Geständnisse

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Alaina rannte die Stufen hinunter, weg von den Adeligen dieses Hofes, weg von allen, die ihr in letzter Zeit irgendetwas bedeutet haben, es war alles vorbei. Sie war von ihnen, von ihm verraten worden. Der Schmerz saß so tief, dass sie meinte, daran zugrunde zu gehen. Vorbei an den Wachen in den prunkvollen Zimmern, immer weiter raus in das Freie. Die Wachen blickten ihr verwundert nach, doch das kümmerte sie nicht. Immer weiter rannte sie, bis sie schon im prächtigen Garten stand, der jedoch mittlerweile schon in Dunkelheit gehüllt war. Gleich war sie draußen aus diesem verdammten Schloss. Doch dann rannte sie gegen etwas Festes, unfähig irgendetwas gesehen zu haben, denn sie war mit ihren Gedanken weit weit weg. "Alaina, wo willst du denn hin?" Lord Geminus stand vor ihr und hielt sie am Arm fest. "Lass mich los." fauchte Alaina und machte Anstalten weiterzulaufen, doch er hielt sie weiterhin fest. "Was ist denn los? Der König..." "Ich weiß davon, von hereditas regis. Ich weiß alles. Ihr habt mich belogen." Die letzten Worten spuckte sie ihm fast schon in sein Gesicht und sie sah, wie sich seine Augen erschrocken weiteten. "Er hat es dir erzählt." mutmaßte er schließlich und sah sie besorgt an. "Also wussten wirklich alle davon, ihr, Liliana, Ella, ...." Eine Pause entstand und der Lord machte Anstalten zu sprechen, nur um den Mund wieder zu schließen. "Alaina." brachte er schließlich hervor, als wüsste er nicht, was er zu ihr sagen wollte. "Geh nicht, James und wir alle finden sicherlich eine Lösung dafür, wie wir diese Sache verhindern können. " "Was verhindern .... ,dass er König wird? Denn James hat sich schon entschieden. Er wird sie heiraten und damit ist es beschlossen. Ich werde ganz sicher nicht die Mätresse eines verheirateten Mannes sein, schon gar nicht eines Königs. " "Nein, das ist noch nicht das letzte Wort. Wir sind berühmt dafür, Pläne zu schmieden, es gibt immer ein Schlupfloch." "Ihr hättet mir es sagen sollen." Alaina sah ihn stumm an. "Es ist zu spät, ich will nicht darauf warten. Außerdem will ich keine Königin sein, werde ich auch nie. Das ist doch lächerlich. Ich bin ein Niemand. " Mit diesen Worten kehrte sie ihm den Rücken zu. "Du bist kein niemand. Du bist mehr als du denkst." Verwirrt drehte sie sich zu ihm um und ihr Haar wehte ihr in ihr Gesicht. Mittlerweile verdunkelte sich der Himmel noch mehr und ein strömender Regen schoss auf sie hinab. Doch das kümmerte sie beide nicht, sie blieben an Ort und Stelle stehen. "Du ... du bist meine Tochter."

Alaina sank zurück, unfähig die Worte wahrzunehmen. Was war denn das schon wieder? "Wie .... was? Nein." Der Regen lief über ihr Gesicht und vermischte sich mit ihren heißen Tränen. "Nein, mein Vater war Amherraner, er war Soldat." "Ich war dieser Soldat." Mit zerknirschten und besorgten Gesicht trat er weiter auf sie zu, doch sie wich zurück, sie wollte es nicht glauben, nicht noch eine weitere Lüge, eine weitere Offenbarung, die sie erschütterte. "Ich hatte deine Mutter im Krieg kennengelernt, wir hatten eine Liaison, doch sie hielt nicht lange, weil ich weiterziehen musste. Ich hatte keine Ahnung, dass sie schwanger war, sonst hätte ich ...." "Sonst hättest du was? Mich mit dir genommen, mich meiner Mutter entzogen?" "Nein." Heftig schüttelte er den Kopf. "Ich hätte für dich gesorgt. Für euch." Mit einem verzweifelten Schnauben drehte sich Alaina weg, das war alles zuviel für sie. Ihre ganze Welt stand in Trümmern und mittlerweile stieg ihr alles über den Kopf. Sie konnte nichts mehr hören, sie wollte nur noch weg, sich verkriechen, sie wollte zu ihrer Mutter. Die Sehnsucht nach ihr war noch nie so stark wie in jenem Moment, doch sie war tot. Dieser Gedanke ließ ihre Wut wieder entfachen auf jenen Mann, der sich soeben als ihr Vater herausstellt hatte. Er hätte es verhindern können. "Du hättest es verhindern können." Das musste man ihm lassen, er begriff sofort. Elias Geminus blickte mit verzweifelten Augen auf seine Tochter hinab, die ihn mit Tränen in den Augen anblickte. "Ich weiß." flüsterte er. Es gab nichts, was dem hinzuzufügen war, wenn er auf sie beide aufgepasst hätte, dann wäre so etwas nicht passiert. "Du hättest viel verhindern können. Sehr viel. Mein ganzes Leid, was ich ertragen musste. Ich wäre frei gewesen, hätte nicht von grausamen Herren abhängig sein müssen. All dieses Leid, dieser Schmerz, diese Gewalt all das hätte mir erspart werden können." Diese Erkenntnis erschütterte sie bis ins Mark. Mit reuevollen Blick wollte er zu ihr gehen, die pure Verzweiflung stand in seinem Gesicht. "Ich weiß Alaina, es gibt keinen Tag, keinen Moment, an dem ich das nicht bereue. Ich wusste nicht von dir, ich kann es nicht mehr ändern, aber bitte geh nicht. Wir finden für all das eine Lösung." Alaina schüttelte nur den Kopf, es war zu viel, sie konnte nicht mehr denken, sie musste weg, sie brauchte Abstand von dem Chaos hier. Erst die Offenbarung von James, dass er König sein würde und sie als Mätresse will und jetzt das. Wie oft hatte sie sich erwünscht, sie würde ihren Vater finden und ihn als fehlendes Elternteil entgegennehmen. Doch je älter sie wurde, desto mehr hatte sie sich von dem Gedanken verabschiedet, das es jemals passieren würde. Und jetzt stand er vor ihr, ein Lord Amherras, einer der großen Lords und sie konnte ihm dies nicht verzeihen. Zumindest in dem Moment nicht. Der Ausdruck von Reue in seinem Gesicht war schlimm, doch sie konnte nicht, sie musste endlich weg. "Ich... ich brauche Abstand."

