Attentat (Teil 2)

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Es war Roben. Aber wie... ? Er hatte mit eigenen Augen gesehen, wie er leblos an dem Seil baumelte. Das darf nicht wahr sein. Wie um sich sicher zu sein, rieb sich James die Augen, doch sie täuschten ihn nicht. Das war Roben, der einfach so in das Zimmer des Königs marschierte und sich einen goldenen Mantel von einem Sessel holte. Mit seinem klassischen hämischen Grinsen betrachtete er sich im Spiegel und richtete seinen Kragen auf. Irgendetwas muss bei seiner Hinrichtung gewaltig schiefgegangen sein, aber was? James Gedanken rasten. Die einzige Möglichkeit, die sich ihm erbot war jene: Eine Wache, ein Sympathisant von Roben könnte ihn freigelassen haben und irgendwie haben sie einen Doppelgänger finden müssen. Selbst in seinen Gedanken war dies absurd und fern jeglicher Realität. Immer noch verdattert blickte James zu Roben, der mit schnellen Schritten aus dem Zimmer schritt. Erst jetzt wurde James bewusst, dass er ihn hätte töten müssen, doch er konnte nicht schnell genug handeln, er war viel zu perplex dafür. Doch nun ärgerte er sich zu Tode, wenn er wirklich überlebt hatte, dann wäre dies die perfekte Möglichkeit, ihn für ein und alle Mal zu beseitigen. William und Terim mussten sich auch zusammengerissen haben, denn sonst wären sie schon längst aufgeflogen. Warum hatte ausgerechnet er überlebt, er hatte es nicht verdient. Sein Verrat saß immer noch tief in den Wurzeln von Amherra und deren Landesmänner. Zähneknirschend wollte James gerade aus dem Schrank steigen, als die Tür erneut aufging und da war er, der König von Riza, ein etwas betagter Mann mit einem langen schwarz-grauen Bart und einem grimmigen Gesicht. James wurde bewusst, dass er ihn noch nie persönlich zu Gesicht bekommen hatte. Hinter ihm ging ein junges Mädchen, eine Sklavin offenbar, denn sie hielt den Kopf gesenkt. Diese Geste erinnerte ihn an Alaina, als sie sich das erste Mal, als er ihre Vermutungen über seine Identität bestätigte, vor ihm auf die Knie geworfen hatte. Das schockierende Gefühl was er damals hatte, erkannte er jetzt wieder. Natürlich würde er als König Unterwürfigkeit annehmen müssen, von seinen Feinden gerne, aber nicht von einer jungen Frau, vor allem nicht, wenn diese schon vor Angst zitterte, so wie es jetzt bei ihr der Fall war. Sein Zorn wuchs und wuchs, denn der König hatte noch schlimmere Absichten, die schlimmsten, welche ein Mann jemals haben kann. Der König begann genüßlich an dem Hals der jungen Frau zu saugen und es war klar, worauf dies hinauslief. Langsam öffnete James die Schranktür, erpicht darauf, kein Geräusch zu machen. Der König stand mit dem Rücken zu ihm und zog an der Kleidung der jungen Frau, die erschrocken in die Richtung von James blickte. Dieser legte nur vorsichtig einen Finger auf seine Lippen, um verstehen zu geben, dass sie leise sein sollte. Das Mädchen riss die Augen auf und ... nickte. Voller Erleichterung schlich sich ein kleines Lächeln auf sein Gesicht, das war schon mal ein Anfang. Auf dem Weg zu dem König schnappte er sich das Messer, welches er an seinem Gurt befestigt hatte und hielt es hoch, bereit zuzuschlagen.

