||Kapitel 86|| Annie

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Mit dem nervigen Klingelton meines Weckers begann der 68. Tag, an dem Shawn im Koma lag.

Seit dem Unfall war ich nicht mehr arbeiten gewesen. Wozu auch? Die Mitarbeiter aus Shawns Abteilung wurden entweder gekündigt oder in andere Abteilungen von Island Records versetzt. Ohne funktionierenden Star brauchte man eben kein Management, Organisatoren und Sonstiges.

Ich ging genau für drei Dinge aus dem Haus: Zu meinen Frauenarztterminen, zu Shawn ins Krankenhaus und zum Einkaufen.

Bei Shawn bin ich jeden einzelnen Tag und erzähle ihm, was um ihn herum so passiert. Karen, Manuel und Aaliyah arbeiten ganz normal und schaffen es deshalb nur alle zwei bis drei Tage, bei ihrem Sohn bzw. Bruder vorbeizuschauen.

Nachdem ich aufgestanden bin, im Bad fertig war und mir auch ein Sommerkleidchen aus der Umstandsmode übergezogen hatte, schleppte ich mich die Treppe hinunter in die Küche.

Am Anfang meiner Schwangerschaft dachte ich ja schon, es wäre anstrengend und unangenehm, das Baby 24 Stunden lang, 7 Tage die Woche mit mir herum zu tragen, aber nun, zu Beginn des siebten Monats, war es noch einmal eine ganz andere Hausnummer.

Ich war schon erschöpft, nachdem ich mich angezogen hatte und gefühlt 50 Mal am Tag musste ich pinkeln gehen, weil der Kleine immer auf meiner Blase lag. Ich traute mich fast nicht mehr, etwas zu trinken, weil ich wusste, dass ich dann andauernd aufs Klo rennen musste.

Das Baby und die Hoffnung, daß Shawn doch endlich aufwachen würde, wenn ich ihn besuche und immer mit ihm spreche, waren eigentlich die einzigen Gründe, weshalb ich morgens überhaupt aus dem Bett aufstand. Um das ungeborene Baby musste ich mich schließlich kümmern und Shawn konnte ich auch nicht alleine lassen.

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Ich betrat das Krankenhaus und schlug sofort den Weg zu Shawns Zimmer ein. Das Pflegepersonal, das mir auf dem Flur begegnete, lächelte mir wie immer aufmunternd zu. Nach über zwei Monaten kannte ich alle vom Sehen und alle kannten mich.

Vor Shawns Zimmer begrüßte ich Wylson. Das Zimmer wurde immer von einem von Shawns Bodyguards bewacht, für den Fall, dass die Fans doch noch irgendwie rausbekommen sollten, in welchem Krankenhaus ihr Idol lag.

Die Presse hatte es irgendwann aufgegeben, mehr Informationen von mir und Shawns Familie zu verlangen und es war ganz schön ruhig um den Unfall und meine Schwangerschaft geworden. Das fand ich aber auch besser so.

Nach einem kurzen Plausch mit Wylson, der mich unter anderem fragte, wie es mir heute ginge, öffnete ich die Tür und betrat den Raum, in dem mein Freund seit zwei Monaten Tag für Tag lag und sich nicht bewegte.

"Hey, Schatz!", begrüßte ich ihn. Ich bin mir sicher, er kann mich hören.

Meine Tasche lege ich auf den Tisch ab und setze mich dann auf den Stuhl, der seit mehreren Wochen schon direkt neben Shawns Bett steht und nicht wirklich verschoben wurde.

"Na, wie war dein Tag bisher so?", frage ich, obwohl ich natürlich weiß, dass ich keine Antwort bekomme. Ich sehe sein Gesicht an und warte, ob er nicht vielleicht doch etwas sagen wird. Ich wünsche es mir so sehr.

Seine Verletzungen waren alle wieder verheilt, aber er wachte einfach nicht auf. Die Ärzte meinten, er sei eigentlich wieder  kerngesund und sie konnten es sich auch nicht erklären, warum er nicht aus dem Koma erwachte.

Nach etwa zwei Minuten, in denen ich auf Shawns Antwort auf meine Frage gewartet hatte, ergriff ich dann doch noch einmal das Wort.