Mit diesen Worten drehte sie sich um und er hielt sie nicht auf, sondern stand nur weiter im Regen, denn er wusste, dass er sie nicht davon abbringen konnte. Er blieb lange stehen, bis seine Frau zu ihm kam und ihn umarmte. Dieser Tag wird als schwarzer Tag in die Geschichte eingehen. Der Tod eines geliebten Herrschers war gekommen. Das Reich war in einem schwachen Zustand, denn der Kronprinz war krank und so musste die Krönung vorbereitet werden, denn hereditas regis wurde in Kraft gesetzt. Der zukünftige König war jedoch noch nicht bereit. Immer noch fassungslos über den Verlust seine geliebten Frau, seinem Ein und Alles, stand er in jenem Zimmer, wo sie sich zuvor noch gestritten hatten. Seine Freunde um ihn, doch James nahm nicht wahr, was sie sagten, er konnte nur dastehen und in die Leere blicken. Sein Innerstes blutete so stark und sie fehlte ihm bereits jetzt. Ihr Duft, ihr Lachen, ihr Selbstbewusstsein, ihre Lippen, .... Die Sehnsucht war so stark, doch es war vorbei. Er war ja so ein Idiot, er hatte es ihr viel zu lange verschwiegen, all die Dinge, welche sie ihm an den Kopf geworfen hatte, waren wahr. Er hatte sie nicht verdient, sie hatte es nicht verdient, so belogen zu werden. "James. James." Charly rüttelte ihn schon fast und endlich erwachte er aus seiner Starre und blickte in die besorgten Gesicht seiner Freunde und seiner Eltern. "Wir müssen dem König unsere letzte Ehre erweisen." meinte Lord Orion und blickte zu seinen Freunden. Den Tod des Königs, den hatte James schon fast vergessen, zu viel war passiert. Er musste seine Rolle als zukünftiger König einnehmen, irgendwie musste er es schaffen. Diese Rolle ist ihm von Geburt an zugeteilt worden, das ist er Amherra schuldig. Ehrgefühl stand in Amherra immer vor den persönlichen Gefühlen und so sehr sein Herz auch schmerzte, er musste stark sein oder wenigstens so wirken. "Gehen wir." meinte er mit belegter Stimme. Doch dann wurde die Tür aufgerissen und der pitschnasse Elias Geminus trat mit seiner Frau ein. "Was ist den mit dir passiert?" fragte ihn Charly. "Ich habe Alaina gesehen." Sobald James den Namen hörte, spürte er wieder den tiefen Schmerz des Verlustes in ihm und er musste sich stark zusammenreißen, dass er nicht zusammenbrach. "Sie ... ich habe ihr gesagt, dass sie meine Tochter ist." stammelte der Lord und blickte seine Freunde an. "Was?" schrie Charly schon fast und auch James riss die Augen auf. "Ich habe ihre Mutter gekannt, ich weiß es seit zwei Wochen." "Du ich... Dann ist sie meine Halbschwester." würgte Charly hervor und blickte seine Eltern wütend an. "Wann wolltet ihr mir davon erzählen?" Die Lordschaften Orion und Geminus wechselten einen besorgten Blick, auch sie waren eingeweiht gewesen, doch hatten nichts gesagt. "Was ist denn heute für ein Tag." murmelte George und blickte seine Familie an. James konnte es nicht fassen, genauso wenig wie Charly, der mit entgeisterten Blick, die Tatsache erst einmal begreifen musste. Doch James störte eine ganz andere Sache, sie war schon ein zweites Mal heute überrascht worden. "Sie ist weg oder?" mit belegter Stimme sah er den Vater seiner geliebten Frau an, der bloß nickte. James straffte die Schultern. "Gehen wir." befahl er seinen Freunden, die ihn mit großen Augen anblickten. Stolz betrachteten seine Eltern seine Statur, er nahm die Verantwortung an und stellte sich trotz den Ereignissen seiner Aufgabe. Wie ein König schritt er an ihnen vorbei raus in den Ballsaal, um den ehemaligen König standesgemäß zu betrauern. Viel würde sich in nächster Zeit ändern.

WüstenköniginWo Geschichten leben. Entdecke jetzt