Es war viel zu leicht, viel zu leicht, den grausamsten Mann der Geschichte Rizas umzubringen, viel zu leicht bohrte sich der Dolch in das Fleisch jenes Tyrannen und viel zu schnell kippte er mit seinem leblosen Körper zu Boden. Er hatte ihn mehr leiden lassen sollen, dachte sich James. Die junge Frau wollte gerade erschrocken aufschreien, als James ihr die Hand vor dem Mund hielt. "Ich tue dir nichts, wir helfen dir hier raus." Mit einem Pfeifen verständigte er William und Terim, die sich immer noch als Wachen vor der Türe ausgaben. "Du hast es vollbracht." Stolz blickte William James an und Terim stoß einen Jubel aus, als er die Leiche am Boden liegen sah. "Pscht." fuhr William ihn an und die beiden blickten zu der Sklavin, deren Mund immer noch von James festgehalten wurde. "Und sie?" "Er wollte sie vergewaltigen." Voller Zorn blickte James auf die Leiche des König, er konnte es sich nicht verkneifen, noch einmal darauf zu spucken. Vorsichtig nahm er anschließend die Hand von ihrem Mund weg und zwei große Augen blickten ihm entgegen. "Danke." murmelte sie leise und rannte schon fast aus der Tür. "Sie wird uns nicht verraten, aber dennoch sollten wir uns beeilen. Sicher können wir nie sein." William drehte sich zu James um und sah ihn mit ernsten Blick an. "Wenn wir hier fertig sind, müssen wir uns ernsthafte Gedanken darüber machen, wieso dieser unsagbarere Idiot von einem Lord noch lebt." Zähneknirschend blickte James seinen Freund an und nickte grimmig. "Ich hätte gedacht, er wurde gehängt?" Verwirrt blickte Terim die beiden an. "Wurde er auch, das ist es ja." antwortete ihm William und James wedelte ungeduldig mit der Hand. "Um diesen Schlamassel kümmern wir uns später, lasst uns weitermachen." Mit einem Nicken deutete James William und Terim zu, sich dem Fenster zu nähern, wo das Seil bereitstand. Es war Zeit für Phase zwei. Der Flucht.

Mit einem eleganten Sprung landete James auf dem letzten Häuservorsprung, dicht hinter ihm folgen William und Terim. Es war eine Leichtigkeit, sich mit dem Seil zu dem anderen Haus zu Charly zu schwingen, der oben auf den Häuserdächern bleiben sollte, denn er war das Ablenkungsmanöver, welches sie noch brauchen würden, denn die Leiche des Königs war im Schlafzimmer platziert worden, es war nur eine Frage der Zeit bis diese bemerkt werden würde und dann sah man auch das Seil. So würde man meinen, die Angreifen wären durch das Fenster geflüchtete und alle Wachen dieser Stadt würden sich auf die Suche nach dem Attentäter machen. Charly und George würden diese Wachen unterdessen auf der Nase herumführen und nacheinander in die Enge treiben, während James, William und Terim wieder in das Schloss gehen würden und zwar diesmal durch das Haupttor. Voller Selbstbewusstsein marschierten James, William und Terim an der Hauptstraße entlang. Da erklangen die Glocken, die eine Gefahr, eine Flucht darstellen sollten. Jedes Mal, wenn etwas Größeres passierte, erklangen diese Glocken über dieser dreckigen Stadt, die bald einen neuen Herrscher haben würde, denn der alte war beseitigt worden und der Feind hatte die Leiche nun entdeckt. Dutzende von Wachen marschierten durch das Haupttor, wild darauf den Schurken ausfindig zu machen. Im Schloss selber würde pures Chaos herrschen, das würden sie sich zunutze machen. Es war ein Kinderspiel an den herausströmenden Wachen vorbeizugehen, die voller Wut in die Gassen marschierten und auf jeden einschlugen, der sich ihnen in den Weg stellte. Alle Menschen dieser Stadt wichen zurück und versteckten sich in ihre bedürftigen Häuser, denn die Wölfe waren auf der Jagd und es gab nichts, was sie aufhalten könnte. Der Hauptmann der Wache selbst, ein kräftig gebauter Mann, der auch in Schlachten gekämpft hatte, stampfte aus dem riesigen Haupttor. James erkannte ihn wieder, denn er hatte ihm einst eine Wunde in seinem Gesicht zugefügt, die dieser mit einem Helm zu verdecken versuchte. "Los sucht diesen schändlichen Mann und bringt ihn mir, er wird leiden!" Ein Gejohle erklang von den Wachen und immer mehr und mehr wurden ausgesendet. James hoffte nur, dass Charly und George aufpassten und dass ihnen nichts passierte. Mit dem Blick zu William erkannte er, dass er dasselbe dachte.

