(Theas Sichtweise)
Plötzlich wachte ich auf. Unruhig sah ich mich um. Wie viel Uhr es wohl sein mochte? Ich hatte keine Ahnung, wie lange ich geschlafen hatte. Ich sah mich um. Die silberne Platte, auf der gestern unser Essen serviert wurde, war weg. Stattdessen war dort ein Glas Wasser vorzufinden. Ich nahm es und trank es gierig bis auf den letzten Tropfen leer. Ich sah zu Laila. Sie lag da und schlief. Gleichmäßige Atemzüge und ein leichtes Lächeln auf den Lippen. Gerade dachte ich nach, als ich eine rüttelnde Hand auf meiner Schulter spürte.
Es war Lailas. „Hi Thea!" Ich sah sie an. „Morgen!", nuschelte ich. Sie nickte bloß und wandte sich ihren Haaren zu.Ich schloss für einen kurzen Moment meine Augen, um mich zu entspannen. Jeden Morgen, wenn es ging, machte ich nämlich Yoga, um meinen oft gestressten Geist zu befreien. Laila entwirrte ihr Haar von Knoten.
Nach einer Weile klopfte es an der hölzernen Türe. „Oh nein!", dachte ich und strich mir nervös ein paar Haare aus der Stirn. „Guten Morgen! Na? Eine erholsame Nacht gehabt?", meinte Wayne ungerührt und verzog keine Miene, als er sah, dass es Laila nicht gut ging. „Was ist los?", flüsterte ich ihr zu. „Hunger", murmelte sie und sah gierig auf meine Halsschlagader.
„Laila!", schnitt da Waynes scharfe Stimme sadistisch durch die Luft, wie ein Schwert, das eine dicke Schicht aus Stoff federleicht durchtrennen konnte. „Aber nicht doch mein Täubchen, wir wollen uns doch beherrschen, oder etwa nicht?" Laila wandte sich von mir ab und sah Wayne angewidert an. Dann nickte sie schließlich.
„Gut!", grinste er schadenfroh und wusste, dass Laila ihm unterlegen war. Er kratzte sich kurz an seinem Hinterkopf und zog aus seiner Manteltasche eine Schere hervor. Laila wich zurück und ich betrachte für ein paar Sekunden ihre wallende, leuchtend rote Mähne. Wayne schritt nun mit großen Schritten auf sie zu. Sie wollte zurück, aber er nahm sie bei den Schultern und schnitt ihr, aus den ehemalig hüftlangen Locken, schulterlange Fransen. Laila schluchzte vor Scham und seelischem Schmerz auf.
Da lag nun ihre Haarpracht. Zerstört. Vernichtet. Unbrauchbar.
Wayne kehrte, nachdem der kurz verschwand, wieder zurück. In seiner Hand baumelte ein Tier. Ein braunes Etwas. War es tot oder lebendig? Ich hatte keine Ahnung.
War es das, von dem mir Laila gestern erzählte? Ich bekam Schüttelfrost. Sie konnte doch nicht einfach ein Tier aussaugen, bis es nicht mehr lebte? Oder doch?
Laila heulte auf und fing an zu Schluchzen. Wegen ihren Haaren oder wegen dem, was anstand? Ich befürchtete das Schlimmste. Wayne legte das Tier vorerst beiseite – nein! Er ließ es einfach fallen. Es wurde ohnmächtig. Er holte eine Pipette und zog etwas Blut auf. „So! Zeit füreine Stärkung!" Er lachte dreckig und Laila streifte mich für einen kurzen Moment mit einem mitleidigen Blick. „Lass sie bitte!", flehte ich Wayne an, doch der beachtete mich nicht. Er ging zu Laila und hielt ihr die mit blutgefüllte Pipette hin. Sie wiederum machte keine Anstalten, das zu tun, was sie tun sollte. Doch er war stärker, griff mit seinen Händen Lailas Kopf, packte ihren Kiefer und öffnete ihn brutal.
Laila wehrte sich, schüttelte den Kopf und versuchte, mit aller Kraft, ja kein Blut in ihren Rachen zu bekommen, doch es war vergeblich. Wayne verlor die Geduld und warf Pipette und Reagenzglas mit dem Rest Blut auf den Boden und nahm das Tier hoch, welches sich bisher nicht gerührt hatte. Er ließ die Fledermaus, wie ich erkannte, vor Lailas Mund baumeln. Das arme Tier zappelte jetzt und wimmerte, doch es konnte sich nicht wehren; es war hilflos. Ich musste zusehen, wie Wayne arrogant lächelte und sagte: „Na? So besser als Frühstück?" Sie schüttelte den Kopf und wollte sich wegdrehen, doch ehe sie sich versah, war die Fledermaus auch schon in ihrem Mund verschwunden. Wayne hatte sie in Sekundenschnelle in ihren Rachen gleiten lassen. Laila zuckte, würgte und wollte nicht, doch Wayne war unnachgiebig.
Er nahm Lailas Kiefer und presste ihn grob aufeinander, sodass sie das Tier wohl oder übel aussaugen musste. Nur noch Füße und Krallen des Tieres schauten heraus. Laila verdrehte die Augen.
Es krachten Knochen und Laila schloss die Augen, als sie womöglich Blut schmeckte. Bestimmt ekelhaft!
Die Arme! Hellrotes Blut floss aus ihren Mundwinkeln, spritzte teils auch in alle Richtungen. Nach einer Weile hörte man nichts mehr.
