Der verwundete Mann

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Am Bauch zog sich ein großer Blutfleck, sein ganzes Hemd war blutbeschmutzt und sein Gesicht war ebenfalls blutig. "Können Sie mich hören?", fragte Alaina verzweifelt und beugte sich zu ihm hinunter. Er war jung und hatte braune Haare und eine helle Haut. Eindeutig ein Amherraner dachte sich Alaina. Was zur Hölle machte er hier und wer hat ihm dies angetan?

"Hilfe ...., Ich muss meine Familie warnen..." stammelte der verwundete Mann. Alaina hob seinen Kopf an und sah in seine grüne Augen, in denen sich sein Schmerz widerspiegelte. "Alles wird gut." flüsterte Alaina ihm beruhigend zu "Ich werde dir helfen, du wirst wieder gesund." Der Mann nickte nur und Alaina konnte sehen, dass er kurz davor war, sein Bewusstsein zu verlieren. "Nein bleib da!", rief sie panisch. "Bitte!" Doch er war weg. Mühsam versuchte sie ihn hochzustemmen, um sogleich unter seinem Gewicht zusammenzufallen. Beim Himmel ist der schwer dachte sie angestrengt. Na komm schon Alaina, du schaffst das! Mit ihrer größtmöglichen Kraft hob sie ihn hoch. Ich muss ihn in das Sklavenlager bringen und zwar schnell, sonst überlebt er das nicht. Mit eiligen Schritten machte sie sich auf den Weg. Das Sklavenlager war an der Villa angelegt, dort schliefen die Sklaven, die Eigentum des Lords waren. Es waren einfache Holzhütten, mit denen sich die Bediensteten vor der Kälte in der Nacht und vor den Stürmen schütze, die so oft ihr Unwesen in dieser Gegend trieben. Früher hatte die Rizaner hier ihre Zelte aufgebaut und Viehzucht betrieben, doch nach dem Krieg wurde dieses Gebiet Amherra zugesprochen und mehrere reiche Amherraner siedelten sich in diesem Gebiet an wie auch ihr Herr, der Lord.

Als sie am Hügel, der zum Lager führte, angekommen war, lief ihr Terim entgegen, einer ihrer Freunde hier."Alaina, wer zum Geier ist denn das?". "Ich habe ihn in der Nähe der Wasserstelle gefunden, kannst du mir helfen, ihn zu meiner Unterkunft zu bringen, er ist ziemlich schwer und außerdem verwundet. Bitte" fügte sie verzweifelt hinzu. "Wenn der Lord mitbekommt, dass du fremde Leute, noch dazu irgendwelche dahergelaufene Männer versteckt vor ihm gesund pflegst, schlägt er dich zu Tode. " "Das weiß ich. ", stöhnte Alaina genervt. „Doch er braucht dringend Hilfe, hätte ich ihn den liegen lassen sollen?". Terim schnaubte nur und nahm den verwundeten Mann an den Füßen. Es war allgemein bekannt, das ihr Herr nicht gerade vor Nächstenliebe strotze, nein im Gegenteil, er war für seine Grausamkeit, sein elitäres Denken und seine Liebe zu Reichtum bekannt. Die Hilfe eines armen, verletzten Mannes entgegen zu nehmen, käme diesem Ignoranten nie in den Sinn. Mühsam schleppten die beiden den Mann zu ihrer Hütte. Dort angekommen legten sie ihn sogleich auf ihre bedürftige Schlafmatte. "Du weißt doch gar nicht, wer er ist, er könnte ein Krimineller sein, ein Dieb oder sogar ein Mörder!" versuchte Terim weiterhin Alaina von ihrem Vorhaben abzubringen. "Blödsinn, er ist ein Verletzter, der Hilfe braucht und jetzt geh beiseite und lass mich arbeiten."

Alaina war bekannt für ihre Fähigkeiten in der Heilkunst, sie verstand es Mixturen aus Kräuter zuzubereiten, welche nicht nur Krankheiten heilen oder Beschwerden lindern können, sondern auch die tiefsten Wunden zu reinigen vermögen. Diese Fähigkeit war in diesem Etablissement sehr gefragt, denn der Lord und sein Hof neigten zu Brutalitäten. Mit einem Lappen versuchte sie die Wunde zu reinigen. Wer bist du nur, dachte sie sich. Dabei hatte sie auch Zeit sein Gesicht und seine Statur zu betrachten. Es war ein muskulöser Mann, dachte sie sich, und wohlernährt, wer mochte er nur sein. Sicherlich kein armer Schlucker, nein, denn auch das Hemd zeigte eine gewisse Feine, die sich doch nur Wohlhabende leisten können. Sein Gesicht war kantig und er hatte volle rosa Lippen. Er sah echt gut aus, dachte sie sich im Geheimen. Du hast sicherlich vielen Frauen den Kopf verdreht dachte sie sich lächelnd und drückte den Lappen aus. Anschließend nähte sie die Wunden mit Faden und einer notdürftigen Nadel zu, um sie anschließend verbinden zu können. Hoffentlich infiziert sich nichts, hoffentlich ist er stark genug. Sorgvoll betrachtete sie ihn. Terim stand neben der ganzen Prozedur hinter ihr. "Hier ist er wenigstens vor dem Lord und seinen Geiern sicher, die betreten diese Grube sowieso nie." "Deswegen ist er auch hier." gab Alaina von sich. "Ich kann jetzt nichts mehr machen, er muss zu Kräften kommen und so wahr uns Gott helfe kein Fieber bekommen. "Los, bald gibt es Abendessen und wir wollen ja keine Probleme bekommen, weil wir fehlen." Nickend stand Alaina auf und räumte die blutverschmutzten Lappen weg. "Geh schon mal, ich komme nach, ich räume noch auf und ach ja danke für deine Hilfe." fügte sie noch lächelnd hinzu.

