Das Wiedersehen

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Jeder Schritt war mit einer Vorsehung geprägt, jeder Schritt brachte ihn näher zu ihr, jeder Schritt war einer weniger, bis er sie endlich wieder sehen konnte. Die Wachen in der Stadtwache wichen voller Ehrfurcht zurück und fielen in eine tiefe Verbeugung. "Eure Hoheit." stotterte der eine und blickte voller Angst zu seinem König, der ihn nur regungslos musterte. "Wo ist sie." Der andere deutete mit der Hand zu der Tür, die zu den Zellen führte und James schritt voran, bis er bei dem Türknauf war und zögerte. Eine Spannung lag in seinen Adern, jagte in seinem Blut, er konnte nicht beschreiben wie er sich fühlte, es war eine Mischung aus unabdingbarer Sehnsucht und gleichzeitigem Groll, Lust, Verlangen und Trauer. Er gab sich einen Ruck und öffnete die Tür und blickte in die Dunkelheit. Nur ein vergittertes Fenster in einer Ecke spendete Licht und als seine Augen sich an die Dunkelheit gewohnt hatten, konnte er die Gestalt im Dunkeln der Zelle erkennen. Da war sie. "Alaina." Seine Stimme war nicht mehr die seine, sie war viel zu rau und zu ... schwach, nicht die Stimme eines Königs, die er in den Besprechungen benützte. "James." ihre leise Stimme drang zu ihm und jagte ihm einen Schauer über den Rücken. Sie trat vor in das Licht der hereinscheinenden Sonne und offenbarte so ihr Gesicht, welches er so sehr liebte. Ihre Augen waren immer noch von dem tiefen blau und ihr Züge waren immer noch so schön und jung. Doch etwas hatte sich verändert. Es war der Ausdruck in ihren Augen, der ihn abschreckte, der resignierte und kalte Gesichtsausdruck, den er bei ihr noch nie gesehen hatte. Er hatte Liebe, Trauer, Schmerz und Scham gesehen, aber noch nie Kälte. Doch er würde ihr auch nicht seinen eigenen Schmerz offenbaren. "Es sollte mich eigentlich nicht wundern, dass du es bist, die so gegen mich rebelliert." gab er mit arroganter Stimme von sich und Alaina zuckte zurück und gab somit den Schmerz in ihren Augen preis, den er schon kannte. Sogleich bereute er seine harten Worte. Doch sie fasste sich wieder und zog ihre Augenbrauen hoch. "Tja, wenn du deinen Job nicht machst." fauchte sie ihm in sein Gesicht und seine Mundwinkeln zogen sich zu einem schiefen Lächeln. "Nun da hast du sicherlich Recht." schnurrte er schon fast und er konnte deutlich sehen, dass er immer noch eine Reaktion in ihr auslöste, denn ihre Wangen färbten sich rötlich, als er näher trat und ihre Gesichter nur noch wenige Zentimeter voneinander entfernt waren. Nur die Gitterscheiben trennten die beiden voneinander. Die Spannung war zum Greifen nahe, es war als ob sich die beiden nicht entscheiden könnten, ob sie übereinander herfallen oder sich anschreien sollten. James merkte, wie es sich in seiner Hose regte und er bemerkte auch, wie Alaina mit einer leichten Bewegung ihre Beine zusammenpresste und wenn er sich nicht so stark zusammengerissen hätte, dann hätte er bereits die Tür aufgerissen und seinen Mund auf ihren gepresst. Es war Alaina, die schlussendlich einen Schritt zurücktrat. 

