Kapitel 12

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(Vadims Sichtweise)
Ungeduldig wartete ich vor dem Café... Thea ließ sich nicht blicken. Komisch. Ich sah zum x-ten Mal auf mein silbernes Handy, welches ich in der Hand hielt. Keine Mail! Nichts! War ihr vielleicht etwas passiert? So langsam begann ich unruhig zu werden, denn seit Diamond Thea noch als Racheobjekt ansah, machte ich mir Sorgen. Große Sorgen. Ich wählte Vlads Nummer.

„Ja, was ist los, Junge?"

„Vlad? Ist Thea da? Oder weißt du, wo sie war oder jetzt ist? Sie taucht einfach nicht auf und ich weiß nicht, wo sie bleibt. Eine halbe Stunde zu spät war sie noch nie!", sprach ich verzweifelt und fuhr mir nervös durch die Haare.

„Also, jetzt beruhige dich bitte mal! Momentan habe ich keine Ahnung, wo sie sein mag, aber vorhin war sie da und meinte, sie hätte Geld vergessen. Eigentlich hast du Recht. Mir hätte nämlich auffallen müssen, dass sie noch längst nicht zurückgekehrt ist!"

„Allerdings!", empörte ich mich, legte genervt auf, ohne eine Antwort oder ähnliches abzuwarten und lief schnellen Schrittes zur Telefonzelle. Kaum war ich drin, die Türe geschlossen und ich ein wenig optimistischer, stand ich auch schon neben meinem Onkel.

Er lief auf mich zu und umarmte mich. „Na?" „Nix!", murmelte ich enttäuscht. Ich räusperte mich und fragte: „Thea war also da?" „Ja!", bestätigte mein Onkel und sah mich an. „Wann war das?", fragte ich ihn etwas hoffnungsvoller. „Vor etwa einer Viertelstunde", erwiderte Vlad und rieb sich das Kinn, das mit reichlichen Bartstoppeln versehen war.

„Solange braucht man doch nicht um etwas Geld aus dem Haus zu holen!", knurrte ich wütend und bis mir vor Verzweiflung und Fassungslosigkeit auf die Oberlippe. Vlad antworte nicht, sondern wollte mir beschwichtigend eine Hand auf die Schulter legen, doch ich rang die Hände und ballte die Fäuste. „Vadim!", versuchte er mich zu besänftigen. „Es wird alles gut. Du wirst Thea wiedersehen!", versuchte er mir zu versichern.

Ich hob ab und flog eine Spirale. „Wo willst du hin?" „Thea suchen! Was bleibt mir denn sonst anderes übrig?!", sprach ich, winkte kurz und flog los. In schnellem Tempo kam ich gut voran. Doch wohin wollte ich denn überhaupt? Ich hatte ja weder einen Anhaltspunkt, noch... Halt! Thea wollte ja Geld holen. Dann muss ich zuerst nach Hause und schauen, ob sie dort war! Also hatte ich endlich ein Ziel. Und mein Vater war ja da, als er mich wegen ihr anrief. Meine Mutter müsste auch schon da sein, von der Jagd mit Amica... Während ich flog, suchte ich mit meinem ausgeprägten Geruchsinn fast systematisch das Gebiet ab, bis zu unserem Grundstück. Doch auch wenn ich nach Hause wollte, da dahin die bisher einzige Spur führte, lenkte mich meine Nase, wie von selbst, in eine etwas mehr südöstlichere Richtung. Ich roch und atmete tief ein. Ich mochte den leicht muffigen und absolut kühlen Geruch in der frischen Mittagsluft. Doch die Luft roch so ganz und gar nicht nach meiner Freundin! Diese roch erstens nach Mensch, dann, meistens nach dem Duschen, nach Blutorange und Zimt und drittens nach süßer Vanille! Richtig zum Anbeißen! Doch jetzt war nicht die Zeit um über leckeres Menschenblut, das ich eigentlich nur bei besonderen Anlässen trank, nachzudenken. Ich musste Thea finden! Koste es, was es wolle!

Da! Etwa drei Meter weiter! Scharf sog ich den besonders intensiven Geruch ein. „Wayne!", schrie ich ärgerlich und merkte, dass mich meine Nase auf diesen äußerst schmutzigen Geruch hinweisen wollte. Wayne war nämlich sozusagen das schwarze Schaf in meiner Familie, da er nicht hundertprozentig nett war und oft mit meinem Vater stritt! Irgendwie

brachte mich der Geruch dazu, zu denken, dass er etwas mit Thea zu tun hatte! Plötzlich wehten mich Sturmböen zur Seite und ich musste mich anstrengen den Kurs zu halten. Da krachte es urplötzlich aus heiterem Himmel und es fing an, wie aus Eimern zu schütten.

Donnergrollen aus der Ferne. Blitze direkt neben mir. Dunkle Wolken über mir. Und peitschender Regen überall.

Wieso auf einmal? Da fiel mir ein, dass jeder, der Waynes Namen in meiner Familie erwähnte, mit einem fürchterlichen Gewitter bestraft wurde. Meine Eltern erzählten mir, dass dies aufgrund eines Fluches, welcher auf uns lag, basierte. Merkwürdig, dass mir das nicht vorher eingefallen war! Denn dieses Verbot existierte schon seit Jahrhunderten. Das Verbot seinen Namen auszusprechen. Allerdings den genauen Hintergrund erfuhr ich nie. Schleunigst machte ich mich auf nach Hause. „Mist!", fluchte ich verärgert, als meine sensible Nase schon bald den Regen und Tau von der Spur meines Onkels nicht mehr unterscheiden konnte. Es war unmöglich in diesem Zustand weiterzusuchen. Nach ein paar Minuten war ich an unserem Haus angelangt. Ich flog entnervt eine Spirale, atmete tief durch und landetet auf der Treppe. Es platschte, da dort sehr viel Schlamm lag, der durch den stürmischen Wind auf die Stufen hinaufgetragen wurde. Es roch nach Erde und dreckigem Wasser. Ich fuhr mir durch meine mittlerweile nur noch feuchten Haare, die nämlich trotz des schmuddeligen Wetters, relativ schnell trockneten. Es blitzte und krachte. Erschrocken sah ich auf. Der Sturm wurde stärker und ich hielt meine Hand schützend vor mein Gesicht. So schnell es eben ging, lief ich zur Tür und klingelte. Es dauerte. Ich lehnte mich zum Schutz vor dem Regen etwas ans Eisengitter.

The secret of... the bloody rageWo Geschichten leben. Entdecke jetzt