Und so marschierten die drei in die Höhle des Löwen, in das Schloss hinein, versteckt wie ein trojanisches Pferd, dessen Inhalt sich erst später darlegen würde. Wie erwartete herrschte im Schloss drinnen ein reges Treiben, rizanische Adeligen rannten verzweifelt durcheinander und versuchte ihr Hab und Gut mitzunehmen. Sie alle wollten fliehen, hatten Angst vor dem Messer, vor dem Tod und vor der ungewissen Zukunft, ob der neue Herrscher ihnen wohlgesinnt war oder eben nicht. Ein dicker Aristokrat konnte sich nicht an die Riemen reißen und nahm gleich zwei schwere Goldtruhen mit sich, die zwei arme Sklaven tragen mussten. Kopfschüttelnd verurteilte James die Dekadenz und die Überheblichkeit dieser Leute, es war ihm eine Freude zu sehen, wie ihr ignorantes Verhalten bestraft wurde. Doch sie waren nicht an den kleinen Fischen interessiert. Immer weiter schritten sie, immer weiter in die Burg hinein, immer mehr Menschen liefen chaotisch auseinander. Sie blieben erst vor einer großen Türe stehen, die vergoldete war und James zögerte. Jetzt war es soweit, der schwierigste Teil ihres Planes war gekommen, denn in jenem Saal saßen alle, die in diesen Land irgendetwas zu sagen hatten, die Berater des Königs, die wohl über den neuen Herrscher abstimmten. Sie galt es zu erpressen. Mit einem Schwung riss er die Türe auf und die drei marschierten hinein, nur um in zehn verwirrte Augenpaare zu schauen. James hatte mit seinen Befürchtungen Recht, da waren sie alle. Die Lords, die Aristokraten, die die rechte Hand des nun toten Königs gebildet hatten, begierig darauf, den nächsten Herrscher festzulegen und die Ruhe des Landes wiederherzustellen. "Ich, James Orion bin gekommen, um mit euch zu verhandeln über die Zukunft dieses Reiches." Ein Rauen ging durch die Menge, alle waren kalkweiß in Gesicht und blickte sich hilfesuchend nach einer Wache um, doch es gab keine, denn alle waren in den Straßen unterwegs und machten sich auf die Suche nach den Attentätern. "Orion. Bei Gott." murmelte einer und fasste sich ans Herz. "Ganz richtig." Arrogant schritt James an ihnen vorbei und bedachte sie mit einem angewiderten Blick. "Ich habe euren König umgebracht." Keuchen. "Tut doch nicht so als würde euch der Tod leidtun. Ihr giert ja nur nach Reichtum und Macht, er war euch doch egal. Ich bin hier, um euch ein Angebot zu machen, eines, welches ihr nicht ausschlagen könnt." Mit unbarmherzigen Blick und einer Lässigkeit, die wohl keiner so gut an den Tag legen konnte wie er ließ er sich auf den Stuhl am Ende des Tisches nieder und schwang seine Beine auf jenen besagten Tisch. Er breitete seine Arme aus und grinste in die Runde. "Wer will mit dem zukünftigen König von Amherra einen Deal machen?" William und Terim flankierten ihn von beiden Seiten, es war das Bild eines Königs, der nur darauf wartete, auf seinem Thron in Amherra zu sitzen.

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