"Morgen komme ich ein bisschen später, ja? Ich muss wieder zu einem Kontrolltermin beim Frauenarzt. Sie müssen sehen, ob mit unserem kleinen Racker immer noch alles in Ordnung ist. Ich glaube aber schon, weil er im Moment sehr aktiv ist. Heute Nacht hat er mich nicht wirklich schlafen lassen. Es hat sich angefühlt, als würde er seine erste Party in meinem Bauch feiern." Bei diesem Vergleich musste ich leicht lächeln.

Was würde ich nur dafür geben, dass Shawns Hand auf meinem Bauch lag und er die Tritte unseres Baby spüren konnte...

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"Hey, Schatz!", sprach ich und gab Shawn einen Kuss auf die Lippen, der natürlich nicht erwidert wurde.

"Mit unserem Jungen ist alles okay. Die Frauenärztin war ganz entzückt, wie kräftig er denn schon sei. Der Geburtstermin rückt immer näher. Bitte wach' auf, ja? Unser Baby braucht doch seinen Vater."

Bevor ich, wie so oft in Tränen ausbrechen konnte, klopft es an der Tür. Schnell tupfte ich unter meinen Augen entlang und strich mein Haar hinters Ohr.

"Herein!", rief ich und sogleich wurde die Tür geöffnet.

"Hallo, Miss Clinton!", begrüßte mich Steve, der Physiotherapeut, erfreut.

"Hallo! Wie geht es Ihnen?", fragte ich ihn.

"Bei mir ist alles bestens. Wie geht es Ihnen und dem Baby?"

"Sehr gut. Ich war heute bei der Frauenärztin. Er ist gut entwickelt!", antworte ich, während Steve beginnt, die Beine und Arme meines Freundes zu bewegen, zu dehnen und andere Übungen zur Muskulaturerhaltung mit ihm zu machen.

"Das freut mich. Darf ich fragen, wann es denn soweit sein soll?" Er sieht mich lächelnd an, während er Shawns linkes Bein beugt und streckt.

"Na klar. In drei Wochen ist der errechnete Geburtstermin."

"Das ist ja gar nicht mehr lange. Freuen Sie sich?"

Ich nicke, füge jedoch hinzu: "Noch mehr würde ich mich freuen, wenn Shawn wieder aufwachen würde und bei der Geburt dabei sein könnte."

"Das verstehe ich. Haben Sie mittlerweile ein Kinderzimmerchen eingerichtet?", fragt er nun.

Das Kinderzimmer wollte ich immer mit Shawn zusammen einrichten, deshalb schob ich es die ganze Zeit vor mir her. Aber so langsam wurde es eben allerhöchste Eisenbahn, da das Kind eigentlich jederzeit kommen konnte.

Deshalb hatte Aaliyah mich als meine Hebamme und werdende Tante davon überzeugt, dass wir morgen zusammen mit Linetha und Phil in ein Möbelhaus und in den Baumarkt fahren würden.

"Noch nicht. Ich habe mich aber für morgen mit ein paar Freunden verabredet, um Sachen zu besorgen und dann richten wir es ein. Das Zimmer sollte ja doch fertig sein, bevor das Baby auf die Welt kommt", beantworte ich Steve seine Frage.

"Ja, da haben Sie Recht." Steve nickte mir zu, beendete dann seine Arbeit allmählich und deckte meinen Freund wieder richtig zu. "Ich muss jetzt weiter zum nächsten Patienten. Ich wünsche Ihnen alles Gute und viel Spaß morgen!"

"Vielen Dank. Tschüss!", verabschiede ich mich, bevor Steve das Zimmer wieder verlassen hatte.

"Hast du gehört? Ich hab mich endlich überwunden und fange morgen an mit der Einrichtung des Kinderzimmers. Was hälst du von mintgrünen Wänden? Denkst du, das passt zu deinem alten Kinderbettchen? Deine Mum will, dass wir das Bettchen unbedingt weiter benutzen, weil sie auch schon darin lag. Hoffentlich hält das Ding nach über 50 Jahren immer noch ein Baby aus!"

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