Stille trat ein. Es war unheimlich, als Wayne zufrieden lächelnd zur Seite ging.
Laila war am Boden zerstört. Todtraurig und mordslustig wütend.
Die Fledermaus bewegte sich nicht mehr. Die Füße schauen schlapp aus Lailas Mund. Kein Laut drang mehr aus ihrer Kehle.
Wayne sah Laila von der Seite her an. Diese nickte unter Tränen. Wayne zog ihr das tote Tier zwischen den Zähnen hervor und warf es mir in den Schoß. Ich ekelte mich. Wayne meinte ungerührt: „Untersuche, ob sie tot ist! Aber sorgfältig!", setzte er streng nach. Laila schniefte und vergrub ihr Gesicht in den Händen, während sie das Weite in einer Ecke suchte. Ich nickte und bekam trotzdem einen Kloß im Hals, als ich die schlaffen Flügel aufklappte, die in sich zusammengefallen waren.
Ich überlegte und legte dann vorsichtig einen Zeigefinger auf die Mitte des Körpers. Ihr Herz schlug nicht mehr. Ich schluckte und säuberte vorsichtig, soweit es ging, den Leichnam von Blut. Dann brachte ich die Knochen in Ordnung, so gut es eben ging.Es knirschte und die Löcher, welche Laila schweren Herzens in ihrer Haut hinterlassen hatte, bedeckte ich mit etwas Fell. Dieses bezog ich aus dem weichen, vollen Pelz hinter ihren Öhrchen. Sanft riss ich also ein paar Haare aus und klemmt sie zwischen die Hautfalten der Lücken. So waren die Löcher nicht mehr zu sehen. Was aber eh nicht mehr so sinnvoll war, da das arme Tier nun leider tot war. Lailas Ausdruck war inzwischen zu einem Lächeln voller Scham geworden. Ich sah sie mitleidig an und wandte dann meinen Blick wieder der Fledermaus zu. Ich schaute auf das Tier und musste mich beherrschen, nicht einfach loszuheulen. Wayne kam zu mir und nahm mir unsanft das Tier vom Schoß als er merkte, dass ich wohl fertig war. Er lachte dumm.
Dann ging er. Davor sagte er noch aggressiv: „Hör auf zu heulen, du nichtsnutziges Luder!" Ich sah zu Laila, die bisher nur ungerührt alles mitangesehen hatte.
Wayne verließ den Raum und ließ uns verstört zurück.
Ich fragte nach einer Weile, nachdem wir uns abgeregt hatten, das, was ich sie schon die ganze Zeit fragen wollte: „Wieso hast du nie versucht, abzuhauen?" Ihre Scham und ihre Zerbrechlichkeit waren wie weggeblasen, obwohl man merkte, dass ihr die Frage nicht grade angenehm war. „Ich kann nicht, Wayne schwört, Diamond oder sonst wem, etwas anzutun..."
„Es...tut mir so leid, für dich, Laila!", begann ich. Sie schaute mich nicht an, sondern starrte die graue Betonwand an, als säße dort jemand, mit dem sie sich unterhalten hätte können. „Ich weiß. Aber ich kann ja nichts dagegen tun. Ich bin ihm schutzlos ausgeliefert!", meinte sie leise. Ich seufzte. Liebend gern würde ich sie in den Arm nehmen. Aber ich entschied mich, es sein zu lassen. Laila strich sich ein paar Strähnen aus der Stirn. Traurig betrachtete sie ihre Haare. Sie sah mutlos aus und eine kleine Träne rann über ihre Wangen. „Tut mir leid. Wegen Wayne...", krächzte sie nun etwas mehr selbstbewusst und drehte ihren schmalen Kopf zu mir, als ich mich langsam neben sie setzte. Laila sah in meine Augen.
Schöne braune Augen besaß sie. „Ich mag dich...", sagte sie plötzlich in die unheilvolle Stille hinein. Ich dachte kurz nach... Und wieder einmal musste ich lächeln. Sie war so gutmütig zu mir. Es kam aber dennoch so unerwartet, dass ich ihr lachend um den Hals fiel. „Schon gut!", erwiderte Laila und lachte fröhlich.
Mittlerweile fühlte ich mich so vertraut in ihrer Gegenwart, dass mir nicht auffiel, wie übertrieben nett sie war.
Wo wir uns noch nicht einmal eine Woche kannten und sie als Waynes „Sklavin" arbeitete. Also könnte sie mich doch nur benutzen, um sicher zu gehen, dass ich keine Dummheiten machte, während Wayne mich irgendwann verwandeln würde. Doch schnell vergaß ich meine Zweifel und redete mit Laila über ihr bisheriges Leben, außerhalb dem bei Wayne.
Viele Stunden vergingen. Ich dachte gerade über etwas nach, was Laila mir eben erzählte, als es klopfte. Leise, aber hörbar. „Wayne!", keuchte ich erschrocken. "Nicht doch. Der stürmt doch normalerweise herein, wie ein wildgewordener Stier!", warf Laila ein und sie hatte recht. „Vielleicht Jonathan?", vermutete sie.
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The secret of... the bloody rage
Fantasy- ABGESCHLOSSEN - „Es geht um dich! Um Leben und Tod!" Jetzt, wo Sie den Titel schon gelesen haben, denken Sie wahrscheinlich: „Ein Vampirbuch. Schon wieder. Brauch ich gar nicht erst zu lesen!" Aber wenn Sie es nicht tun, werden Sie einiges verpass...