsamkeit.
Wie gerne würde ich mit Vadim zusammenleben! Doch er fand, es sei zu gefährlich. Beziehungen zwischen einem Menschen und einem Vampir, das überleben doch nur diese Romanfiguren, äußerte er sich ärgerlich! Alle Menschen würden ihn jagen, meinte er einmal und seitdem habe ich dieses Thema nie wieder angedeutet.
Ich spülte den Rest Duschgel ab und shampoonierte meine nassen Haare ein. Ein wohliger Duft nach Blutorange und Zimt breitete sich aus. Ich sog ihn ein und überdachte die Nacht. Der Flug war sehr befreiend gewesen, wenn ich an die Arbeit dachte, die sehr stressig gewesen war.
Ich machte den Wasserhahn aus und stieg aus der Kabine. Ein Liebes-Popsong, dudelte hinter mir aus dem Radio, welches ich anschaltete. Zufrieden summte ich mit und wäre in diesem Moment gerne an Vadims Seite. 

Plötzlich verspürte ich einen unangenehmen Zug. Es war frisch im Badezimmer, obwohl das Fenster fest geschlossen war. Ich hatte so ein Gefühl und trat etwas zur Seite. Da blitzte ein heller Lichtstrahl auf und ich blinzelte. Er war da! Wie er wohl herkam? Er konnte durch einen Ring an jeden Ort gelangen, wenn er nur an diesen dachte und den Diamanten antippte und somit durch alle möglichen Wände oder ähnliche Hindernisse hindurchgehen. Dies war seine Gabe.
Vadim stand jetzt hinter mir, als ich mich verwundert umdrehte. Schnell schlang ich ein flauschiges, weißes Handtuch um meine Hüften. Er sah mich an und trat an meine Seite. „Ich habe gespürt, dass du eigentlich noch bei mir sein wolltest", sagte er und streichelte mir über die feuchte Schulter. „Ja!", erwiderte ich verlegen und klärte ihn wegen meines neuen Chefs auf. „Weswegen ich den Schlaf jetzt dringend bräuchte!", sagte ich bedauernd, obwohl ich eigentlich froh war, dass er da war. Er blickte merkwürdig drein und strubelte sich dann über die zerzauste Mähne.
Zunächst reichte er mir mein Lieblingstop, das graue mit dem spitzenbesetzten Saum, welches über dem Waschbecken hing. Dankbar zog ich es an und fragte: „Ich dachte, du musstest gehen?" Er zwang sich die Wahrheit zu sagen und schaute dann doch weg: „Egal! Ich möchte nur nicht, dass du ohne Gewissheit einschläfst!", meinte er mit strenger Miene. Ich begann derweil mich fertig abzutrocknen und meine nassen Haare mit dem zweiten Handtuch trockenzureiben. „Warum?", wollte ich wissen. „Was ist denn so wichtig, dass du jetzt um halb zwei noch bei mir auftauchst? Wo ich eigentlich endlich schlafen gehen wollte!", setzte ich leider noch eins drauf.

Vadim holte tief Luft und meinte: „Es geht um dich! Um Leben und Tod!"

The secret of... the bloody rageWo Geschichten leben. Entdecke jetzt