"Was willst du?" fragte sie mit kalter Stimme und der Ausdruck von Lust war in ihrem Gesicht verschwunden. Er atmete tief durch und besann sich ebenso. "Du wirst natürlich freigelassen, ich hoffe die Wachen waren nicht allzu grob." Verwirrt zog Alaina die Augenbrauen zusammen und schüttelte den Kopf. "Nein waren sie nicht." Eine Lüge, aber egal. Sie hätte damit gerechnet, dass er wütender wäre, immerhin hatte sie sich ihm widersetzt und seine Autorität untergraben, sie hatte sich nicht einmal verbeugt gar nichts. Sobald sich die Türe geöffnet hatte, hatte sie gewusst, dass er es war und sie hatte die Luft angehalten, bis sie endlich sein Gesicht im Schein der wenigen Sonnenstrahlen, die durch das Fenster fielen, erkennen konnte. Er war gealtert, im wahrsten Sinne des Wortes, denn er hatte mittlerweile einen richtigen stoppeligen Bart und einen harten Gesichtsausdruck, den eines Königs würdig, doch als er sie erblickte, da wurde seine Miene weich. Das schockierte sie zutiefst, doch sie behielt ihre kalte Miene, die sie einstudiert hatte, gleich nachdem Lukas den Raum verlassen hatte. Seine grüne Augen schienen durch sie hindurch zu blicken, so war es schon immer gewesen, sie hatte es nur vergessen. Seine bloße Präsenz in diesem Raum verschlug ihr den Atem, seine ganze Statur alles war so vertraut und doch so fremd. Er trat näher und mittlerweile waren sie nahe, sodass sie jede kleine Lachfalte, jedes Muttermal, jedes Merkmal seines Gesichts sehen konnte und es war alles so bekannt für sie. Eine Lust durchfuhr sie und sie presste die Beine zusammen so fest, das er mit seinem Blick dorthin fuhr, wo er früher so gerne mit seinem Kopf gewesen war. Schließlich war sie es gewesen, die zurücktrat und sich besann. Die Distanz zwischen ihnen wurde wieder geschaffen und dabei sollte es bleiben, obwohl der Sex ... nun ja mehr schwanger konnte sie nicht werden. Da war doch noch was, sollte sie es ihm erzählen? Ihr Atem ging schneller und sie versuchte sich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren, um nicht die Fassung zu verlieren und so blickte sie in seine grüne Augen, die sie praktisch nackt auszogen, so intensiv musterte er sie. "Ich ... das war ein Fehler und ich bin froh, dass du uns darauf hingewiesen hast, ich hatte ehrlich gesagt keine Ahnung von dem Gesetz und deren Auswirkung auf diese Frauen, wie bist du auf sie gestoßen?" "Jera ist eine von ihnen." flüsterte Alaina. "Jera liebt also Frauen." Das war keine Frage und so fühlte sich Alaina auch nicht verantwortlich, darauf zu antworten. James seufzte und fuhr fort. "Was ich sagen will, dass es für mich merkwürdig ist, dass augenscheinlich die wenigsten von dieser Gesetzgebung wissen, die ich übrigens aufgehoben habe, also dürfte es euch nicht länger stören, aber ich finde es überaus interessant, dass die Südwachen sie kannten und euch so zugesetzt haben. Wann hat das angefangen?" "Ich weiß nicht, ich bin erst ein paar Tage in dieser Stadt." James sah sie lange an, wahrscheinlich erst um die Information aufzuschnappen, die sie ihm gegeben hatte. "Ich werde Nachforschungen anstellen, aber die Wachen werden euch nicht mehr belästigen und sie werden dafür bezahlen, glaub mir." Ein grausames Lächeln schlich sich auf sein Gesicht. Tod den Feinden. Das war einer der Leitsprüche der Monarchie und auch James hatte es sich wohl zunutze gemacht, doch sie freute sich, denn die Wachen gehörten bestraft, es machte sie immer noch unglaublich wütend, dass sie ihrer Freundin und den anderen unschuldigen Frauen dies angetan hatten und James schien auch so zu denken. "Ich werde dich freilassen, aber eine Sache musst du noch wissen, Roben ... lebt." "Ich weiß." warf Alaina ein und rieb sich die Schläfen, sie bekam Kopfweh von dem Ganzen und James blickte sie überrascht an. "Vor ein paar Tagen habe ich Charly getroffen und er hat es mir gesagt." "Charly wusste, dass du in der Stadt bist." Wütend über diese Tatsache blickte James zu dem kleinen vergitterten Fenster und biss auf die Zähne, sodass sein