Nach kurzer Zeit hörte sie die Stimme eines Wächters, Rundgesicht um genau zu sein, wie sie ihn heimlich getauft hatte, weil er nun ja nicht gerade für seine Schlankheit bekannt war. Genervt stand sie auf, nur um sich nach wenigen Schritten aus ihrer Unterkunft eine Ohrfeige einzuholen. "Wo ist das Wasser, das du holen wolltest, he!" knurrte er sie an. Stimmt, sie wollte doch eigentlich Wasser holen, dass hatte sie in der Aufregung vergessen. "Verzeihen Sie Herr, ich habe es wohl übersehen. " gab sie demütig von sich und senkte den Kopf nur um sich eine weitere Ohrfeige einzuholen und eine Reihe von Schimpfwörtern. Mit gesenkten Kopf lief sie nach der Demütigung in die Villa ihres Herrn, ein großes und prunkvolles Gebäude mit goldenen Säulen und allerlei Glanz. Ihr Herr war einer der großen Lords, die in Amherra große Gebiete in ihren Besitz hatten. Er war einer der großen acht Adeligen, die dem König von Amherra, Leopold dem 18. direkt unterstellt waren und auch seine treuesten Untergeben waren, die zugleich eine Heer- sowie eine Beraterfunktion innehatten. Lord Roben besaß ein Gebiet im Süden von Amherra, das Grenzgebiet. Deswegen hatte er auch seinen Herrschersitz weiterverlegt in das Land der Rizaner. Die drei reichsten Lords waren die Elite dieses Landes, der König war eng mit ihnen befreundet und ihr Reichtum und ihre Gebietsgröße waren enorm. Lord Orion war der engste Berater des Königs und sein Sohn James Orion war einer der großen Drei, zusammen mit Charles Geminus, dessen Vater Augen und Ohren in allen Teile der Weltreiche hatte und George Ares, dessen Vater die Heere befehligte. Diese drei waren die crème de la crème des Reiches und sehr erfolgreiche Kämpfer, denn sie hatten gemeinsam schon Schlachten miteinander gewonnen von denen ein einfacher Soldat nur träumen konnte. Sie herrschten über den großen Westen, dessen Landschaft atemberaubend sei so sagt man jedenfalls. Alaina hatte sie noch nie gesehen, obwohl sie schon einige Jahre in Amherra sei es als Sklavin eines Adeligen oder als Straßendiebin verbracht hatte.

Seufzend machte sie sich auf den Weg zur Küche, um ihrem Herrn das Essen zu servieren. Sein ganzer Hof war schon versammelt, als Alaina und andere Sklaven mit den dufteten Speisen aufmarschierten auch Terim war unter ihnen. Die Regeln in diesem Haus waren klar, mach kein Geräusch, sei immer unterwürfig, siehe dem Herrn nie in die Augen, tu alles was er von dir verlangt und mach auf keinen Fall Fehler. Eine junge Sklavin namens Koja verstieß gegen die letzte Regel als sie stürzte und damit auch der Topf mit der heißen Suppe hinunterfiel. Prejus der Vertraute des Lord Robins, ein Graf sprang auf und schlug der Armen in ihr Gesicht. „Du dummes Ding!" schrie ihr Herr und holte seine Peitsche hervor. Zehn Schläge musste sie flehend und weinend erdulden bis er von ihr abließ. Schwer keuchend verließ das Mädchen den Saal.„Räumt das weg." meinte der Lord nur während Prejus hämisch grinste. Mit leicht zitternden Händen kniete sich Alaina mit Soria einer älteren Frau nieder, um das Chaos zu beseitigen.

Nach der Versorgung von Kojas Rücken rannte Alaina so schnell wie möglich zu ihrer Unterkunft, zu ihm. Hoffentlich lebte er noch.  Mit eiligen Schritten gelangte sie zu ihrer Hütte und riss schnell die bereits demolierte Tür auf. Dort lag er, unversehrt. Erleichtert atmete sie aus. Als sie sich zu ihm setzten wollte, ergriff eine starke Hand ihren Hals und drückte zu. Keuchend schaute sie in grüne Augen, die ihr unbarmherzig entgegen blickten. „Wo zur Hölle bin ich."

WüstenköniginWo Geschichten leben. Entdecke jetzt