markantes Kiefer noch mehr zu Geltung kam und Alaina spürte wieder diese Lust in ihr. "Sei nicht sauer auf ihn." meinte sie sanft und sah ihm tief in die Augen. "Er hat es mir zuliebe gemacht, das war meine Bitte, er ist ja mein Halbbruder." James schloss die Augen und fuhr sich durch die Haare, eine altbekannte Geste für Alaina. "Das werde ich mit ihm ausmachen." "Roben wird mir nichts tun können, ich bin in Sicherheit." meinte Alaina. "Ich denke ich kann dich nicht davon überzeugen, dir meinen Schutz anzubieten." Voller Hoffnung und mit großen Augen blickte er zu der jungen Frau. "Nein, das will ich nicht, ich möchte nicht eingesperrt sein." Die Ironie dieses Satzes war ihr wohl bewusst und auch James hob die Augenbrauen. "Tja, nächstes Mal solltest du wohl nicht den König beleidigen, das kommt anscheinend nicht so gut an. " Alaina wusste nicht, was sie tun sollte, denn am liebsten hätte sie laut losgebrüllt vor Lachen und so verzog sie ihre Mundwinkel, eine kleine, aber bedeutende Geste, die James Augen erleuchtet ließen. "Alaina ich würde dich nicht einsperren, ich würde dir nur Wachmänner zum Schutz anbieten, ich will nicht, dass dir etwas zustößt, jetzt wo dieses Monster noch frei rumrennt und du .... er könnte dich töten, dich als Geisel nehmen." "Weil er meint, dass wir noch zusammen sind, aber da sind wir im Vorteil, denn dadurch kann er dir nicht schaden." James Augen wurden eng bei ihren Worte und sie spürte seine eiskalte Wut wie eine Welle über das Verlies rollen. "Du meinst, darum geht es mir, dass er mir dadurch schaden könnte?! Alaina, verdammt, ich habe Angst um dich, Angst, dass er dir etwas antut, denn bei Gott ich werde ihm alle Knochen brechen, wenn er dies tut und selbst dann werde ich nicht aufhören, ihn leiden zu lassen, wenn er dir auch nur Haar krümmt." Tränen standen in Alainas Augen. 

Der derartige Gefühlsausbruch hatte sie bis in ihr innerstes erschüttert. Er ... er empfand noch etwas für sie, sonst würde er nicht so reagieren. "Wieso sollte es dich kümmern, was mit mir passiert?" fragte sie ihn mit leiser Stimme, so verletzlich wie ihre Seele selbst. Mit bestürzter Miene blickte der König sie an. "Weil ich dich liebe Alaina, immer noch und ich werde dich auch immer lieben." Diese Worte, die sie sich so sehr gewünscht hatte und doch war ... es zwecklos, er war ja verheiratet. Mittlerweile rannen ihr die Tränen den Wangen hinab und auch James Augen waren wässrig. "Du liebst mich? Wieso willst du dann sie heiraten?!" "Ich werde sie nicht heiraten, habe es doch nie gewollt, in dem Moment, ich war so in Trauer über den Tod des Königs und ich wollte nicht seinen letzten Befehl missachten, aber ich werde sie nicht heiraten. " Diese Worte, die sie sich gewünscht hätte, dass er sie in jenem Moment vor Monaten sagen sollte, jene Worte, die alles geändert hätten, doch er hatte sie nicht gesagt und das war der springende Punkt. "Was soll ich denn dazu sagen, James, das ist zu spät." sagte sie mit matter Stimme und sie fühlte sich so schwach, dass sie meinte gleich zusammenzubrechen. Es war zu spät, diesen Schmerz, den er ihr zugefügt hatte, sie konnte ihn nicht vergessen. Sie konnte ihm nicht verzeihen, das war die ernüchternde Wahrheit, die James auch erkannte und ihm rannten die Tränen von den Wangen. "Dann habe ich meine Antwort. " Das waren seine Worte und er schritt aus der Wache hinaus uns ließ Alaina alleine, die auf dem Boden zusammenbrach, zu viel waren die letzten Momente für sie gewesen, sie war noch nicht bereit, ihn nach dem ganzen Mist wieder in ihr Leben zu lassen, war nicht bereit dafür, ihm zu verzeihen und einfach so in die Arme zu laufen, nein, dass konnte sie nicht. Er liebt dich, er liebt dich, er liebt dich. Das alles hallte in ihr und sie merkte fast nicht, wie die Wachen das Schloss öffneten und sie nach draußen begleiteten, merkte nicht, wie sie die Straßen entlang lief zu jenem Gebäude im Südviertel. Er liebt mich, er liebt mich, er liebt mich. 

WüstenköniginWo Geschichten leben. Entdecke jetzt